Saemtliche Dramen
bis zum Ende der Szene nicht.)
MARTHA
Welches Zimmer geben wir ihm?
DIE MUTTER
Irgendeins, Hauptsache, im ersten Stock.
MARTHA
Ja, letztes Mal war es wirklich zu anstrengend, zwei Stockwerke. (Sie setzt sich zum ersten Mal.) Mutter, stimmt es, dass der Sand einem dort an der Küste die Füße verbrennt?
DIE MUTTER
Ich bin nie dort gewesen, das weißt du ja. Aber man hat mir gesagt, dass die Sonne alles verzehrt.
MARTHA
Ja, sogar die Seelen, das habe ich in einem Buch gelesen: Sie erschafft wunderbare Körper, aber innerlich sind sie hohl.
DIE MUTTER
Träumst du deswegen vom Meer, Martha?
MARTHA
Ja, ich habe genug davon, meine Seele mit mir herumzuschleppen, ich will schnell das Land finden, wo die Sonne alle Fragen tötet. Hier gehöre ich nicht her.
DIE MUTTER
Vorher haben wir noch viel zu tun, leider! Wenn alles gutgeht, komme ich natürlich mit dir. Aber ich würde nicht das Gefühl haben, dass ich dort hingehöre. Ab einem gewissen Alter gibt es keinen Ort mehr, an dem man Ruhe finden könnte, es ist schon viel, wenn es einem gelungen ist, jenes lächerliche, mit Erinnerungen möblierte Backsteinhaus zu bauen, in dem man bisweilen einschläft. Aber natürlich, wenn ich beides, Schlaf und Vergessen, finden könnte, das wäre schon etwas. (Steht auf, geht zur Tür) Mach alles bereit, Martha. (Kurze Pause.) Wenn es wirklich die Mühe lohnt.
( MARTHA schaut ihr nach, wie sie hinausgeht. Dann geht sie selber durch eine andere Tür ab.)
Szene 2
(Der ALTE KNECHT geht zum Fenster, sieht Jan und Maria, tritt zurück. Einige Sekunden lang bleibt er allein auf der Bühne. JAN tritt ein. Er bleibt stehen, schaut in den Gastraum, sieht den ALTEN hinter dem Fenster.)
JAN
Ist niemand hier?
(Der ALTE schaut ihn an, geht quer über die Bühne ab.)
Szene 3
( MARIA tritt ein. JAN dreht sich brüsk zu ihr um.)
JAN
Du bist mir gefolgt!
MARIA
Entschuldige, ich konnte nicht anders! Vielleicht gehe ich gleich. Aber erst will ich sehen, wo ich dich zurücklasse.
JAN
Aber wenn jemand kommt, kann ich nicht mehr tun, was ich vorhabe.
MARIA
Lass uns doch diese Chance, dass jemand kommt und ich dafür sorgen kann, dass du erkannt wirst, ob du willst oder nicht.
( JAN wendet sich ab. Pause. MARIA schaut sich um.)
Ist es hier?
JAN
Ja. Durch diese Tür bin ich vor zwanzig Jahren fortgegangen. Meine Schwester war ein kleines Mädchen. Da in der Ecke hat sie gespielt. Meine Mutter kam nicht, um mich zu küssen. Damals dachte ich, das wäre mir egal.
MARIA
Jan, ich kann nicht glauben, dass sie dich vorhin nicht erkannt haben. Eine Mutter erkennt ihren Sohn immer.
JAN
Sie hat mich zwanzig Jahre nicht gesehen. Ich war jung, fast noch ein Kind. Meine Mutter ist alt geworden, ihr Augenlicht hat nachgelassen. Ich habe sie selber kaum wiedererkannt.
MARIA (ungeduldig)
Ich weiß, du bist eingetreten, hast «Guten Tag» gesagt, dich hingesetzt. Und hast nichts wiedererkannt.
JAN
Meine Erinnerung war so verschwommen. Sie empfingen mich ohne ein Wort. Servierten das Bier, das ich bestellt hatte. Schauten mich an, sahen mich aber nicht. Alles war schwieriger, als ich gedacht hatte.
MARIA
Du weißt genau, dass es nicht schwierig war, du hättest nur zu reden brauchen. In so einem Fall sagt man: «Ich bin es», und alles ist gut.
JAN
Ja, aber ich hatte den Kopf voll Hirngespinste. Ich erwartete, mit einem Festmahl empfangen zu werden wie der verlorene Sohn, und man brachte mir Bier für Geld. Ich war aufgeregt, ich konnte nicht reden.
MARIA
Ein Wort hätte genügt.
JAN
Ich fand es aber nicht, dieses Wort. Nun, ich habe es ja nicht eilig. Ich bin gekommen, um mit meinem Vermögen zu helfen und, wenn ich denn kann, Glück zu bringen. Als ich vom Tod meines Vaters erfuhr, war mir klar, dass ich für diese beiden Frauen Verantwortung trage, und jetzt tue ich eben, was zu tun ist. Aber offenbar ist es nicht so einfach, nach Hause zu kommen, wie immer gesagt wird, und es dauert einige Zeit, bis aus dem Fremden wieder der Sohn wird.
MARIA
Aber warum hast du dein Kommen nicht angekündigt? Es gibt Fälle, in denen man sich zu verhalten hat wie jeder andere auch. Will man erkannt werden, nennt man seinen Namen, so ist das nun mal. Wenn man sich verstellt, schafft man nichts als Durcheinander. Warum solltest du in einem Haus, in dem du als Fremder auftrittst, nicht als Fremder behandelt werden? Nein, nein, das Ganze ist ungut.
JAN
Ach was, Maria, es ist nicht so schlimm. Außerdem dient es meinen Plänen. Ich
Weitere Kostenlose Bücher