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Saeculum

Titel: Saeculum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poznanski Ursula
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Beschützerinstinkte auf Iris auszudehnen, war gescheitert.
    »Achte einfach auf sie, ja? Bleib in Sichtweite.« Doch Georg hatte weder Ja noch Nein gesagt, sondern sich wortlos umgedreht und eine Decke um Lisbeths Schultern gelegt.
    »Es ist gut.« Iris streichelte Bastians Gesicht, fuhr mit den Fingern über seine zornigen Stirnfalten. »Ich kann auf mich aufpassen. Seht zu, dass ihr Arno helft.«
    »Georg ist ein Mistkerl, ich könnte ihn -«
    »Schhhh. Es wird nichts passieren.« Sie bemühte sich um ein überzeugendes Lächeln und er entspannte sich ein wenig.
    »Geh nicht in deine Höhle. Bleib bei den anderen, und wenn Simon auftaucht, dann schrei, so laut du kannst, ja?«
    »Mache ich. Das hören sie bis Kanada.«
    Na endlich, jetzt lächelte er auch. Wenig später verschwand Bastian als Letzter im Wald, bepackt mit einem Seil und seiner Medicus-Ausrüstung. Er drehte sich noch einmal um und winkte ihr zu. In diesem Moment wäre sie ihm am liebsten nachgestürmt, nur um ihn nicht aus den Augen zu verlieren. Aber sie hatte ihren eigenen Job. Steinchen.
    Dann war der Rettungstrupp fort. Sie lauschte ihren Schritten, bis sie nichts mehr hörte als Vogelstimmen.
    Steinchen dämmerte immer noch vor sich hin. Iris flößte ihm ein paar Tropfen Wasser ein und wünschte sich, sie hätte eine Salbe oder Creme, um sie auf seine Arme zu streichen.
    Danach war alles getan. Sie stand auf, ging zum Waldrand und starrte auf die Stelle, an der Bastian zwischen den Bäumen verschwunden war. Alles war ruhig, trotzdem fühlte Iris etwas Lauerndes um sich. »Simon?«, sagte sie leise. Wenn er da war, warum zeigte er sich ihr nicht? Warum hatte er sie nicht schon längst an den Haaren mit sich geschleift, wie früher?
    Sie beugte ihre Finger und streckte sie wieder, alles in ihr vibrierte. Den Zustand kannte sie gut, sie würde mit jeder Minute unruhiger werden, wenn sie jetzt nicht die Harfe auspackte und spielte. Was Simon vermutlich hören würde.
    Wenn er da ist, dann findet er dich so oder so. Egal ob du laut oder leise bist.
    Sie holte ihre Harfe aus der Tasche, stimmte sie und legte die Finger auf die Saiten. Tourdion, das war ein Stück voller Lebensfreude, in dem kein Platz für Angst blieb. Ein guter Anfang. Sie setzte mit Brian Boru's March fort, merkte aber sofort, dass die Melodie sie melancholisch machte, und begann zu variieren. Fand eine neue Linie, spielte an ihr entlang, dachte an Bastian. Wechselte von Dur zu Moll und wieder zu Dur, verlor sich in Tönen und Gedanken.
    Sie spielte für sich selbst und für Bastian, der hoffentlich bald wieder da sein würde, blinzelte in die sinkende Sonne und wusste mit einem Mal, dass es mit dem Fortlaufen vorbei war. Was immer passieren sollte, würde hier passieren.
    Aber Simon kam nicht. Er kam nicht.
    Leichter Wind setzte ein. Er fuhr ihr durchs Haar, kühlte ihre Stirn und sang die zweite Stimme zu ihrer Melodie. Erst als er ihren Rocksaum packte und ihn gegen ihre Knöchel drückte, warf Iris einen Blick zum Himmel.
    Ein dunkler Wolkenberg baute sich von Westen her auf. Noch schien die Sonne, doch in Kürze würde sie verdeckt sein und dann konnte es nicht mehr lange dauern, bis das Gewitter über ihnen war.
    Hastig packte sie die Harfe in ihre Tasche. Wieso hatten die anderen nichts gesagt? Aha, Mona schlief, Steinchen ebenfalls. Lisbeth und Georg hatten sich in eine entfernte Ecke des Lagers zurückgezogen. Von Doro war nichts zu sehen, aber zu hören: Schnitzgeräusche. Nur dass gegen das nahende Unwetter Schutzrunen überhaupt nichts nützen würden.
    Aus weiter Entfernung grollte es leise.
    Wie lange hatte sie gespielt? Eine Stunde? Mehr? Wenn die Musik sie packte, ging jedes Zeitgefühl verloren. Iris lief zu Doro hinüber, die sie kaum eines Blickes würdigte, ihr Messer nur einen Atemzug lang sinken ließ und dann sofort weiterschnitzte.
    »Wie lange sind Paul und die anderen schon fort? Was denkst du?«
    Doro prüfte mit einem Finger die Tiefe der eben fertiggestellten Rune, die wie eine Gabel aussah und mit drei weiteren Gabeln ein Kreuz bildete. »Sie laufen gegen das Schicksal an«, sagte sie leise.
    »Ja, ja, ist gut. Aber seit wann tun sie das? Ich habe völlig die Zeit vergessen, sorry. Nur … wir bekommen schlechtes Wetter und mir wäre wohler, wenn sie alle zurück wären.«
    »Auf jeden Fall mehr als eine Stunde.« Für Doros Verhältnisse war das eine verblüffend klare Antwort. »Ich hoffe, sie kommen wirklich wieder her und versuchen nicht, den Weg

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