Saat des Feuers
»Warriors of God« von einer Art Frist getrieben wurden. Aber eine Frist wofür? Auch wenn das altertümliche Geheimnis, das schon solche Lichtgestalten wie Newton und Freud verlockt hatte, ihn reizte, war sich Cædmon deutlich bewusst, dass deswegen Menschenleben rücksichtslos geopfert worden waren. MacFarlanes Besessenheit von der Bundeslade kannte eindeutig keine Grenzen.
»Ah! Wir haben einen Treffer«, verkündete er und deutete auf den Computerbildschirm. »Laut einem Dokument aus dem vierzehnten Jahrhundert namens Regestrum Archiepiscopi … «
»Sparen Sie sich das Latein«, knurrte MacFarlane.
»In Ordnung.« Cædmon entschied, sich einfacher auszudrücken. »Was Sie hier sehen, ist die Liste des Erzbischofs von Canterbury, in der alle Klöster im Jahr 1350 erfasst wurden. Da das zwei Jahre nach der Pest war, vermute ich, dass der Erzbischof ziemlich erpicht darauf war, seine Schäfchen zu zählen. Da die meisten Menschen im Mittelalter sich kaum jemals weiter als fünfzig Kilometer von ihrem Geburtsort entfernten, suche ich zuerst in den Listen von Kent nach Philippa.«
Während Cædmon die Auflistung durchging, war ihm klar, dass seine Suche auf nicht viel mehr als einer starken Vermutung basierte. Einer Vermutung, die, wenn sie sich als falsch erweisen sollte, tragische Konsequenzen haben würde.
»Da ist sie«, murmelte er. »Philippa, verwitwete Ehefrau von Galen of Godmersham, ist als Mitglied des Priorats der gesegneten Jungfrau Maria aufgelistet. Dem Eintrag zufolge trat sie dem Kloster mit einer Mitgift von ungefähr …«
»Sagen Sie mir einfach, wo das Kloster liegt«, unterbrach MacFarlane ihn.
»Es liegt bei dem kleinen Weiler Swanley, südöstlich von London.«
MacFarlane drehte sich zu dem Goliath mit der genähten Kopfwunde um. »Rufen Sie das auf dem GPS-System auf.«
Mit einem Eingabestift, der in seiner übergroßen Hand geradezu lächerlich wirkte, gab der Hüne den Namen auf einem PDA ein.
»Ich hab’s. Es liegt am Autobahnkreuz der M20 und der M25«, verkündete er und reichte das Gerät seinem Vorgesetzten.
MacFarlane studierte die vom Computer erzeugte Straßenkarte. »Sie haben recht. Swanley liegt ziemlich genau fünfzig Kilometer von Canterbury entfernt. Was bedeutet, dass wir innerhalb einer Stunde dort sein können.«
Cædmon schüttelte den Kopf und wies ihn ruhig auf das Offensichtliche hin. »Wenn wir mitten in der Nacht in einem mittelalterlichen Kloster herumschleichen, dann haben wir ziemlich schnell die örtliche Polizei am Hals, ganz besonders, wenn das Kloster Eigentum des National Trust für Denkmalpflege ist. In Anbetracht der Wichtigkeit der Aufgabe sollten wir besser bis Tagesanbruch warten.«
MacFarlane starrte ihn an, lang und fest.
»Wir brechen bei Tagesanbruch auf«, meinte er schließlich. Dann, Cædmon immer noch mit seinem Blick durchbohrend, zischte er: »Wenn Sie vorhaben sollten, mich auszutricksen wie dieser Wichser aus Harvard, dann überlegen Sie sich das lieber noch einmal genau, Junge.«
Obwohl Cædmon Anstoß daran nahm, Junge genannt zu werden, hielt er sich zurück. »Denken Sie daran, dass wir in Swanley möglicherweise einfach nur den nächsten Hinweis finden werden.«
»Was wollen Sie damit sagen, dass das hier eine Art Schnitzeljagd wird?«
»Wenn man einen Baum verstecken will, dann stellt man ihn am besten in einen Wald. Wir wissen nicht, ob das Priorat der gesegneten
Jungfrau Maria der Wald ist, bevor wir den Ort nicht gründlich untersucht haben.«
»Nun, dann beten Sie besser zu Gott, dass es der richtige Wald ist.« Cædmon fragte sich, was wohl geschehen würde, wenn sie die Bundeslade nicht fanden. Er vermutete, dass durchschnittene Kehlen und an der Niedrigwassermarke verscharrte Leichen dabei eine gewisse Rolle spielten.
64
Die Dämmerung kam, feucht und grau, und die Fensterscheiben des Range Rovers waren an den Rändern immer noch mit Eis überzogen. Die Kälte drang Edie durch und durch; ihre Zähne klapperten. Allerdings hatte sie den Verdacht, dass dies mehr mit Angst als mit der Außentemperatur zu tun hatte.
Vor einer kleinen Weile waren sie und Cædmon unsanft geweckt und auf den Rücksitz des wartenden Fahrzeugs bugsiert worden. Vor ihnen auf dem Fahrersitz saß Sanchez, ein mürrischer Mann, der dazu neigte, auf Spanisch vor sich hin zu murmeln, und sein Copilot Harliss, ein Südstaatler mit einem so starken Akzent, dass er genauso gut Spanisch hätte sprechen können. Beide Männer waren bewaffnet.
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