Sacramentum
erst in die Ränge der Braunkutten befördert worden war, die die administrative Arbeit im Berg erledigten. Stumm durchquerte er den Raum, den Mund verkniffen, und legte einen Packen Dokumente auf den Tisch, die mit einer dunkelgrünen Schleife zusammengebunden waren. Athanasius sah sofort den Brief obendrauf. Er war per Hand an ›Bruder Peacock‹ adressiert. Instinktiv griff er danach. Er wollte sofort lesen, was drinstand, doch dann erinnerte er sich daran, dass Bruder Osgood noch hier war, und er hielt sich zurück.
»Ist etwas?«, fragte Athanasius.
»Der Bruder Gärtner ist krank geworden«, antwortete Osgood und kratzte sich den Handrücken. »Es heißt, es sei eine Art Pest, die die Haut befällt. Er ist ins Hospital gebracht worden.«
»Danke. Ich werde ihn besuchen, sobald ich hier fertig bin.«
Osgood nickte, machte jedoch keinerlei Anstalten zu gehen. Er räusperte sich und starrte auf seine Hände. »Glaubt ihr, dass das möglich ist? Die Plage, meine ich. Erst die Seuche im Garten und das, was mit den Sancti passiert ist … Allmählich machen die Brüder sich Gedanken.«
»Und worüber machen sie sich Gedanken?«
»Sie fragen sich, ob wir irgendwie Gottes Zorn erregt haben und nun dafür bestraft werden.«
Athanasius dachte an all das, was er auf dem Gipfel des Berges gesehen hatte. »Ja, vielleicht haben wir das.« Er hob den Blick und sah die Angst in Osgoods Augen. »Aber mach dir keine Sorgen«, fuhr er fort. »Der Bruder Gärtner ist nur erschöpft und zutiefst besorgt, was den Garten betrifft. Ich bin sicher, seine Krankheit hat mehr damit zu tun und weniger mit Gottes Zorn. Und ich bin ebenfalls sicher, dass es nicht ansteckend ist.« Er nickte zu Osgoods Fingern, die der Mann sich noch immer nervös kratzte. »Wenn jemand von Flöhen spricht, ist es nur natürlich, dass man sich kratzt. Erfülle einfach deine Pflicht, und verlass dich weniger auf Gerüchte, sondern vielmehr auf deinen Verstand. Hier …« Er nickte in Richtung des Korbs voller Papier. »Bring das in die Küche runter, und gib das dem Bruder Herdmeister. Vergiss nie, dass die Nachrichten von heute morgen als Zunder dienen.«
Osgood lächelte, schnappte sich den Korb und verließ den Raum. Kaum war die Tür geschlossen, da griff Athanasius nach dem Umschlag, riss ihn auf und las. Schließlich zerknüllte er den Brief, warf ihn auf den kalten Rost, entzündete ein Feuer und schaute zu, wie die Flammen die gefährlichen Worte in Asche verwandelten.
Heute Nacht , hatte in dem Brief gestanden.
Athanasius verließ rasch den Raum und dachte über den Rest der Botschaft nach, während er sich die Asche von den Händen klopfte und zur Krankenstation ging.
73
Athanasius hörte den Bruder Gärtner, lange bevor er ihn sah.
Sein Heulen hallte durch den Tunnel, der in die Höhlen des Hospitals führte. Athanasius hätte sich am liebsten die Ohren zugehalten und wäre geflohen, so sehr erinnerte ihn das Geräusch an das Wehklagen der Verdammten im Höllenfeuer. Es war ein Geräusch der Qual und des Wahnsinns, und es bohrte sich förmlich in jenen Teil des Gehirns, wo die tiefsten Ängste des Menschen schlummerten.
Athanasius erreichte den Gang, an dem die Krankenstationen lagen. Um die richtige zu finden, musste er nur dem Geräusch folgen. Dann atmete er tief durch, schluckte und schob die schwere Holztür auf.
Das Erste, was er sah, war die geisterhafte Gestalt des Apothecarius, der hier Wache schob. Hinter ihm wand sich der nackte Bruder Gärtner auf einem Bett. Er war bis auf das Lendentuch entkleidet und mit dicken Tuchriemen ans Bett gebunden worden, die von einer dunklen Flüssigkeit nur so trieften. Die Haut des Bruder Gärtners war von furchtbaren Beulen übersät, und dort, wo er versucht hatte, sie sich aus dem Fleisch zu reißen, klafften tiefe Löcher, sodass es aussah, als wäre er von einem wilden Tier angegriffen worden. Er hatte Schaum vor dem Mund, und immer wieder ballte er die Fäuste, als wolle er sich weiter die schrecklich juckende Haut kratzen.
Der Apothecarius drehte sich um, als Athanasius den Raum betreten wollte, und hob eine behandschuhte Hand, um ihn vom Weitergehen abzuhalten. Als Athanasius wieder in den Gang zurückwich, folgte der Apothecarius ihm und schloss die Tür hinter sich. Erst jetzt nahm der Apothecarius die Maske ab. Es war Bruder Simenon, einer der erfahrensten Ärzte im Berg. Wortlos drängte er sich an Athanasius vorbei und ging den Flur hinunter.
»Was hat er?«, fragte
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