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Saat des Feuers

Saat des Feuers

Titel: Saat des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Palov
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älteren Mann, der sie am Oberarm gepackt hatte, daran gehindert wurde, zu ihm zu eilen.
    Als wäre er in einem dieser bizarren Träume gefangen, in denen er nackt und alle anderen vollständig bekleidet waren, bemerkte er erst verspätet, dass er Hose, Hemd und Schuhe trug und seinen Pullover, die Unterhose und die Socken in der Hand hielt. Glücklicherweise war der Reißverschluss seiner Hose geschlossen, aber sein Hemd war vollständig aufgeknöpft.
    »Ich wurde einer etwas gründlichen Leibesvisitation unterzogen. Überflüssig zu erwähnen, dass ich mich ein wenig misshandelt fühle.«
    »Ich hoffe, meine Männer sind nicht allzu grob mit Ihnen umgesprungen«, bemerkte der ältere Mann mit humorlosem Lächeln. »Ich hatte ihnen befohlen, schonend mit Ihnen umzugehen.«
    Cædmon vermutete, dass der grauhaarige Mann kein anderer als Stanford MacFarlane war, und rang sich ein ebenso humorloses Lächeln ab. Mit der Hand wischte er sich über die blutige Nase, die
ihm seine verdammte Eskorte beinahe gebrochen hatte. »Ich werde es wohl überleben.«
    »Wie Sie sich vermutlich vorstellen können, habe ich einige Fragen, die Sie mir hoffentlich beantworten können.«
    »Ich glaube, das ist die Stelle, an der ich sagen sollte: ›Ich will meinen Anwalt sprechen.‹«
    Cædmons witzige Bemerkung ignorierend, fragte MacFarlane ruhig: »Zuallererst einmal: Wo ist die Bundeslade?«
    Da er wusste, dass Edies Leben auf dem Spiel stand, antwortete er so aufrichtig wie möglich. »Ich habe keine Ahnung. Obwohl ich mir sicher bin, dass wir, wenn wir unsere Denkermützen aufsetzen, herausfinden können, wo sie sich befindet.«
    »Das hat mir der letzte Wissenschaftler auch gesagt … unmittelbar vor seinem Tod.«
    Aus den Augenwinkeln sah Cædmon, wie Edie entsetzt die Hand an den Mund presste. Auch er fühlte sich ein wenig mulmig.
    »Ich bin kein verdammter Hellseher, ich bin Wissenschaftler. Und als solcher muss ich darauf bestehen, dass Sie der Logik eine Chance geben. In der Tasche meines Anoraks finden Sie eine Zeichnung, von der ich glaube, dass sie Sie interessieren könnte.«
    MacFarlane ging zu dem Schlägertyp, der seinen Anorak in der Hand hielt. Nachdem er die zwei zusammengefalteten Blatt Papier aus der Tasche gezogen hatte, untersuchte er zuerst die übersetzten Quartette und dann die Bleistiftzeichnung der Darstellung Jesu im Tempel.
    »Bevor ich zu der Zeichnung komme, sollte ich Ihnen sagen, was wir bisher in Erfahrung gebracht haben. Wir glauben nun, dass die Quartette nicht von Galen of Godmersham geschrieben wurden.« Offensichtlich wie vom Donner gerührt fuhr MacFarlanes Kopf herum. »Vielmehr wurden sie von Galens dritter Frau Philippa of Canterbury geschrieben.«
    »Sind Sie sich da sicher?«
    »Völlig ohne jeden Zweifel.«

    Auf diesem Bissen kaute MacFarlane einige Sekunden lang herum. »Und was ist mit dem heiligen Laurentius und der St. Lawrence the Martyr?«
    »Ein Ablenkungsmanöver«, antwortete Cædmon, der vermutete, dass es diese spezielle Fehlinterpretation gewesen war, die das Schicksal des »letzten Wissenschaftlers« besiegelt hatte. »Der ›gesegnete Märtyrer‹, um den es geht, ist Thomas Becket. Was uns zur Kathedrale von Canterbury führte, wo wir ein Bild in einem Kirchenfenster entdeckten.«
    MacFarlane starrte die Zeichnung an wie ein Süchtiger eine aufgezogene Spritze.
    »Was die Besonderheiten des Bildes angeht, muss man berücksichtigen, dass es von einem Künstler mit völlig anderen kulturellen Bezügen geschaffen wurde. Von einem semiotischen Standpunkt aus gesehen, blickt man beim Entschlüsseln des Fensters wie durch eine dunkle Linse. Komplexe theologische Dogmen, historische Fakten und archaische linguistische Strukturen, all das steckt bunt zusammengewürfelt in dieser scheinbar unverfänglichen Darstellung. Es wird eine Weile dauern, die verschiedenen Stränge auseinanderzusortieren.« Als er das Stirnrunzeln auf MacFarlanes Gesicht bemerkte, fügte er hastig hinzu: »Allerdings haben wir Grund zu der Annahme, dass die beiden Gänse in dem Korb von Bedeutung sind.«
    »Und was bringt Sie zu der Annahme?«
    »Eine der beiden Gänse repräsentiert Philippa selbst, in der mittelalterlichen Gestalt der guten Hausfrau. Unglücklicherweise müssen wir erst noch entschlüsseln, was die zweite Gans bedeutet.«
    »Und wann werden Sie das herausgefunden haben?«
    »Nicht bevor ich mich wieder erholt habe.« Cædmon ließ sich nicht die Butter vom Brot nehmen, denn er wusste,

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