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Saemtliche Dramen

Saemtliche Dramen

Titel: Saemtliche Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Camus
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Hand bitten, in aller Demut, auf Knien! Er wird vor Glück sterben, du wirst schon sehen!
    ( STEPAN TROFIMOWITSCH tritt ein. DASCHA steht auf.)
    STEPAN
    Ah! Daschenka, mein Sonnenschein, wie schön, Sie wiederzusehen! (Umarmt sie) Endlich sind Sie wieder bei uns!
    WARWARA
    Langsam, langsam. Sie können sie noch ein ganzes Leben lang streicheln. Ich habe mit Ihnen zu reden.
    ( DASCHA geht hinaus.)
    STEPAN
    Gut, meine Freundin, gut. Sie wissen ja, wie sehr ich meine kleine Schülerin liebe.
    WARWARA
    Ich weiß. Aber hören Sie auf, sie immer Ihre «kleine Schülerin» zu nennen. Ich kann es nicht mehr hören! Sie ist groß geworden! Oh – Sie haben geraucht!
    STEPAN
    Das heißt …
    WARWARA
    Setzen Sie sich. Das interessiert jetzt nicht. Vielmehr interessiert, dass Sie heiraten müssen.
    STEPAN (erstaunt)
    Heiraten? Mit dreiundfünfzig, zum dritten Mal?
    WARWARA
    Na und, was heißt das schon? Mit fünfzig ist man im Zenit des Lebens angelangt. Ich weiß, wovon ich rede, bei mir ist es auch bald so weit. Außerdem sind Sie ein stattlicher Mann.
    STEPAN
    Sie sind immer nachsichtig zu mir gewesen, liebe Freundin. Aber ich muss doch zugeben … auf so etwas war ich nicht gefasst … Doch, mit fünfzig ist man noch nicht alt, da haben Sie recht. (Er schaut sie an.)
    WARWARA
    Ich werde Ihnen helfen und für eine Mitgift sorgen. Ach! Ich vergaß! Sie heiraten Dascha.
    STEPAN (zuckt zusammen)
    Dascha … Ich dachte … Dascha? Sie ist doch noch ein Kind!
    WARWARA
    Ein Kind von zwanzig Jahren, Gott sei Dank! Jetzt kullern Sie mal nicht so mit den Augen, wir sind hier nicht im Zirkus. Sie sind intelligent, aber Sie begreifen nichts. Sie brauchen jemanden, der sich ständig um Sie kümmert. Was wird sonst aus Ihnen, wenn ich einmal sterbe? Dascha wird ein ausgezeichnetes Kindermädchen für Sie abgeben. Außerdem bin ich auch noch da, so schnell sterbe ich nicht. Und sie ist ein Engel an Sanftmut. (Heftig) Verstehen Sie, ich sage, sie ist ein Engel an Sanftmut!
    STEPAN
    Ich weiß, aber dieser Altersunterschied … Ich dachte … wenn überhaupt, dann hätte ich an jemanden meines Alters gedacht, verstehen Sie?
    WARWARA
    Nun, Sie werden sie erziehen, ihr Herz heranbilden. Sie geben ihr einen ehrenwerten Namen. Vielleicht werden Sie ihr Retter, ja, ihr Retter …
    STEPAN
    Aber Dascha selbst … haben Sie mit ihr gesprochen?
    WARWARA
    Keine Sorge. Natürlich müssen Sie um ihre Hand anhalten, sie anflehen, Ihnen diese Ehre zu tun, Sie verstehen schon. Aber seien Sie unbesorgt, ich werde in der Nähe sein. Außerdem lieben Sie sie.
    ( STEPAN TROFIMOWITSCH steht auf und schwankt.)
    Was haben Sie?
    STEPAN
    Ich … willige ein, natürlich willige ich ein, weil Sie es wünschen, aber … ich hätte nie gedacht, dass Sie bereit sein könnten …
    WARWARA
    Wozu?
    STEPAN
    Dass Sie ohne dringende, unausweichliche Gründe bereit sein könnten … bereit sein könnten zu dulden, dass ich … eine andere Frau heirate.
    WARWARA (steht jäh auf)
    Eine andere Frau … (Sie wirft ihm einen furchtbaren Blick zu und geht zur Tür. Bevor sie dort ist, dreht sie sich um.) Das werde ich Ihnen nie verzeihen, nie, hören Sie? Dass Sie auch nur eine Sekunde lang denken können, zwischen Ihnen und mir … (Sie will hinausgehen, aber GRIGOREJEW tritt ein.) Ich … Guten Tag, Grigorejew. (Zu STEPAN TROFIMOWITSCH ) Sie haben also eingewilligt. Ich werde mich selber um die Einzelheiten kümmern. Übrigens gehe ich jetzt gleich zu Praskowja und berichte ihr von dem Vorhaben. Und pflegen Sie sich. Damit Sie nicht altern! (Sie geht hinaus.)
    GRIGOREJEW
    Unsere Freundin wirkt sehr erregt …
    STEPAN
    Das kann man wohl sagen … Oh! Wenn ich die Geduld verliere, will ich am Ende nicht mehr …
    GRIGOREJEW
    Wollen was nicht mehr?
    STEPAN
    Ich habe eingewilligt, weil das Leben mich anödet und mir alles egal ist. Aber wenn sie mich wütend macht, ist mir nicht mehr alles egal. Dann nehme ich ihr die Kränkung übel und weigere mich!
    GRIGOREJEW
    Weigern sich, was zu tun?
    STEPAN
    Zu heiraten. Oh, ich hätte nichts verraten dürfen! Aber Sie sind mein Freund, und ich führe ein Selbstgespräch. Ja, sie will mich mit Dascha verheiraten, und ich habe zugestimmt, doch, doch, zugestimmt habe ich. In meinem Alter! Ach, mein Freund, die Ehe ist der Tod jeder halbwegs stolzen, freien Seele. Die Ehe wird mich zugrunde richten, meine Energie untergraben, und ich werde der Sache der Menschheit nicht mehr dienen können. Kinder werden kommen, und nur Gott

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