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Saat des Feuers

Saat des Feuers

Titel: Saat des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Palov
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hochblickte – das bunte Licht wirkte beinahe hypnotisierend -, kamen ihm mehrere Zeilen eines Bibelverses in den Sinn. »›Ich will deine Mauern auf Edelsteine stellen
und will deinen Grund mit Saphiren legen und deine Zinnen aus Kristallen machen und deine Tore von …‹«
    Edie hob die Hand und unterbrach ihn mitten im Satz. »Es reicht. Ich bekomme sonst noch einen absoluten Bibelkoller. Diese Fenster zu entziffern, ist so, als würde man eine fremde Sprache erlernen. Nur, dass wir kein Lexikon haben. Und wenn du auch noch mit Versen aus der Bibel um dich wirfst, macht das die Sache nicht gerade leichter.«
    »Verstanden«, antwortete er reumütig.
    Während seiner Zeit in Oxford hatte Cædmon mittelalterliche Ikonografie studiert, aber für viele moderne Betrachter war die Symbolik, die in den Fenstern der Kathedrale von Canterbury steckte, wie eine fremde Sprache. Doch diese Sprache war vor achthundert Jahren sehr gut verstanden worden. Da die meisten Menschen im Mittelalter weder lesen noch schreiben konnten, ermöglichten es die Kirchenfenster den Gläubigen, durch Bilder von den Erzählungen in der Bibel zu erfahren.
    Cædmon ignorierte den schmerzhaften Stich in seinem Nacken und fuhr damit fort, die Bilder zu untersuchen, wobei er sich zwang, sich nur auf die Darstellungen des Alten Testaments zu konzentrieren. Moses, wie er Aaron weiht. Elijas Himmelfahrt. Samson und Delilah.
    Als sie zur nächsten Gruppe von Bildern weitergingen, fiel ihm aus den Augenwinkeln eine in Leder gekleidete Gestalt auf. In Größe und Statur ähnelte sie ihrem Angreifer in Oxford, deshalb verlangsamte er seine Schritte. Beinahe sofort schlug sein Herz schneller, und Gänsehaut bildete sich auf seinen Armen. Cædmon kannte dieses Gefühl. Er hatte es schon viele Male verspürt, während er für den MI5 gearbeitet hatte. Etwas im Staate Dänemark stank gewaltig zum Himmel.
    Mit angespannten Muskeln drehte er sich langsam um, um sich dem Feind zu stellen.
    Es dauerte einen Augenblick, um festzustellen, dass der Mann
nur ein Tourist war. Auch wenn er den gleichen robusten Körperbau hatte, waren seine Gesichtszüge doch völlig anders.
    Teufel noch mal.
    »Ist irgendetwas?«, fragte seine Begleiterin. »Du hast plötzlich einen schrecklich angespannten Zug um den Mund.«
    »Nein, nein, es ist nichts«, versicherte er ihr, während er ihr die Hand an den Ellbogen legte und sie zum Mittelgang des Chors der Kathedrale steuerte. Auf einer Seite ruhten Steinbögen auf massigen Säulen, auf der anderen Seite leuchteten die Kirchenfenster.
    »Ah! Die berühmten Typologiefenster«, verkündete er, wirkungsvoll das Thema wechselnd. Er wusste, dass die Typologiefenster vor dem dreizehnten Jahrhundert angefertigt worden waren, deshalb legte er den Kopf in den Nacken, um die oberen Glasbilder zu untersuchen, und ignorierte dabei den stechenden Schmerz, der ihm vom Nacken durch das ganze Rückgrat fuhr.
    Edie stieß ihn in die Rippen. »Erklärung, bitte. Für den Fall, dass du es vergessen hast, ich bin in Kunstgeschichte noch eine Anfängerin.«
    »Typologie ist eine Methode, die im Mittelalter oft verwendet wurde, um die Legitimität des Neuen Testaments durch Geschichten aus dem Alten Testament zu bestätigen«, erklärte er. »Ein typisches Beispiel ist die Erzählung von Jonas und dem Wal. Dem Alten Testament zufolge verbrachte Jonas drei Tage und drei Nächte im Bauch des Wales.«
    »Und prophezeite dadurch, dass Jesus genauso lange im Grab verbringen würde«, bemerkte sie scharfsinnig.
    »Genau. Normalerweise wurden die Geschichten paarweise zusammengefasst, und durch diese Manipulation mittels biblischer Zeichensprache bekräftigte man bestimmte theologische Standpunkte.«
    »Gedankenkontrolle in höchster Form.«
    Er zwinkerte ihr zu. »Wie sonst soll man denn die Massen kontrollieren?«

    »He, schau mal, da ist Noah und die Arche!«, rief sie aus und deutete auf ein halbrundes Fenster. Sie legte die Hand auf den Mund und unterdrückte ein Kichern. »Nicht gerade eine ägyptische Barke und ganz sicher keine Bundeslade, aber inzwischen bin ich schon so weit, dass ich mich über jedes Bild einer größeren Holzkiste freue.«
    Nicht halb so amüsiert darüber wie sie ging Cædmon zum nächsten Bild über. Wieder begann er mit dem langsamen Prozess, jede einzelne biblische Figur zu identifizieren, indem er den Blick systematisch von oben nach unten wandern ließ. Das monumentale Fenster war in sieben horizontale Bereiche unterteilt,

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