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Saemtliche Dramen

Saemtliche Dramen

Titel: Saemtliche Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Camus
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uns wieder, ja?
    (Streckt ihm die Hand hin; SCHATOW kommt schmollend und nimmt sie.)
    Lassen Sie uns auf die weltweite Versöhnung trinken!
    GAGANOW
    Prost. Aber ich werde mich nicht an der Nase herumführen lassen!
    (Sie prosten einander zu. WARWARA STAWROGINA tritt ein.)
    WARWARA
    Lassen Sie sich nicht stören. Trinken Sie auf das Wohl meines Sohnes Nikolai, der eben eingetroffen ist. Er zieht sich gerade um, und ich habe ihm gesagt, er soll kommen und sich Ihren Freunden vorstellen.
    STEPAN
    Wie hat er auf Sie gewirkt, edle Freundin?
    WARWARA
    Ich fand sein frisches Gesicht und seine ganze Art einfach hinreißend.
    (Schaut die Männer an) Ja, warum soll ich es nicht sagen: In der letzten Zeit hat es so viele Gerüchte gegeben, dass ich Sie gern sehen lasse, was wirklich aus meinem Sohn geworden ist.
    GAGANOW
    Wir freuen uns darauf, ihn zu sehen, Teuerste!
    WARWARA (schaut SCHATOW an)
    Und Sie, Schatow, freuen Sie sich, Ihren Freund wiederzusehen?
    ( SCHATOW steht ungeschickt auf und reißt ein Tischchen mit Intarsien um.)
    Stellen Sie doch bitte den Tisch wieder hin. Sicherlich ist er beschädigt. Nun gut. (Zu den anderen) Worüber sprachen Sie gerade?
    STEPAN
    Von der Hoffnung, edle Freundin, von der leuchtenden Zukunft, die bereits am Ende der Dunkelheit erstrahlt … Ah! Wir werden über all das Leid und die Verfolgung getröstet werden. Das Exil wird ein Ende haben, die Morgendämmerung ist nah …
    ( NIKOLAI STAWROGIN erscheint und bleibt reglos in der Tür stehen.)
    Oh! Mein lieber Junge!
    ( WARWARA STAWROGINA macht eine Bewegung auf NIKOLAI zu, doch seine undurchdringliche Miene lässt sie innehalten. Sie sieht ihn ängstlich an. Für einige Sekunden lastende Stille.)
    GAGANOW
    Wie geht es Ihnen, lieber Nikolai? …
    STAWROGIN
    Gut, danke.
    (Sogleich fröhliches Durcheinander. NIKOLAI geht zu seiner Mutter, um ihr die Hand zu küssen. STEPAN TROFIMOWITSCH geht auf ihn zu und umarmt ihn. NIKOLAI lächelt STEPAN TROFIMOWITSCH zu, setzt dann wieder seine undurchdringliche Miene auf und behält sie auch, als alle anderen außer SCHATOW ihm ihre Komplimente machen. Sein fortdauerndes Schweigen dämpft die Begeisterung allerdings ein wenig.)
    WARWARA (schaut NIKOLAI an)
    Mein lieber, lieber Junge, du bist traurig, du langweilst dich. Wie gut!
    STEPAN (bringt ein Glas)
    Mein bester Nikolai!
    WARWARA
    Bitte, reden Sie doch weiter. Wir sprachen gerade von der Morgenröte, nicht wahr?
    ( NIKOLAI prostet SCHATOW zu, der wortlos hinausgeht. NIKOLAI schnuppert am Inhalt seines Glases und stellt es auf den Tisch, ohne zu trinken.)
    LIPUTIN (nach einem allgemeinen peinlichen Schweigen)
    Gut. Wissen Sie, dass der neue Gouverneur schon eingetroffen ist?
    ( WIRGINSKI sagt in der linken Ecke etwas zu GAGANOW , der antwortet:)
    GAGANOW
    Ich werde mich nicht an der Nase herumführen lassen!
    LIPUTIN
    Angeblich will er alles umkrempeln. Das würde mich wundern.
    STEPAN
    Keine Sorge. Das ist nur ein kleiner Verwaltungsrausch!
    ( NIKOLAI STAWROGIN hat sich an den Platz SCHATOW s begeben. Er steht gerade, blickt abwesend und missmutig, sieht GAGANOW an.)
    WARWARA
    Was wollen Sie damit sagen?
    STEPAN
    Ach, Sie kennen doch diese Krankheit! Bei uns ist das so: Beauftragen Sie die erste hergelaufene Null damit, im hinterletzten Bahnhof Fahrkarten zu verkaufen, und schon wird diese Null, um ihre Macht spüren zu lassen, Sie von ganz weit oben herab behandeln, wenn Sie Fahrkarten kaufen wollen. Die Null ist berauscht, sie hat einen Verwaltungsrausch.
    WARWARA
    Machen Sie es kurz, bitte …
    STEPAN
    Ich wollte sagen … Wie dem auch sei, ich kenne den neuen Gouverneur auch, ein schöner, stattlicher Mann, um die vierzig, nicht wahr?
    WARWARA
    Wie kommen Sie darauf, dass er schön sei? Er hat Schafsaugen.
    STEPAN
    Das stimmt, aber … nun gut … ich beuge mich dem Urteil der Damenwelt.
    GAGANOW
    Man sollte den neuen Gouverneur nicht kritisieren, bevor man sieht, wie er arbeitet, finden Sie nicht?
    LIPUTIN
    Und warum sollten wir ihn nicht kritisieren? Er ist Gouverneur, das ist Grund genug.
    GAGANOW
    Erlauben Sie …
    WIRGINSKI
    Ganz genau wegen solcher Reden wie der unseres Herrn Gaganow versinkt Russland immer tiefer in der Ignoranz. Selbst wenn ein Pferd zum Gouverneur ernannt würde, er wollte erst einmal sehen, wie es arbeitet.
    GAGANOW
    Erlauben Sie, Sie beleidigen mich, das lasse ich mir nicht bieten. Ich habe gesagt … Vielmehr … also, nein und nochmals nein, ich lasse mich nicht an der Nase herumführen!
    ( NIKOLAI

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