Sacramentum
geschehen war. Aus der Akte des Mädchens wusste er, dass sie als Reporterin für Kriminalfälle arbeitete; also musste ihre Mitfahrgelegenheit ein Bekannter von ihr sein. Wirklicher Polizeischutz war das aber nicht. Oder vielleicht war es ja sogar ihr Freund; in dem Fall hatte er Pech gehabt. Dick hatte sich an einen Zeitplan zu halten, und wenn ihm dabei jemand in den Weg kam, war mit Kollateralschäden zu rechnen. Aber wer auch immer der Mann sein mochte, Dick hoffte, er brachte das Mädchen an einen ruhigen Ort, vielleicht zu einem Haus mit Keller … Ja, das wäre das Beste.
Dick beendete die E-Mail und las sie sich noch einmal durch, um sicherzugehen, dass er nichts vergessen hatte. Dann fügte er noch das Foto hinzu, das er von dem Buch gemacht hatte, in dem das Mädchen gelesen hatte. Vielleicht war es ja unwichtig, doch das hatte er nicht zu entscheiden. Schließlich drückte er zufrieden auf die ›Senden‹-Schaltfläche und schaute zu, bis die Mail geschickt war.
Vor ihnen fuhr der Streifenwagen vom Expressway runter und auf den McCarter Highway. Um diese Zeit herrschte nur wenig Verkehr, und so waren sie leicht im Auge zu behalten. Dick wies den Taxifahrer an, sich ein wenig zurückfallen zu lassen. Nach gut einer Meile bog der Streifenwagen wieder ab. Der Taxifahrer gab Gas, doch Dick bat ihn, das zu lassen. Der Streifenwagen war in Richtung Ironbound abgebogen, und Dick erinnerte sich an etwas, das er in der Akte des Mädchens gelesen hatte. Er wusste genau, wo sie hinwollten.
»Willkommen daheim«, flüsterte er vor sich hin. »Willkommen daheim.«
51
Badiyat al-Sham
Die echte Morgendämmerung kam im selben Augenblick, da der Geist nahe genug an den Lichtern war, um zu erkennen, worum es sich dabei handelte. Geschickt hatte er die Landschaft und den Rest der Nacht ausgenutzt, um sich dem Gebilde unauffällig zu nähern, und nun lag er in einer flachen Mulde und beobachtete die Siedlung durch sein Fernglas.
Auf den ersten Blick sah er nichts, das ihm irgendwie bemerkenswert erschienen wäre. Offensichtlich handelte es sich um eine Ölbohrstation, die sich seit Kriegsende wie die Pest im Land verbreitet hatten. In der Mitte war ein schmaler Bohrturm zu sehen, daneben eine Ansammlung silbern verkleideter Barracken für die Arbeiter und eine große Halle für Fahrzeuge und Vorräte. Auf der anderen Seite markierte eine flache Betonfläche mit einem großen ›H‹ in der Mitte einen Hubschrauberlandeplatz, obwohl im Moment keiner dort stand.
Alles wirkte vollkommen normal … Und doch stimmte irgendetwas mit der Anlage nicht.
Zum einen stand sie nicht auf einem bekannten Erdölfeld. In mindestens hundert Kilometer Umkreis gab es keine weiteren Bohranlagen mehr; außerdem war hier alles einfach viel zu sauber. Anlagen, wie man sie für Probebohrungen benutzte, wurden ständig verlegt, und das hinterließ für gewöhnlich deutlich erkennbare Spuren an den Geräten, sei es von getrockneten Ölresten oder von Wetterextremen. Die Gerätschaften hier funkelten jedoch, als wären sie niegelnagelneu. Alles schien direkt aus der Fabrik zu kommen und mitten in der Wüste zu einem Themenpark zusammengebaut worden zu sein. Die Anlage war anscheinend in Betrieb, da sich der Bohrer drehte, aber die Ölbecken waren leer.
Der Geist erinnerte sich daran, dass ein Regierungsteam vor sieben, acht Jahren hier gebohrt hatte; doch sie hatten rasch aufgegeben, als sie keinen Tropfen Öl gefunden hatten. All das musste doch irgendwo vermerkt sein, und es war mehr als unwahrscheinlich, dass eine Gesellschaft Erfolg hatte, wo eine andere gescheitert war, besonders angesichts des hochentwickelten Equipments, das man heute zur Verfügung hatte. Bis in eine bestimmte Tiefe konnte man an der Seismik erkennen, was sich dort verbarg, und alles, was tiefer lag, konnte man ohnehin nicht kosteneffizient fördern.
Doch was wirklich das Misstrauen des Geistes erregte, war der Sicherheitsaufwand. Natürlich war der Irak noch immer gefährlich, und westliche Unternehmen mussten einen hohen Aufwand betreiben, um ihre Angestellten vor Aufständischen und Banditen zu beschützen; aber das hier war dann doch ein wenig übertrieben. Zwei Reihen Stacheldraht umgaben die gesamte Anlage, und zwei aufeinanderfolgende Stahltore versperrten die einzige Straße hinein. Dazu gab es Wachtürme an den vier Ecken, jeder mit einer Schussplattform, in deren Schlitzen die Waffen deutlich zu erkennen waren. Dabei handelte es sich um M60 und Mk43,
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