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Sacramentum

Sacramentum

Titel: Sacramentum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Toyne
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endlich freien Lauf lassen, und ein so heftiges Schluchzen entkam seinen Lippen, dass es ihn im Hals schmerzte. Der Bruder Gärtner kniff die Augen zu, faltete die Hände und versuchte, all seine Gefühle in das Bittgebet zu legen, doch das Schluchzen ließ seinen Körper weiterbeben. Schließlich schlang er die Arme um den Körper, um ihn so wieder unter Kontrolle zu bekommen. Aber noch immer roch er den Rauch und spürte die Hitze. Er wiegte sich auf dem harten Boden vor und zurück und vergrub seinen Mund an der Schulter, um das Schluchzen zu ersticken, damit ihn in den Nachbarkapellen niemand hörte.
    Der Schweiß unter seiner Soutane begann zu jucken, und der Bruder Gärtner kratzte sich. Die Tränen liefen ihm aus den Augen, doch egal, wie viel er auch weinte, seine Verzweiflung wollte nicht verschwinden. Stattdessen wurde sie sogar noch größer, bis er das Gefühl hatte, von innen zu zerbersten. Als der Schmerz wuchs und das Jucken unerträglich wurde, entkam ein Geräusch seinen Lippen, ein Heulen. Ihm war sofort klar, dass es andere herbeirufen würde, so furchtbar war es.
    In Erwartung dessen drehte sich der Bruder Gärtner zur Türe um, wischte sich die Tränen von den Wangen und rang um Fassung. Doch das Heulen wollte nicht aufhören; tatsächlich wurde es sogar noch lauter und verzweifelter, je mehr er dagegen ankämpfte. Dann bemerkte er, dass die Nässe auf seiner Hand von dunkler Farbe war. Gleiches galt für die Stellen auf seiner Soutane, wo er sich gekratzt hatte. Vor lauter Panik riss er sich die Kleider vom Körper und sah, dass die Feuchtigkeit unter seinem Gewand nicht von Schweiß stammte, sondern von Beulen, die überall auf seiner Haut erschienen waren. Wo auch immer er sich gekratzt hatte, da waren sie geplatzt und sonderten eine dunkelbraune Flüssigkeit ab. Das Verlangen, sich weiter zu kratzen, war geradezu überwältigend. Es war, als würde jede Zelle in seinem Leib jucken.
    Der Bruder Gärtner kratzte sich die Haut vom Leib, und immer mehr Beulen platzten. Die Erleichterung kam sofort und wog den Schmerz bei weitem auf. Es war ein Segen. Es war eine Qual.
    Dann hörte er, wie die Tür sich öffnete. Er hob den Blick und sah das entsetzte Gesicht eines Mitbruders, der offensichtlich angewidert auf das Ding starrte, das da vor ihm kniete und sich das faulige Fleisch von den Knochen riss. Und der Bruder Gärtner heulte weiter, und aus seinen verzweifelten Augen strömten keine Tränen mehr, sondern eine braune Flüssigkeit.

71
    Arkadian spürte, wie das Handy vibrierte, und schaute durch die untere Brillenhälfte auf das Display. Die Nummer war unterdrückt. Arkadian stand vom Schreibtisch auf und ging rasch durch den überfüllten Raum.
    »Hallo?«, meldete er sich, ging durch eine Tür und machte sich auf den Weg die Treppe hinunter zum Ausgang.
    »Ich bin’s. Gabriel.«
    »Hey, ich wollte Sie eben anrufen«, unterbrach Arkadian ihn. »Ich verlasse gerade das Büro, und mein Handy hat kaum noch Saft. Ich werde Ihnen jetzt eine andere Nummer geben, die Sie anrufen können. Ich bin in fünf Minuten da.« Er las die Festnetznummer ab, die er sich auf die Hand geschrieben hatte, und legte auf, bevor Gabriel etwas darauf erwidern konnte.
*
    Gabriel hörte nur noch ein Freizeichen. Das kurze Gespräch hatte ihn überrascht. Arkadian wollte eindeutig nicht mit ihm reden, zumindest nicht am Handy.
    Fünf Minuten .
    Gabriel schaute zu den Bücherregalen in Dr. Anatas Arbeitszimmer. Vielleicht brauchte Arkadian die fünf Minuten ja, um irgendeine Art Superfangschaltung einzurichten. Gabriel hatte von Supercomputern gelesen, entwickelt von der CIA als Waffe im Krieg gegen den Terror, die selbst die am besten verschlüsselten Verbindungen binnen Sekunden zurückverfolgen konnten. Das Letzte, was er jetzt gebrauchen konnte, war, wieder geschnappt zu werden. Dr. Anata sollte die Botschaft inzwischen abgegeben haben, und das hieß, dass er später am Tag – vermutlich eher in der Nacht – eine Verabredung in der Zitadelle haben würde, und die durfte er auf keinen Fall versäumen.
    Gabriel öffnete den Handybrowser und tippte die Nummer, die Arkadian ihm gegeben hatte, in das Suchfeld ein. Das ergab eine Reihe von Suchergebnissen, und Gabriel öffnete zwei davon. In beiden wurde die Nummer einem öffentlichen Telefon in der Basilica Ferrumvia zugeordnet, dem Hauptbahnhof der Stadt. Gabriel runzelte die Stirn. Das war irgendwie merkwürdig. Die Leute nutzten öffentliche Telefone, wenn sie anonym

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