SACHMET - KATZENDÄMMERUNG Band 2 - Horror - Thriller
Dollar einverstanden?«, leierte sie gelangweilt herunter. Ihre Glubschaugen betrachteten mich dabei wie ein Goldfisch in einem Kugelglas.
»Was?? 500 Dollar??« Meine höfliche Zurückhaltung war wie weggeblasen. »Sind Sie noch ganz bei Trost? 500 Dollar für einmal Falschparken? Das kann doch nicht Ihr Ernst sein!«
Das Gesicht war wieder aus dem Seitenfenster verschwunden. Ich hörte, wie ein Stück Papier vom Block abgerissen wurde.
»Und ob das mein Ernst ist«, sagte sie. »Mein heiligster Ernst. Und ich bin sicher, dass Sie für ihr Vergehen bezahlen werden. So ist das Gesetz. Jeder muss für seine Schuld bezahlen.«
Ich konnte einfach nicht glauben, was ich da vernahm. »Seien Sie sich da mal nicht so sicher, werte Lady«, entgegnete ich zornig. »Weit und breit sehe ich kein Verbotsschild. Ich werde Einspruch gegen diesen Bescheid einlegen, da können Sie wetten! 500 Dollar! Ich glaub', ich träume!«
Die Polizistin beugte sich erneut zu mir herunter. Ihr Gesicht war plötzlich schmal und sanft gerundet. Ihre Backenknochen zeichneten sich deutlich ab. Seidiges, schwarzes Haar glänzte in der Sonne. Natascha!
»Vielleicht tust du das ja auch, Tom«, sagte sie lächelnd.
Erschrocken sah ich genauer hin und entdeckte nun, dass vier rote, parallele Linien von ihrer Stirn über die Nase und die linke Wange verliefen. Breite, blutige Risse, durch die man rosafarbene Sehnen und Muskelfleisch erkennen konnte. Dickflüssiges Blut rann über ihr Kinn und tropfte auf die mittlerweile schwarzrote Bluse.
Natascha lächelte auch jetzt, wobei ihre finsteren Augen jedoch ernst blieben. Ich konnte mich von dieser grauenvollen Erscheinung nur durch einen heiseren Schrei befreien.
Ich schrie … und schlug entsetzt die Augen auf. Gerade in diesem Moment raste ein dunkelgrüner Pick-Up laut hupend an mir vorbei. Ich blickte nach rechts, aber die Polizistin oder Natascha waren verschwunden. Ein Traum , sickerte es langsam in meinen Verstand. Wieder nur einer von diesen verdammt ultra-realistischen Albträumen. Ich blieb noch einige Minuten danach zitternd im Wagen sitzen. Mitten in der sengenden Mittagsglut fror ich.
Als sich meine Nerven wieder etwas beruhigt hatten, begann ich damit, festzustellen, wo ich mich überhaupt befand. Nach der tranceartigen Kurverei durch die Stadt hatte ich jegliche Orientierung verloren. Verblüfft registrierte ich, wie vertraut mir die Gegend hier war; keine hundert Meter quer über die Straße entfernt lag mein altes Atelier.
Zufall? Ich seufzte; längst hatte ich aufgegeben, an Dinge wie ›Zufall‹ zu glauben.
Ich stieg aus und spürte, wie der Schweiß mein Hemd unangenehm fest gegen den Rücken geklebt hatte. Als ich die Tür zuschlug, zuckte ich zusammen. Meine rechte Hand pochte. Zwischen Daumen und Zeigefinger hatte sich eine weißlich rote Schwellung gebildet. Taschas Biss half mir, wieder zwischen Traum und Wirklichkeit unterscheiden zu können. Wirklichkeit? Vielleicht träumte ich ja auch nur in einem Traum.
Das Schild am Eingang war ähnlich schlicht wie mein altes:
Phillip McGrath
Foto-Grafik
Industrie- und
Werbefotografie
Termine nach Vereinbarung
Phillip hatte sich das alte Studio anfangs mit mir geteilt; später, als ich einige Teile von Nataschas Wohnung für meine Zwecke eingerichtet hatte, war er nur zu gerne bereit gewesen, alles zu übernehmen. Bis auf die Einweihungsfeier hatte ich mich seitdem dort nur zwei oder dreimal blicken lassen. Nach Nataschas ›Tod‹ war vieles bei mir drunter und drüber gegangen; mein Kontakt zu Phil hatte sich fast nur noch auf lange Telefonate beschränkt. Meistens rief er an. Ich mochte seine Art; nie empfand ich sein Interesse an mir, seine Fürsorge, als lästig. Auch wenn er nicht ahnen konnte, welche ›Wiedergeburt‹ Natascha erlebt hatte, so wusste er doch mehr als jeder andere, in welches Loch ich gefallen war. Unseren Gesprächen fehlte dennoch jede Spur von Rührseligkeit und Mitleid. Phil baute mich auf, indem er von verrückt-komischen Vorfällen aus der Szene sprach, seine Woody-Allen-artigen Liebesabenteuer zum Besten gab oder scheu mit seinem wachsenden beruflichen Erfolg prahlte. Während ich wie ein Besessener tausende von Katzenfotos – ohne Auftrag und Ziel – schoss, einfach in den Tag hinein lebte und mich um meine Zukunft nicht scherte, freute ich mich mit Phil über jeden neuen Vertrag, den er an Land gezogen hatte. Die unerwartete Popularität der ›Black Cat‹-Ausstellung
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