Saemtliche Dramen
du bist wie ein Lachen und eine Klage …»
CAESONIA
«… ein Groll und ein Überschwang …»
DIE PATRIZIER
«… ein Groll und ein Überschwang …»
CAESONIA
«Lehre uns die Gleichgültigkeit, die die Liebe wiedererweckt …»
DIE PATRIZIER
«Lehre uns die Gleichgültigkeit, die die Liebe wiedererweckt …»
CAESONIA
«Erschließe uns die Wahrheit dieser Welt, die lautet, dass sie keine hat …»
DIE PATRIZIER
«Erschließe uns die Wahrheit dieser Welt, die lautet, dass sie keine hat …»
CAESONIA
«Und schenke uns die Kraft, gemäß dieser Wahrheit ohnegleichen zu leben …»
DIE PATRIZIER
«Und schenke uns die Kraft, gemäß dieser Wahrheit ohnegleichen zu leben …»
CAESONIA
Pause!
DIE PATRIZIER
Pause!
CAESONIA (wie zuvor)
«Überhäufe uns mit deinen Gaben, gieße über unsere Gesichter deine unparteiische Grausamkeit, deinen ganz und gar sachlichen Hass aus; öffne über unseren Augen deine Hände voller Blumen und Morde.»
DIE PATRIZIER
«… deine Hände voller Blumen und Morde.»
CAESONIA
«Nimm deine verirrten Kinder auf. Empfange sie im kahlen Heim deiner gleichgültigen, schmerzhaften Liebe. Gib uns deine gegenstandslosen Leidenschaften, deine unbegründeten Schmerzen und deine Freuden ohne Zukunft …»
DIE PATRIZIER
«… und deine Freuden ohne Zukunft …»
CAESONIA (sehr laut)
«Du, so leer und so glühend, unmenschlich und doch so irdisch, berausche uns mit dem Wein deiner Gleichwertigkeit und sättige uns auf immer in deinem schwarzen, salzigen Herzen.»
DIE PATRIZIER
«Berausche uns mit dem Wein deiner Gleichwertigkeit und sättige uns auf immer in deinem schwarzen, salzigen Herzen.»
(Nachdem der letzte Satz von den Patriziern nachgesprochen ist, fährt CALIGULA schnaubend aus seiner bisherigen Reglosigkeit auf und ruft mit Stentorstimme:)
CALIGULA
Gewährt, meine Kinder, eure Wünsche werden erhört.
(Er setzt sich im Schneidersitz auf den Sockel. Die Patrizier werfen sich nacheinander vor ihm nieder, entrichten ihren Obolus und stellen sich rechts auf, ehe sie verschwinden. Der letzte vergisst in seiner Verwirrung, den Obolus abzugeben, und will sich zurückziehen. Aber CALIGULA springt mit einem Satz auf.)
He! He! Komm her, mein Junge. Anbeten ist gut, aber reich machen ist besser. Danke. Ist recht so. Wenn die Götter keine anderen Reichtümer hätten als die Liebe der Sterblichen, wären sie genauso arm wie der arme Caligula. Und jetzt, meine Herren, könnt ihr gehen und in der Stadt das erstaunliche Wunder verbreiten, dem ihr beiwohnen durftet: Ihr habt die Venus gesehen, was man so sehen nennt, mit euren leiblichen Augen, und Venus hat zu euch gesprochen. Geht, meine Herren.
(Die Patrizier setzen sich in Bewegung.)
Eine Sekunde! Benutzt beim Hinausgehen den linken Gang. Im rechten habe ich Wachen aufgestellt, die euch ermorden sollen.
(Die Patrizier gehen hastig und etwas ungeordnet hinaus. Die Sklaven und die Musikanten verschwinden.)
2 . Szene
( HELICON droht SCIPIO mit dem Finger.)
HELICON
Scipio, man hat wieder den Anarchisten markiert!
SCIPIO (zu CALIGULA )
Du hast die Götter gelästert, Gajus.
HELICON
Was soll das denn heißen?
SCIPIO
Du beschmutzt den Himmel, nachdem du die Erde mit Blut besudelt hast.
HELICON
Dieser junge Mann liebt große Worte.
(Er legt sich auf ein Ruhebett.)
CAESONIA (sehr ruhig)
Na, na, mein Junge. Es gibt derzeit in Rom Leute, die wegen viel weniger hemmungsloser Reden sterben.
SCIPIO
Ich habe beschlossen, Gajus die Wahrheit zu sagen.
CAESONIA
Nun, Caligula, das fehlte noch in deinem Reich, eine edle moralische Gestalt!
CALIGULA (interessiert)
Glaubst du denn an die Götter, Scipio?
SCIPIO
Nein.
CALIGULA
Dann verstehe ich nicht, warum du so darauf brennst, Gotteslästerungen aufzuspüren.
SCIPIO
Ich kann etwas leugnen, ohne zu meinen, ich müsste es besudeln oder den anderen das Recht absprechen, daran zu glauben.
CALIGULA
Aber das ist ja Bescheidenheit, echte Bescheidenheit! O mein lieber Scipio, wie freue ich mich für dich. Und wie ich dich beneide, weißt du. Das ist nämlich das einzige Gefühl, das ich vielleicht nie empfinden werde.
SCIPIO
Du beneidest nicht mich, sondern die Götter selbst.
CALIGULA
Wenn du gestattest, soll das sozusagen das große Geheimnis meiner Herrschaft bleiben. Alles, was man mir heute vorwerfen kann, ist, dass ich auf dem Weg der Macht und der Freiheit ein kleines Stück weitergegangen bin. Für einen Menschen, der die Macht liebt,
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