Saat des Feuers
meisten umkämpften Stätten weltweit.«
»Ich weiß, dass der Tempelberg 1967 während des Sechstagekriegs von den Israelis erobert wurde.«
»Das ist richtig. Allerdings gestatteten es die Israelis in einem Versuch, die Muslime zu besänftigen, einer Waqf, einer islamischen Stiftung, weiterhin als offizielles Verwaltungsorgan der Stätte zu fungieren.«
»Also haben die Israelis zwar die Staatshoheit darüber, aber die Muslime behalten die Kontrolle.«
»Und wie du zweifellos weißt, ist diese Regelung seitdem Ursprung vieler Auseinandersetzungen.« Ein schwermütiges Gefühl gab ihm seine Worte ein. »Ich habe mich oft gefragt, ob die Welt nicht ein besserer Ort wäre, wenn Salomons Tempel nie erbaut worden wäre. Der Tempelberg ist einer der brisantesten Plätze auf diesem Planeten.«
Edie ließ sich auf ihrem Stuhl zurücksinken und starrte das harmlose Blatt Papier an, das vor ihr lag.
Auch Cædmon musterte die entschlüsselte Nachricht. »Und nun tritt auch noch ein Wahnsinniger auf den Plan, der darauf aus ist, den Felsendom zu zerstören, damit er einen dritten Tempel bauen kann. Mit der Bundeslade in seinem Waffenarsenal und einer gut ausgebildeten Streitmacht könnte er leicht ähnliche Ereignisse auslösen, wie sie im Alten Testament vorhergesagt wurden. Und dadurch Ezechiels Prophezeiung erfüllen.«
»Das dürfen wir nicht zulassen«, flüsterte Edie wie gelähmt von der Heftigkeit ihrer Emotionen. »Ich weiß nicht, ob du dir dessen bewusst bist, aber seit einiger Zeit gibt es ein wachsendes Bündnis zwischen jüdischen und christlichen Fundamentalisten.«
»Gleich und Gleich gesinnt gesellt sich gern.«
»Beide Gruppierungen glauben an die Prophezeiungen des Alten Testaments, was bedeutet, dass MacFarlane möglicherweise Verbündete in Israel hat, die ihm helfen würden, den Felsendom zu zerstören.«
Fassungslos schüttelte Cædmon den Kopf, denn das Szenario wurde immer beängstigender.
»Fanatische Christen, die mit fanatischen Juden zusammenarbeiten, um die Muslime anzugreifen. Du musst nur eine der drei Gruppen aufhetzen, dann hast du globale Instabilität. Hetze alle drei auf, und du hast die Voraussetzungen für den nächsten Weltkrieg.«
Cædmon wandte den Kopf und starrte hinaus auf die aufgewühlte See, die durch das Panoramafenster an der gegenüberliegenden Seite des Salons zu sehen war.
Wir können gar nicht schnell genug nach Malta kommen.
80
Cædmon sah von der Karte hoch, die er vor sich auf dem Bartresen ausgebreitet hatte.
Da in letzter Minute noch ein Zimmer frei geworden war, saßen er und Edie nun an der Bar des Dragonara Hotels und warteten darauf, dass das Zimmermädchen ihre Suite sauber machte. Zu seiner Überraschung war Valletta, die Hauptstadt Maltas, ein ziemlich beliebter Tagungsort. So beherbergte ihr am Meer gelegenes Hotel gerade eine große Zusammenkunft britischer Schönheitschirurgen. Da Malta einst zum britischen Weltreich gehört hatte, war es bei seinen Landsleuten ein beliebtes Reiseziel. Er hatte bewusst das Dragonara ausgewählt, damit sie in der Menge nicht auffielen. Sollte ein Rezeptionist oder ein Hotelpage gefragt werden, ob ein Engländer im Hotel eingecheckt hatte, dann würde er sagen: »Ja, das Hotel hat zurzeit zweihundert englischen Gäste.«
Bevor Cædmon seine Aufmerksamkeit wieder der Karte widmete, musterte er den Raum verstohlen über die verspiegelte Wand hinter der Bar. Auf alte Tricks zurückgreifend, sah er sich jeden einzelnen Bargast genau an, spielte im Kopf verschiedene Szenarien durch, versuchte zu entscheiden, wer von ihnen möglicherweise feindlich gesinnt sein könnte. Ein unauffälliger Tisch im hinteren Teil des Raumes wäre ihm lieber gewesen, aber durch die Horde von Aperitifs kippenden Schönheitschirurgen waren sie gezwungen, zwei Hocker an der Bar zu nehmen.
»Was ich noch fragen wollte: Woher hat der Felsendom eigentlich
seinen Namen? Es ist ja eigentlich kein Dom im herkömmlichen Sinne.«
Cædmon nickte. »Stimmt, der Name leitet sich von dem englischen dome für Kuppel ab. Der Felsendom ist eine Kuppel, die über dem Felsen erbaut wurde, von dem man glaubt, dass er der Grundstein der Welt ist, der shetiyah , wie er auf hebräisch genannt wird. Die Bundeslade ruhte auf dem shetiyah, bevor sie von Schischak gestohlen wurde.«
Der dunkelhäutige Barmann stellte ihnen ein Tonic Water und eine Cola hin. Dann präsentierte er Edie mit eingeübt schwungvoller Geste eine Platte mit frittiertem Tintenfisch
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