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Saemtliche Dramen

Saemtliche Dramen

Titel: Saemtliche Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Camus
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hat die Rivalität der Götter etwas Ärgerliches. Ich habe das behoben. Ich habe diesen illusorischen Göttern bewiesen, dass ein Mensch, wenn er nur will, ihren lächerlichen Beruf ohne Lehre ausüben kann.
    SCIPIO
    Ebendas ist Gotteslästerung, Gajus.
    CALIGULA
    Nein, Scipio, das ist Scharfsinn. Ich habe einfach begriffen, dass man nur auf eine Art den Göttern gleich werden kann: es genügt, so grausam zu sein wie sie.
    SCIPIO
    Es genügt, ein Tyrann zu werden.
    CALIGULA
    Was ist ein Tyrann?
    SCIPIO
    Eine blinde Seele.
    CALIGULA
    Das ist nicht sicher, Scipio. Ein Tyrann ist vielmehr ein Mensch, der seinen Ideen und seinem Ehrgeiz ganze Völker opfert. Ich habe aber keine Ideen, und an Ehre und Macht bleibt mir nichts mehr zu erstreben. Wenn ich diese Macht ausübe, so tue ich es zum Ausgleich.
    SCIPIO
    Wofür?
    CALIGULA
    Für die Dummheit und den Hass der Götter.
    SCIPIO
    Hass kann Hass nicht ausgleichen. Die Macht ist keine Lösung. Ich kenne überhaupt nur eine Art, die Feindseligkeit der Welt aufzuwiegen.
    CALIGULA
    Und die wäre?
    SCIPIO
    Die Armut.
    CALIGULA (pflegt seine Füße)
    Die muss ich auch einmal ausprobieren.
    SCIPIO
    Inzwischen sterben um dich herum viele Menschen.
    CALIGULA
    So wenige, Scipio, wirklich. Weißt du, wie viele Kriege ich nicht mitgemacht habe?
    SCIPIO
    Nein.
    CALIGULA
    Drei. Und weißt du, warum ich sie nicht mitgemacht habe?
    SCIPIO
    Weil du auf Roms Größe pfeifst.
    CALIGULA
    Nein, weil ich das Menschenleben achte.
    SCIPIO
    Du machst dich über mich lustig, Gajus.
    CALIGULA
    Oder zumindest achte ich es mehr als ein auf Eroberung zielendes Ideal. Allerdings achte ich es nicht mehr als mein eigenes Leben. Und dass es mir leichtfällt zu töten, liegt daran, dass es mir nicht schwerfiele zu sterben. Nein, je länger ich darüber nachdenke, umso überzeugter bin ich davon, kein Tyrann zu sein.
    SCIPIO
    Was macht das, wenn es uns genauso teuer zu stehen kommt, wie wenn du einer wärst.
    CALIGULA (etwas ungeduldig)
    Wenn du zählen könntest, wüsstest du, dass der kleinste Krieg eines vernünftigen Tyrannen euch tausendmal teurer zu stehen käme als die Launen meiner Phantasie.
    SCIPIO
    Aber das wäre wenigstens vernünftig, und das Wichtigste ist doch, dass man versteht.
    CALIGULA
    Das Schicksal kann man nicht verstehen, und darum habe ich mich zum Schicksal gemacht. Ich habe das blöde, unverständliche Gesicht der Götter angenommen. Das haben deine Gefährten von vorhin anbeten gelernt.
    SCIPIO
    Und ebendas ist Gotteslästerung, Gajus.
    CALIGULA
    Nein, Scipio, das ist Schauspielkunst! Der Fehler all dieser Menschen ist, dass sie nicht genügend ans Theater glauben. Sonst wüssten sie, jeder Mensch darf die Tragödien des Himmels spielen und Gott werden. Dazu genügt es, sein Herz zu verhärten.
    SCIPIO
    Vielleicht ist es so, Gajus. Aber wenn das stimmt, dann hast du, glaube ich, das Nötige getan, damit eines Tages um dich herum Legionen von menschlichen Göttern aufstehen, die ihrerseits unerbittlich sind und deine kurzlebige Göttlichkeit in Blut ertränken.
    CAESONIA
    Scipio!
    CALIGULA (mit deutlicher, harter Stimme)
    Lass, Caesonia. Du weißt gar nicht, wie recht du hast, Scipio: Ich habe das Nötige getan. Ich kann mir den Tag, von dem du sprichst, nur schwer vorstellen. Aber ich träume manchmal davon. Und auf allen Gesichtern, die dann aus der Tiefe der bitteren Nacht hervorkommen, in ihren von Hass und Angst verzerrten Zügen erkenne ich voller Entzücken den einzigen Gott wieder, den ich auf dieser Welt angebetet habe: elend und feige wie das menschliche Herz. (Gereizt) Und jetzt geh. Du hast schon viel zu viel gesagt. (In verändertem Ton) Meine Fußnägel müssen noch rot werden. Das eilt.
    (Alle gehen hinaus, außer HELICON , der um den in seine Pediküre vertieften CALIGULA herumstreift.)
    3 . Szene
    CALIGULA
    Helicon!
    HELICON
    Was ist?
    CALIGULA
    Macht deine Arbeit Fortschritte?
    HELICON
    Welche Arbeit?
    CALIGULA
    Na … der Mond!
    HELICON
    Das geht voran. Es ist eine Frage der Geduld. Aber ich möchte mit dir sprechen.
    CALIGULA
    Geduld hätte ich womöglich, aber nicht viel Zeit. Du musst schnell machen, Helicon.
    HELICON
    Ich habe dir ja gesagt, dass ich mein Bestes tun werde. Aber vorher muss ich dir etwas Schlimmes mitteilen.
    CALIGULA (als hätte er nicht gehört)
    Wohlgemerkt habe ich ihn schon gehabt.
    HELICON
    Wen?
    CALIGULA
    Den Mond. Luna.
    HELICON
    Ja, natürlich. Aber weißt du, dass man sich gegen dein Leben verschwört?
    CALIGULA
    Ich habe sie

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