SACHMET - KATZENDÄMMERUNG Band 2 - Horror - Thriller
versank förmlich in dieser Farblandschaft. War diese Kunst tatsächlich abstrakt , fragte ich mich. Zeigten diese Bilder nicht eher die Wirklichkeit, das wahre Leben? War nicht auch mein Leben ein scheinbar sinnloses und unentwirrbares Chaos, und lag dahinter nicht vielleicht doch eine verborgene Ordnung? Ich war mir nicht sicher.
»Du bist so still, Tom. Meditierst du, oder hast du gerade eine Wurzelbehandlung hinter dir?« Phil drückte mir ein vor Kälte beschlagenes Glas in die Hand und setzte sich in den Sessel neben mir. Ich blickte auf; das eisige Sodawasser ließ meine Finger langsam gefühllos werden.
»Wie geht's dir so, du ›Möchtegern-Stern‹?«, konterte ich mit einer Gegenfrage. Bert Stern hatte mit seinen Fotografien in den 60igern die Mode- und Werbebranche aufgemischt, vor allem seine Bilder von Marilyn Monroe erlangten Weltruhm. Wann immer Phil über Fotografie philosophierte, fiel der Name ›Stern‹.
Phil stellte seinen goldgelben Scotch neben sich auf den Boden und starrte mich groß an. »Mir?«, prustete er. »Wie's mir geht? Du liest im ›Examiner‹ wohl nur die Baseball-Ergebnisse, oder was? Ein paar Spione vom Guggenheim durchwühlen täglich meinen Müll, um aus dem Bilderausschuss eine unautorisierte Ausstellung zu fabrizieren.« Er grinste mich breit über das dunkel gebräunte Gesicht an. Mit seinen feinen, hellblonden Haaren wirkte er stets wie ein hawaiianischer Surflehrer. »Nein, im Ernst«, fuhr er fort, »ich kann nicht klagen. Die Geschäfte laufen gut. Aber wie sieht's bei dir aus? Hat es der ›Maestro‹ überhaupt noch nötig, Aufträgen hinterher zu jagen, gewährt er nicht viel eher Bittstellern eine gnädige Audienz?«
»Alter Spaßvogel«, lachte ich mit verdrehten Augen. »›Black Cat‹ war eine große Sache, zugegeben, ist es jetzt noch, die Verkäufe reichen aber längst nicht aus, um mich aufs Altenteil zu setzen. Ich konnte mir allerdings Zeit kaufen; Zeit, die ich dringend zum Nachdenken und Planen brauchte.«
Phil nickte stumm mit dem Kopf. Immer darauf bedacht, Taschas Existenz unerwähnt zu lassen, berichtete ich ihm von meiner ›Kneipenphase‹, von meinen einsamen Fahrten in die Wüste und dem neuen Auftrag bei ›Blue Sky‹.
»Nun ja, sieht doch ganz viel versprechend aus, oder? Die Leute reißen sich um dich; du bist bekannt wie ein bunter Hund, nein, eher wie eine schwarze Katze.« In seinem Ton nahm ich allerdings eine gewisse Skepsis wahr. Er schien zu spüren, dass ich ihm etwas verheimlichte. Nervös rutschte ich auf dem glatten Leder hin und her.
»Ich weiß«, begann ich zögernd, »eigentlich ist alles okay. Besser als erwartet sogar. Und doch …« Gierig nahm ich einen großen Schluck Soda. Obwohl ich schnell trank, standen die Nerven meiner Schneidezähne in hellen Flammen. Das Pochen raste augenblicklich hinauf bis in meine Schläfe.
Phil ließ mich nicht aus den Augen. »Und doch?«
Während ich versuchte, meinen Kopf von einem drohenden Schwindel zu befreien, entwarf mein Verstand Erklärungsversuche, die meinem Freund plausibel erscheinen mussten. Ich durfte nicht zu sehr zögern; je länger ich schwieg, umso argwöhnischer wurde er.
Beide Hände gegen die Schläfen gepresst, wandte ich mich Phil zu. »Es ist die Wohnung. Sie ist sehr groß, wie du weißt. Zuweilen komme ich mir regelrecht verloren darin vor. Einsam … Ich weiß nicht. Und überall stoße ich auf Erinnerungen; überall glaube ich … sie zu sehen.« Mir wollte ihr Name einfach nicht über die Lippen kommen, so als sei er ein geheimes Codewort. Oder ein Fluch.
»Es ist seltsam«, grübelte ich laut vor mich hin, »manchmal inspiriert mich diese vertraute Atmosphäre. Jedes Möbelstück, jede Pflanze, jeder Lichtstrahl verbreitet dann Ruhe. Das Gefühl, zu Hause zu sein, verstehst du? Ein Platz, an dem man geborgen ist. Und dann wieder, vor allem in der Dämmerung und in der Nacht, lassen die tiefen Schatten plötzlich alles fremd erscheinen. Fremd und bedrohlich. Kannst du dir das vorstellen? Selbst wenn das Licht brennt, bleiben viele Ecken und Nischen finster. Oft spielen mir meine Augen einen Streich, indem sie mir bizarre Formen und Bewegungen vorgaukeln. Zuweilen bin ich sogar sicher, die heimlichen Bewegungen auch zu hören. Obwohl ich weiß, dass alles nur Einbildung ist, empfinde ich nicht selten panische Angst. Angst in meinen eigenen vier Wänden!«
Ich musste mich nicht anstrengen, glaubhaft zu wirken. Geschickt balancierte ich zwischen
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