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Saeculum

Titel: Saeculum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poznanski Ursula
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Paul ging ein Ruck. Für ganz kurze Zeit hatte er unsicher gewirkt, hatte offenbar auf ein Zeichen des Erkennens im Gesicht seines Vaters gewartet. Doch nichts dergleichen war passiert.
    »Das glaube ich nicht«, sagte er betont freundlich. »Wenn du erst einmal weißt, mit wem du es zu tun hast, wirst du anders darüber denken.«
    »Ich würde Sie bitten, mich nicht zu duzen.«
    Die Andeutung eines Lächelns huschte über Pauls Gesichtszüge. »Tut mir leid, aber alles andere wäre unpassend.«
    Nun hielt Bastians Vater für einen Moment inne. Musterte seinen Gegenspieler mit zusammengekniffenen Augen, drehte seinen Kopf dann betont langsam in Richtung der vergitterten Grube. »Bastian? Erklärst du mir bitte, was da gespielt wird.«
    »Die Erklärungen übernehme ich«, sagte Paul. »Das wird ein bisschen dauern, entschuldige also bitte, dass ich dir keinen Platz anbieten kann, aber die Einrichtung hier ist etwas - spartanisch.«
    Kein Muskel zuckte im Gesicht von Bastians Vater. »Das Wichtigste kann ich mir zusammenreimen. Sie haben meinen Sohn entführt und wollen nun vermutlich Lösegeld.«
    »Sieh mal, es wäre viel besser, wenn du mich aussprechen lassen würdest, dann könnten wir uns all diese Missverständnisse ersparen.« Paul verschränkte die Arme in einer ähnlich lässigen Art wie sein Gegenüber.
    »Wir haben Bastian nicht entführt. Er ist völlig freiwillig hier. Mit dem Zug angereist, das Ticket hat er selbst bezahlt, keine Spur von Sack-über-den-Kopf und Rein-in-den-Kofferraum. In diese Grube ist er nicht ganz ohne Widerstand gestiegen, zugegeben. Aber ich war es nicht, der ihn hineingesteckt hat. Ganz im Gegenteil. Richtig, Bastian?«
    Oh, du Mistkerl. Du verdammter, berechnender Sack. »Du bist das Letzte«, flüsterte er.
    »Zum Teufel, was soll dann der ganze Schwachsinn?« Die Stimme seines Vaters hallte durch den Kerker. Simon kam einen Schritt aus seiner Ecke heraus, doch Paul bedeutete ihm, sich zurückzuhalten.
    »Wenn Sie Bastian nicht eingesperrt haben, was hindert Sie dann daran, ihn wieder hochzuholen?« Mit jedem Satz legte Bastians Vater nun an Lautstärke zu. »Wozu haben Sie mich in diese Wildnis kommen lassen? Der Rothaarige sagte, mein Sohn befände sich in der Gewalt von Entführern. Also?«
    Immer noch freundlich lächelnd strich Paul sich das Haar aus der Stirn. »Nun, das ist sicher eine Sache der Interpretation. Richtig ist, dass es für Bastian schwierig wird, hier wieder wegzukommen, wenn du … unkooperativ sein solltest.«
    »Also doch Drohungen, ja?« Bastians Vater rümpfte die Nase, ob aufgrund der Situation oder des Gestanks der Zigarette, die Simon sich eben angezündet hatte, war unklar.
    »Nein. Ein Geschäft. Oder, noch treffender: das Begleichen alter Schulden.«
    »Zu viele Mafiafilme gesehen, Junge.«
    Das Wort Junge brachte Pauls coole Fassade einen Moment lang ins Wanken, doch binnen eines Wimpernschlags hatte er sich wieder im Griff.
    »Es ist ganz einfach. Ich bekomme von dir 155.143 Euro und schon ist Bastian aus der Grube draußen. Es kommen dann noch Nebenkosten dazu, doch die können wir auch später besprechen.«
    Um die Mundwinkel seines Gegenübers zuckte es. »Was für eine interessante Summe. Sie werden sicher verstehen, dass ich gern wüsste, wie sie zustande kommt.«
    »Selbstverständlich.« Paul nickte. »Für die Jahre null bis fünf 508 Euro pro Monat. Von sechs bis elf 583 Euro, von zwölf bis siebzehn 682 Euro. Danach für jeden Monat 781 Euro. Es stimmt genau, du kannst es gern nachrechnen.«
    Bastians Vater verengte die Augen zu Schlitzen. »Und was soll das sein?«
    »Kindesunterhalt.«
    Dem Wort folgte Totenstille. Paul und sein Vater starrten einander an, keiner von beiden wandte den Blick ab. Dann sprach Paul weiter, leise, aber bestimmt.
    »Ich denke, du wirst jetzt versuchen wollen, es abzustreiten. Doch damit verschwenden wir nur Zeit. Ich bin der Sohn von Milena Doring, und auch wenn du mich noch nie gesehen hast, du weißt, dass es mich gibt.«
    Bastians Vater brauchte sichtlich einige Sekunden, bis er seine Stimme wiederfand. »Da liegen Sie leider falsch. Ich weiß, dass Ihre Mutter glaubt, ich wäre Ihr Vater, doch es gab einen Test, wissen Sie? Der war negativ.«
    »Glaubte. Sie ist tot und auch das weißt du. Wir haben telefoniert, erinnerst du dich? Nur kurz, aber immerhin konnte ich dich informieren, bevor du mir mit einer Unterlassungsklage gedroht hast.« Etwas in Pauls Gesicht entgleiste für einen Moment, dann

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