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Sabihas Lied

Sabihas Lied

Titel: Sabihas Lied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Miller
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Aasfressergottheit! Sie tat die Mandeln und Smen in die Küchenmaschine. Ihre Großmutter hätte ihr alles erklärt. Wenn du erst dein Kindlein im Arm hältst, wird dir alles verziehen werden.
    Der Gedanke an ihre Großmutter beruhigte Sabiha.
    Wie könnte man ein kleines Kind jemals als Sünde ansehen? Eine Mutter mit ihrem Kind! Oder als Beweis eines Fehltritts? Nein, ihre Großmutter wäre nicht in Panik geraten, sondern hätte geduldig auf die Antwort gewartet, in der Gewissheit, dass sie nicht ausbleiben würde. Es steht geschrieben, mein liebes Kind. Wenn die Berberfrauen die Schnellstraße nach Tunis überquerten, trieben sie ihre Kamele niemals zur Eile an, sie ignorierten die Schnellstraße, denn sie folgten einem älteren Weg, einem Weg, der nur für diejenigen sichtbar war, die ihre Erinnerungen teilten. Ein heiliger Weg, der ewig bestehen würde, selbst wenn noch so viele neue Straßen gebaut wurden.
    Sie fügte zwei große Handvoll Datteln zu den Mandeln hinzu sowie getrocknete Feigen. Danach goss sie Orangenblütenwasser in die Küchenmaschine, schaltete sie ein und sah zu, wie die Mischung zu einer sämigen Paste wurde.
    *
    Am Abend schauten Sabiha und John fern. Sie saß auf der grünen Couch und er im großen braunen Sessel. Es war draußen so kalt, dass sie den Gaskamin angemacht hatten. Im Fernsehen lief ein Film über den Krieg. Sie verfolgte das Geschehen nur halb. Der Duft von frischem Gebäck hing noch in der Luft. Als sie kurz vor der Mittagszeit zum Lebensmittelladen gegangen war, um Milch zu holen, wurde sie von einer Frau in der Schlange angestarrt. Ihre Blicke trafen sich, die Frau lächelte Sabiha an und neigte den Kopf in Richtung Bauch. Woher hatte die Frau es gewusst? Sabiha war sich vor den Augen der Fremden nackt vorgekommen und hatte beschämt den Kopf gesenkt. Würden auch andere Mütter sie auf den ersten Blick als eine der ihren erkennen? Gab es vielleicht Zeichen, die sie nicht kannte?
    Sie hörte John seufzen und drehte sich um. In der stickigen Luft war er wohl eingedöst; mit geschlossenen Augen versank er im tiefen Sessel, das Kinn war ihm auf die Brust gesackt. Sabiha konnte erkennen, wie er als alter Mann aussehen würde. Vielleicht war er bereits ein alter Mann. Mit unerwarteter Zärtlichkeit sehnte sie sich danach, ihm wieder so nah zu sein wie früher, als sie miteinander eins waren, eine unzertrennliche Einheit bildeten. Sie stand auf, um den Fernseher auszuschalten, und setzte sich dann wieder hin.
    John öffnete die Augen. Er richtete sich schwerfällig im Sessel auf.
    Â»Ich habe geträumt«, sagte er. »Habe ich dabei gesprochen?«
    Â»Du hast nur einen kleinen Seufzer von dir gegeben.«
    Â»Wir waren zusammen im Buschland. Es war ein hügeliges, offenes Gelände.« John blinzelte in Richtung Gaskamin, während er sich seinen Traum wieder in Erinnerung rief. »Die Sonne strahlte, am Himmel zogen weiße Bauschwölkchen vorbei.« Er sah sie an. »Du warst mit mir in Australien. An keinem bestimmten Ort. Einfach nur in meiner Heimat. Es war ein Wettkampf. Wir mussten über diese rot-weiß gestreiften Hürden springen, wie das Pferd auf der Landwirtschaftsmesse, das ich als Kind gesehen habe. Das ging ganz leicht. Wir haben uns immer voller Zuversicht angelächelt, während wir über die Hürden segelten.« Mühsam stemmte er sich hoch. »Gott, dieser Sessel verschlingt einen ja mit Haut und Haaren.«
    Am liebsten hätte sie zu ihm gesagt: Ich bin schwanger, Liebling. Sie wollte sagen: Die Welt hat sich verändert. Ein Feuerball ist in unser Haus eingeschlagen und hat uns vernichtet. Mein geliebter John, mein wunderbarer Mann, mein stiller Australier, über sechzehn Jahre haben wir treu zueinander gestanden, doch heute Abend stehen wir vor den Trümmern unseres Lebens. Sie wollte sagen: Ich habe dich betrogen und auch Ich liebe dich . Die Worte drängten inmitten der Stille aus ihr heraus. Nichts würde sie davon abhalten, sie auszusprechen. Keine Macht der Welt konnte sie davon abhalten …
    John trat auf sie zu, um ihr die Hand zu reichen. Sabiha ergriff sie, und er half ihr auf.
    Sie standen einander gegenüber. Ganz behutsam, als hätte er bisher noch nie gewagt, sie zu berühren, schloss er sie in die Arme und küsste sie auf den Mund. Danach trat er einen Schritt zurück und sah ihr in die Augen. Er sagte

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