Sabine und die drei Millionen - Ein heiterer Roman, fast ein Krimi (German Edition)
wieder aufnehmen konnte, geriet seine Laune vollends in den Keller. Sie gingen den Weg zum Hotel zurück und blieben auf der schlecht beleuchteten Allee immer wieder unter den Bäumen stehen und küssten sich voller Hinge bung.
Peter betrat das Hotel kurz nach ihnen, und während sie mit dem Fahrstuhl hochfuhren, sprintete er die Treppe hinauf und hinter einer Ecke im Flur hervorlugend sah er dann, dass die beiden vor Sabines Zimmertür stehen blieben. Sie schloss auf, und beide gingen hinein. Peter wartete, und wartete - und wartete.
Leo kam nicht wieder hinaus.
Peter überlegte, ob er nicht doch lieber - - -
Nein! Die Vernunft siegte über das Gefühl. Seuf zend gab er sich geschlagen und suchte depri miert sein Zimmer auf.
4
Auf dem Tisch flackerte eine Kerze. Das Radio spielte leise. Leichte Musik nach Mitternacht. Sabine lag auf ihrem Bett, hatte die Arme unter dem Kopf verschränkt und hörte andächtig zu, was er vorlas.
Leo saß im Sessel und hielt ein Büchlein in der Hand, das er heute gekauft hatte. Altgriechische Texte, ins Deutsche übersetzt. Er hielt das Buch so, dass das Licht der Kerze darauf fiel, und las die Hetä renbriefe, die der griechische Sophist Alkiphron im zweiten Jahrhundert nach Chri stus geschrieben hatte.
Glykera schreibt an Bakchis und bittet sie, ihr den Menander , den sie so liebt, unversehrt zurück zuschicken. Bakchis schreibt an Phryne und be glückwünscht sie, dass sie ihren schäbigen Liebha ber los ist und dabei einen sehr charmanten neuen gefunden hat. Leaina schreibt an ihren ehemaligen Liebhaber Philodemos, sie habe ihn mit seiner Braut gesehen, und wie schrecklich es für ihn sein muss, mit dieser Kröte zu schlafen.
„Ich bin maßlos enttäuscht“, unterbrach Sabine die Lesung.
„Über mich?“, fragte er erschrocken.
„Nein!“ Sie setzte sich lächelnd auf. „Ich habe nur festgestellt, dass diese Frauen, von denen du da vorliest, ungefähr das gleiche Niveau haben wie die Heldinnen in gewissen sehr erfolgreichen amerikani schen Fernsehserien. Ist das nicht er schreckend? Dazwischen liegen immerhin zwei tau send Jahre Entwicklung des homo sapiens!“
„Das ist eben das ewig Weibliche“, grinste er. „Seit Anbeginn der Mensch heit dreht sich alles um den Mann, und daran kann Gott sei Dank keine Gleichbe rechti gung etwas ändern.“
„Bah!“, sagte Sabine. „Und was ist das Thema Num mer Eins bei euch Männern?“
„Fußball“, grinste er.
„Du Ekel!“
„Also wirklich!“ Er setzte sich neben sie auf das Bett. „Bei mir bist du die Nummer Eins, und sonst nichts.“
Sie ließ sich von ihm in den Arm nehmen, und er küsste sie zärtlich. Dann entwandte sie sich ihm und stand auf. „Ich bin müde“, sagte sie und gähnte. „Es ist wohl besser, wenn du jetzt in dein Zimmer gehst.“
Enttäuscht sah er sie an. „Ist das dein Ernst?“
„Natürlich“, sagte sie und bekräftigte es mit einem weiteren Gähnen. „Genug Hetärengeschichten für heute abend!“
Er küsste sie noch einmal zum Abschied und ging dann ohne Widerrede. Sabine schloss die Tür hinter ihm zu und begann, sich auszukleiden. Eigent lich war sie enttäuscht. Er hätte ja ruhig ein wenig bet teln können, um dablei ben zu dürfen.
Aber viel leicht, dachte sie, hätte ich seinem Drängen dann doch nach gegeben, und da war es so schon besser.
Ganz plötzlich fiel ihr Peter ein.
Sie hatte ihn den ganzen Abend lang immer wieder entdeckt, wie er hinter ihnen herschlich und sie beobachtete. Einmal hatte sie sein Gesicht sehen kön nen. Ein sehr langes Gesicht. Lang, wie ein Pfer degesicht, dachte sie. Er hatte gerade zusehen müs sen, wie Leo sehr zärtlich zu mir war.
Armer Peter! Lieber, dummer, armer Peter.
Irgendwie kroch ihr ein Heulen die Kehle hoch. Sie hatte jetzt viele Stunden mit Leo herumge flirtet und war dabei immer verrückter geworden. Verrückt nach Leo. Obwohl sie genau wusste, dass mit ihm nichts laufen durfte.
Sie musste sofort mit Peter sprechen.
Sabine zog sich schleunigst wieder an und ging hinunter zur Rezeption. Der nette alte Mann war wieder da, der bei ihrem Einchecken gegen ein großzügiges Trinkgeld darüber hinweggesehen hatte, dass der Name, den sie nannte, anders war als der, der in ihrem Pass stand. Er hatte ihr lustig zugezwinkert, den schon gezückten Kugel schreiber weggelegt und mit einem Bleistift 'Karin Funke' in sein Buch geschrieben. Später, als sie weg war, hatte er vermutlich den falschen Namen ausradiert und
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