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Saemtliche Dramen

Saemtliche Dramen

Titel: Saemtliche Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Camus
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alles anders. Aber wo meinen Durst stillen? Welches Herz, welcher Gott hätte für mich die Tiefe eines Sees?
    (Er kniet nieder und weint.)
    Nichts in dieser Welt, nichts in der anderen Welt, das meinem Maß entspräche. Dabei weiß ich, und du weißt es auch (streckt weinend die Hände zum Spiegel) , dass es genügte, dass das Unmögliche sei. Das Unmögliche! Ich habe es an den Enden der Welt, an den Grenzen meiner selbst gesucht. Ich habe meine Hände ausgestreckt, (schreiend) ich strecke meine Hände aus, und ich begegne dir, immer dir als Gegenüber, und ich bin voll Hass gegen dich. Ich habe nicht den Weg eingeschlagen, den ich hätte gehen müssen, ich erreiche nichts. Meine Freiheit ist nicht die richtige. Helicon! Helicon! Nichts, noch immer nichts. Oh, diese Nacht ist erdrückend! Helicon wird nicht kommen: Wir werden auf immer schuldig sein! Diese Nacht ist erdrückend wie der Schmerz der Menschen.
    (Waffenlärm und Geflüster hinter den Kulissen.)
    HELICON (taucht im Hintergrund auf)
    Gib acht, Gajus! Gib acht!
    (Eine unsichtbare Hand erdolcht HELICON . CALIGULA steht auf, nimmt einen Schemel in die Hand und nähert sich schwer atmend dem Spiegel. Er beobachtet sich, mimt einen Sprung nach vorn und schleudert angesichts der symmetrischen Bewegung seines Doubles im Spiegel den Schemel mit voller Wucht hinein und brüllt.)
    CALIGULA
    In die Geschichte, Caligula, in die Geschichte.
    (Der Spiegel zerbricht, und im selben Moment dringen durch alle Türen die bewaffneten Verschwörer ein. CALIGULA sieht ihnen mit irrem Lachen entgegen. Der ALTE PATRIZIER sticht ihn in den Rücken, CHEREA trifft ihn mitten ins Gesicht. CALIGULA s Lachen verwandelt sich in ein Gurgeln. Alle stechen auf ihn ein. Mit einem letzten Gurgeln brüllt CALIGULA lachend und röchelnd:)
    Noch lebe ich!
    Vorhang

[zur Inhaltsübersicht]
    Das Missverständnis
    Schauspiel in drei Akten
    Vorbemerkung
    Das Missverständnis
ist gewiss ein düsteres Stück. Es entstand (…) mitten in einem eingeschlossenen, besetzten Land, fern von allem, was ich liebte. Es trägt die Farben des Exils. Ich glaube aber nicht, dass es ein entmutigendes Stück ist. Das Unglück hat nur ein Mittel, sich selber zu überwinden, nämlich, sich durch das Tragische zu verwandeln. «Das Tragische», sagt Lawrence, «sollte dem Unglück sozusagen einen kräftigen Fußtritt versetzen.»
Das Missverständnis
versucht, das antike Schicksalsthema in eine zeitgenössische Fabel zu kleiden. Darüber, ob das gelungen ist, möge das Publikum urteilen. Es wäre allerdings falsch, nach dem Ende der Tragödie zu meinen, dieses Stück plädierte dafür, sich dem Schicksal zu beugen. Im Gegenteil, es ist ein Stück der Auflehnung und enthält vielleicht sogar eine Moral: Aufrichtigkeit. Wenn der Mensch erkannt werden will, muss er schlicht und einfach sagen, wer er ist. Schweigt oder lügt er, so stirbt er allein, und alles um ihn herum fällt dem Unglück anheim. Wenn er die Wahrheit sagt, wird er zwar immer noch sterben, aber davor hat er den anderen und sich selber geholfen zu leben.
     
     
    [Undatierter Text aus dem Nachlass von Albert Camus]

Meinen Freunden vom «Théâtre de l’équipe» gewidmet
Personen
    Martha
    Maria
    Die Mutter
    Jan
    Der alte Knecht

Ort
    Ein Gasthaus
    Das Missverständnis
wurde 1944 am Théâtre des Mathurins uraufgeführt. Regie: Marcel Herrand

1 . Akt
    Szene  1
    (Mittagszeit. Im Speisesaal des Gasthauses. Er ist sauber und hell, aufgeräumt.)
    DIE MUTTER
    Er kommt wieder.
    MARTHA
    Hat er das gesagt?
    DIE MUTTER
    Ja. Als du draußen warst.
    MARTHA
    Allein?
    DIE MUTTER
    Das weiß ich nicht.
    MARTHA
    Ist er reich?
    DIE MUTTER
    Nach dem Preis hat er nicht gefragt.
    MARTHA
    Wenn er reich ist, umso besser. Aber er muss auch allein sein.
    DIE MUTTER (überdrüssig)
    Allein und reich, ja. Und dann müssen wir es wieder tun.
    MARTHA
    Ja genau, dann tun wir es wieder. Und unsere Mühe wird sich
lohnen
. (Kurze Pause. MARTHA betrachtet ihre Mutter.) Mutter, Sie sind seltsam. Seit einiger Zeit erkenne ich Sie kaum wieder.
    DIE MUTTER
    Ich bin müde, mein Kind, das ist alles. Ich brauche Ruhe.
    MARTHA
    Ich kann Ihre Arbeiten hier im Haus übernehmen. Dann haben Sie den ganzen Tag für sich.
    DIE MUTTER
    Diese Art Ruhe meine ich gar nicht. Nein, es ist ein Alte-Frauen-Traum. Etwas Frieden, etwas Entspannung, mehr nicht. (Lacht matt) Es klingt vielleicht dumm, Martha, aber abends hätte ich manchmal fast Lust, fromm zu sein.
    MARTHA
    Das wäre übertrieben, so alt

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