SACHMET - KATZENDÄMMERUNG Band 2 - Horror - Thriller
war, als befände ich mich auf verbotenem Terrain. Seltsamerweise beruhigte es mich nicht, weit und breit keinen Zeugen zu wissen. Es war eine unheimliche Ruhe, die über dem ganzen lag; eine leblose, totenähnliche Stille.
Als ich den oberen Rand der Senke erreicht hatte, sah ich die Rückfront des Hauses hinter einigen gezackten Backsteinwänden auftauchen. Aus diesem ungewohnten Blickwinkel heraus hatte ich kurzfristig den Eindruck, als handelte es sich dabei lediglich um die Fortsetzung dieses Häuserfriedhofs. Für einen Moment sah ich mein Zuhause als eine morbide Hülle, die Leere und Tod umschloss.
Dann machte ich allerdings einen kleinen Bogen und augenblicklich schoben sich die verrotteten Mauern wie Bühnenrequisiten zur Seite. Die düstere Vision war mit ihnen verschwunden.
Oben in der Wohnung empfing mich angenehme Kühle. Auf direktem Weg hastete ich ins Bad, zerrte mir die Kleider vom Leib und seifte mich anschließend viermal gründlich vom Kopf bis zu den Zehen ab. Erst dann wechselte ich den Wasserstrahl mehrmals zwischen ›eiskalt‹ und ›heiß‹.
Beim Abtrocknen bemerkte ich einige neue Schnitte oder Kratzer an Armen und Schultern. Hatte sich Tascha am Ende doch auf ihre typische Art verabschiedet? Möglicherweise. Vielleicht hatte ich mich aber auch in einigen der am Boden verstreut liegenden Glasscherben gewälzt. Die Ursache der Blessuren würde wohl ungeklärt bleiben, zumal ich Tascha nicht mehr fragen konnte.
Tascha. Tief in meinem Innersten konnte und wollte ich mir noch immer nicht vorstellen, dass ich sie nie mehr wiedersehen würde. Erst recht nicht nach der letzten Wahnsinns-Nacht.
3. Kapitel
»Mia«
Yucca Springs, 1990
Nachdem ich ein frisches T-Shirt und Shorts übergestreift hatte, holte ich mir eine Flasche Mineralwasser aus der Küche und verschwand damit im Arbeitszimmer. Eigentlich stand mir mehr der Sinn nach einem Thunfischsalat oder überbackenen Auberginen, aber mein Hunger musste warten. Ich hatte einen Pakt geschlossen, und ich würde meinen Teil der Abmachung so gewissenhaft wie möglich erfüllen.
Es galt einen Köder zu legen. Alles andere war jetzt zweitrangig.
Ich suchte nach einem Block und Stift. Den Lockvogel würde eine Anzeige spielen. Ich hätte natürlich – wie sonst auch – Molly bitten können, mir ›geeignete‹ Mädchen vorbeizuschicken, aber der Gedanke behagte mir nicht. Auch wenn Bastet dem geplanten ›Wechsel‹ fast unbekümmert gegenüberstand, wollte ich doch, dass die ganze Angelegenheit möglichst geheim ablief. Jeder Zeuge war eine potentielle Gefahr. Nach einigen kleinen Veränderungen ergab sich folgender Text:
Renommierter Fotograf sucht weibl. Models (18 - 30) im Raum L.A. für Modeaufnahmen. Gerne auch Anfängerinnen.
Bewerbungsunterlagen und Sed-Cards bitte an [Chiffre-Code]
Durch den Zusatz ›auch Anfängerinnen‹ erhoffte ich mir die Möglichkeit, ein noch völlig unbekanntes Gesicht entdecken zu können. Ich bezweifelte zwar, dass Linda Evangelista oder Cindy Crawford ihre Sed-Cards einschicken würden, aber auch ein Mädchen, das bislang nur für Windeln oder Hundefutter in die Kamera gelächelt hatte, besaß eine gewisse öffentliche Präsenz, ein nicht zu unterschätzender Risiko-Faktor. Die Devise für die ›Operation Bastet‹ musste lauten: Je unerfahrener, desto besser!
Das vermeintliche Arbeitsangebot erschien schon zwei Tage später in drei großen Zeitungen, einem Modemagazin, sowie einem kleinen, aber speziellen Szene-Blatt namens ›LOOKER‹. Die Netze waren ausgeworfen; nun blieb mir nur noch abzuwarten, bis sie sich füllen würden.
In der folgenden Woche gewährte mir Bastet allerdings nur wenig Zeit zur Muße. In Gestalt ihrer Botin Ach ließ sie mich kaum zur Ruhe kommen. Ich hatte gerade das letzte Telefonat mit den Zeitungen geführt, als die schlanke, finstere Gestalt plötzlich in meinem Zimmer auftauchte. Erst durch das Geräusch ihrer seltsamen Rassel wurde ich auf sie aufmerksam. Wie es ihre Art war, hatte sie auf die Verwendung einer Tür verzichtet.
»Steh' auf und folge mir, Sterblicher«, forderte sie mich ohne Umschweife auf. »Der Zeitpunkt des Sarx-Werdens ist nicht mehr fern, und bis dahin gibt es für dich viel zu tun.«
Ich verstand nichts. Jetzt, da ich die Anzeigen aufgegeben hatte, sah ich meinen Teil der Arbeit damit vorläufig als erledigt an. Wie so oft in letzter Zeit hatte ich mich auch diesbezüglich geirrt. Noch ahnte ich jedoch nicht, wie
Weitere Kostenlose Bücher