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Saat des Feuers

Saat des Feuers

Titel: Saat des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Palov
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standen.
    »Ich glaube, das hier ist unsere Haltestelle.«

53
    »Es interessiert dich vielleicht, dass diese mittelalterlichen Mauern auf römischen Fundamenten erbaut wurden. Der Name der ursprünglichen Siedlung lautete Durovernum Cantiacorum.«
    Während sie die altertümlichen steinernen Festungsmauern entlangschlenderten, die die Stadt Canterbury umgaben, fühlte Edie sich erleichtert darüber, dass sie und Cædmon wieder zu ihrer früheren Kameradschaft zurückgekehrt waren. Sie war sich nicht ganz sicher, denn das männliche Wesen war nicht einfach zu entschlüsseln, aber sie glaubte, dass Cædmon deshalb in der Gasse so wütend gewesen war, weil er sie nicht vor MacFarlanes Gorilla hatte beschützen können.
    Der Typ hatte eine Waffe, warum hat er sie nicht benutzt?
    Als sie vor ihrem inneren Auge wieder diese massigen Schultern, den angsteinflößenden rasierten Schädel und das blutige Rinnsal, das im Zickzack über die pulsierende Schläfe geströmt war, vor sich sah, durchlief sie ein Schauer.
    »Kalt?«, fragte Cædmon besorgt und legte ihr den Arm um die Schulter.
    Wortlos schmiegte sie sich enger an ihn und schob das furchterregende Bild beiseite. Auch wenn sie sich nicht hundertprozentig sicher war, glaubte sie nicht, dass sie verfolgt wurden. Sie waren per Anhalter nach London gefahren, dann hatten sie an der Victoria Station einen Zug nach Canterbury genommen. Die Fahrt hatte nur neunzig Minuten gedauert. Da der Bahnhof im Außenbezirk der Stadt lag, waren sie nun unterwegs zur Kathedrale.
    Zum Schutz gegen den nasskalten Wind schlug Edie den Kragen ihrer Jacke hoch. Über ihnen hingen die Wolken tief am Himmel, als hüllten sie die Stadt in ein düsteres Leichentuch.
    Nachdem sie einen kurzen Blick auf den Stadtplan geworfen hatten, den sie am Bahnhof gekauft hatten, führte Cædmon sie
nach links, an den Überresten eines alten Turms vorbei, der, wie sie vermutete, einst zu einer ebenso alten Kirche gehört haben musste.
    »Das ist alles, was von der St. George’s Church übrig ist«, bemerkte er. »Der Turm hat es irgendwie geschafft, die Mühsale der Geschichte zu überstehen.«
    »Obwohl es so aussieht, als wäre es dem größten Teil der Stadt ziemlich gut ergangen.« Sie deutete auf die ordentliche Reihe von Fachwerkhäusern, die die enge Straße säumten. »Ich komme mir vor, als würde ich durch ein lebendiges Mittelaltermuseum laufen.«
    »In der Tat. Seit den Tagen Chaucers hat sich Canterbury wenig verändert.«
    Die Stadt trug, genau wie Oxford, ihr Weihnachtskleid, und in den Schaufenstern blinkten fröhlich die Lichterketten. Allerdings hatte Canterbury etwas Zauberhaftes an sich, das Oxford fehlte.
    Als sie die Mercery Lane entlanggingen, wimmelte es auf dem Bürgersteig nur so von Touristen. Moderne Pilger, die sich nicht von dem kalten Wetter abschrecken ließen. Bei jedem Schritt war Edie sich deutlich bewusst, dass sie auf den Spuren einer anderen Frau wandelte, keiner anderen als Philippa of Canterbury. Wie bei den meisten Frauen im Mittelalter stand Philippas Lebensgeschichte schon vom Augenblick ihrer Geburt an fest. Der Lauf des Lebens eines Mannes im vierzehnten Jahrhundert wurde auf Pergament festgehalten und erlaubte es, Änderungen vorzunehmen, doch das Leben einer Frau war in Stein gemeißelt. Unabänderlich.
    Je näher sie dem Kern der Stadt kamen, umso mehr dominierten die spitzen Türme der Kathedrale die Silhouette der Stadt. Zu Edies Erstaunen verspürte sie ein wachsendes Gefühl der Unruhe. Cædmon fühlte es offensichtlich auch, denn er ergriff ihre Hand, als sie sich einem massiven, dreistöckigen Torhaus näherten. In der Mitte thronte, geschmückt mit Reihen von geschnitzten Schilden und einem Aufgebot an steinernen Engeln, der Heiland und begrüßte Heilige und Sünder gleichermaßen.
    Cædmon führte sie durch das gewölbte Portal. »Christ Church
Gate, die physische Grenze zwischen dem Weltlichen und dem Heiligen.«
    Als sie aus dem Portal heraustrat, konnte Edie zum ersten Mal einen richtigen Blick auf die Kathedrale von Canterbury werfen. »Wow«, flüsterte sie. Die Kathedrale, eines dieser zum Himmel strebenden gotischen Bauwerke, wirkte regelrecht einschüchternd. Wohin sie auch blickte, sah sie Türme, spitze Fialen und Statuen. »Wow«, murmelte sie erneut, immer noch gefangen in ehrfurchtsvollem Staunen.
    »Natürlich«, bemerkte Cædmon, »ist die Großartigkeit Canterburys nicht überraschend, denn diese Kathedrale ist praktisch die Mutter der

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