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Saat der Lüge

Saat der Lüge

Titel: Saat der Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Jones
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konnte.
    Die echten Medienfuzzis und die Mitarbeiter der walisischen BBC , die ihren Sitz in der Vorstadt Llandaff hatte, zogen die exklusivere Atmosphäre von Pontcanna vor, wo die kleinen Bars und Restaurants in den grünen viktorianischen Straßen immer teurer und beliebter wurden. Hier traf der echte, walisisch sprechende Mittelstand des Fernsehsenders S4C auf Studenten des künstlerisch inzestuösen Theaterinstituts, und man plauderte absichtlich und ein klein wenig zu laut auf Walisisch, damit jeder Notiz von einem nahm.
    Um sieben hatten Cora und ich bereits unser Gespräch über den Currymann und unsere ersten Drinks hinter uns. Sie wirkte besänftigt, und der Abend versprach so zu werden, wie ich ihn geplant hatte: voller Vertraulichkeiten und Cocktails, Snacks und Erinnerungen. Ich wollte sie mit Nostalgie beschwichtigen, mit gemeinsamen Geschichten, die wir zu Mythen formten, mit Ereignissen und Schauplätzen aus längst vergangenen Zeiten, wollte sie zum Lachen bringen und daran erinnern, was für tolle Freundinnen wir doch waren, die einander vertrauten und füreinander da waren.
    Gegen neun nahmen die Ereignisse jedoch eine ganz andere Richtung. Cora beharrte zwar darauf, dass es ihr gut ging, aber ich vermute, sie hatte bereits Wein getrunken, bevor sie aus dem Haus ging, und jetzt hatte sie schon den vierten oder fünften Wodka intus. Draußen war es stockfinster, und eine beißende, trockene Kälte kündete den nahenden Winter an. Die Leute hatten sich entweder als aufreizende Hexen verkleidet, mit Strumpfhalter und Korsett, oder tauchten mit ihren traurigen Edvard-Munch-Masken aus dem Film Scream urplötzlich aus Seitenstraßen oder Pubtüren auf, brüllend und nach Alkohol stinkend. 31. Oktober. Die Nacht, in der das Böse sich erhebt.
    Nach einem Blick in Coras glasige Augen hielt ich es für besser, aus dem The George zu flüchten, bevor meine Kollegen aus der Spätschicht auftauchten. Die Risa Bar war neu und erschwinglich, und vielleicht brachte ich Cora dazu, dort ein paar Tapas oder ein Panino zu sich zu nehmen, damit sie eine bessere Grundlage hatte.
    Als wir gerade unsere Gläser leerten und gehen wollten, schlug das Schicksal zu, und wir wurden hinterrücks von James überfallen. Der schöne James: groß, schlank, dunkel, auf anrüchige Weise gut aussehend. Er war aus der Londoner Redaktion ausgeliehen und brachte deren kosmopolitische Verheißungen mit. Außerdem schwamm er geradezu in Geld, hatte stets ein breites Grinsen auf den Lippen und strahlte eine geschmeidige Selbstsicherheit aus.
    Mit seiner lakonischen Art und dem elegant-verschossenen schwarzen Regenmantel erinnerte er auf seltsame Weise an einen Vampir aus dem neunzehnten Jahrhundert. Bleich, aristokratisch, charmant, unzuverlässig, leicht zu haben. Im Schlepptau hatte er Phil und Will, zwei Kollegen aus der Wirtschaftsredaktion, beide witzig und intelligent, mit trendigen Hornbrillen. Trotz ihrer Vorliebe für karierte Hemden und verwuschelte Studentenfrisuren waren sie es durchaus wert, dass man an einem langweiligen Dienstagnachmittag bei ihnen herumlungerte, wenn nicht viel zu tun war.
    In James’ Kielwasser gerieten sie jedoch ins Schwimmen und mussten sich anstrengen, um wenigstens hin und wieder einen Blick von den beiden sorgfältig geschminkten jungen Damen aus dem Vertrieb aufzufangen, die James irgendwie aufgegabelt hatte, seit er mich um fünf Uhr nachmittags zum zweiten Mal an diesem Tag vergeblich gebeten hatte, ihn auf einen Drink zu begleiten.
    »Ah, Elizabeth!«, rief James strahlend, als er mich entdeckte, mit seiner furchtbar vornehmen und doch sanften englischen Stimme, die stets ein leichtes Kribbeln bei mir auslöste. »Es muss wohl das Schicksal sein, das uns nun doch noch zusammenführt!«
    Er legte mir die Hand in den Nacken, zog mich zu sich heran und drückte mir, so dicht am Mundwinkel wie möglich, einen langen Kuss auf die Wange. Dreister Mistkerl. Er war bereits leicht angetrunken. Ob dieser Begrüßung welkten die beiden Vertriebsmädels in ihren Oberteilen von Kookaï sichtlich dahin und schlossen die im Metalliclook lackierten Fingernägel krampfhaft um ihre Wodka-Mixgetränke.
    Nachdem James und ich uns zwei Minuten lang mit freundlichen Beleidigungen bedacht und uns über unsere Überstunden und das sinkende Niveau von Newsnight und Timewatch ausgelassen hatten, sagte er: »Ich hab deine Artikel über dieses Mädchen aus dem Fluss gelesen, Liz. Gute Arbeit. Besonders die Hintergrundstory,

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