Saat des Feuers
Neoprenschuhe machten leise schmatzende Geräusche auf dem Deck. Edie folgte ihm auf dem Fuße und zerstörte damit jede Hoffnung, dass sie es sich noch einmal anders überlegt hatte.
»Gut. Gehen wir es an«, sagte er, schwang das Bein über die Bordkante und ließ sich in das kalte Wasser fallen, dankbar dafür, dass sie nur eine kurze Strecke schwimmen mussten.
Wassertretend sah er zu, wie Edie ihm folgte, wobei sie sich als geübte Schwimmerin erwies.
Wenige Minuten später erreichten sie zitternd vor Kälte und schwer atmend vor Anstrengung einen schmalen Streifen Strand, der mit vom Kliff abgebrochenen Felsbrocken übersät war. Das Fischerboot hatte bereits wieder die Fahrt heimwärts aufgenommen; der Kapitän schien sich offenbar nicht die Mühe gemacht zu haben sicherzugehen, dass sie heil an Land gelangt waren.
Edie zog sich die Haube vom Kopf und deutete mit dem Kinn auf die beeindruckende Klippe. »Ohne Kletterausrüstung glaube ich nicht, dass wir da raufkommen.«
»Ich weiß aus sicherer Quelle, dass es einen schmalen Pfad nicht weit von hier gibt.« Diese Quelle war niemand anderes als der Barmann, der behauptet hatte, dass er als Jugendlicher schon oft die Klippe hochgeklettert war. So etwas wie eine örtliche Mutprobe.
Cædmon schwang einen gummierten Rucksack von der Schulter, aus dem er eine weitere wasserdichte Tasche zog, aus der er
wiederum ein aufgewickeltes Kabel, ein Tauchermesser in einer Scheide, eine grüne Laserleuchte, zwei Taschenlampen, das GPS-Gerät, die Karte und zwei Paar Turnschuhe holte. Nachdem er die Ausrüstung noch einmal sorgfältig überprüft hatte, zog er seinen Taucheranzug aus. Wie Edie trug er schwarze Wanderkleidung unter seinem Anzug.
»Schätze, der Augenblick der Abrechnung ist gekommen, was?« Auch wenn Edie sich Mühe gab, ein tapferes Lächeln aufzusetzen, versagte sie dabei jämmerlich.
»Ja, ich fürchte, der Augenblick ist da.«
Mit geballter Faust holte er aus und versetzte Edie einen schnellen, präzisen Hieb gegen die Schläfe.
Sofort verdrehte sie die Augen, und er fing sie auf, als sie bewusstlos nach vorne sackte. K. o. geschlagen von der unsichtbaren Faust, die sie nicht hatte kommen sehen.
Sehr sanft bettete er sie auf ein Büschel Salzkraut und legte ihr den leeren Rucksack als Kissen unter den Kopf. Dann drückte er ihr eine Taschenlampe in die schlaffe Hand. Wenn er nicht zurück war, bevor sie wieder zu sich kam, oder wenn er überhaupt nicht zurückkehrte, dann würde sie damit Zeichen geben können, dass sie Hilfe brauchte.
Immer noch kniend, beugte er sich über sie und küsste sie sanft auf die Lippen.
»Es tut mir leid, Liebes. Aber du hast mir keine andere Wahl gelassen.«
82
Beinahe zwanghaft starrte Stanford MacFarlane immer wieder zu der unauffällig aussehenden Transportkiste auf der gegenüberliegenden Seite des Turmzimmers hinüber.
Schon bevor die Bundeslade für den Transport verpackt worden war, hatte er Stunden damit zugebracht, sie zu fixieren. Von Ehrfurcht ergriffen. Für jemanden, der die strenge Nüchternheit einer Baptistenkirche gewohnt war, besaß die Bundeslade eine nahezu heidnische Schönheit. Von dem grimmigen geflügelten Cherubimpaar auf dem goldenen Deckel bis zu den unverständlichen Symbolen, die an allen vier Seiten eingraviert waren, zeugte die Lade von einem alten und heiligen Erbe. Von einer Zeit, als Moses die Kinder Israels in das Land führte, das Gott ihnen versprochen hatte.
Nervös schob er seinen Klappstuhl zurück, griff nach dem Nachtsichtfernglas auf dem Campingtisch und ging zu der Fensteröffnung auf der anderen Seite des runden Raums. Der Turm war einst von den Rittern des Malteserordens dazu benutzt worden, den Schifffahrtsverkehr zu beobachten. Heute Nacht erfüllte er denselben Zweck, denn Stan hielt Ausschau nach der Luxusjacht, die diese Woche von Israel aus in See gestochen war. Ihr Eigentümer Moshe Reznick war Mitglied der Knesset, des israelischen Parlaments, und Mitbegründer der »Bewegung des Dritten Tempels«, und seine Jacht würde kurz in der Bucht vor Anker gehen, ihre kostbare Fracht aufnehmen und nach Haifa zurückkehren. Von dort würde die Bundeslade nach Jerusalem gebracht werden. Stan und Gunnery Sergeant Boyd Braxton würden die Lade auf ihrer Seereise begleiten. Der Rest seiner Männer flog zum Ben-Gurion-Flughafen, christliche Touristen auf einer Pilgerreise nach Jerusalem.
Die Jacht sollte noch in dieser Stunde ankommen.
Viele würden sich dafür
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