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Saemtliche Dramen

Saemtliche Dramen

Titel: Saemtliche Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Camus
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hatte er seine Gründe. Aber wir wollten uns jetzt wieder treffen.
    MARTHA (schaut sie unverwandt an)
    Das wird schwierig sein. Ihr Mann ist nicht mehr hier.
    MARIA
    Was sagen Sie da? Hat er nicht bei Ihnen ein Zimmer genommen?
    MARTHA
    Ja, das hatte er, aber er hat es in der Nacht verlassen.
    MARIA
    Das kann ich nicht glauben, ich kenne seine Gründe, in diesem Haus zu bleiben. Aber Ihr Tonfall beunruhigt mich. Sagen Sie, was Sie mir zu sagen haben.
    MARTHA
    Ich habe Ihnen nichts zu sagen, außer dass Ihr Mann nicht mehr hier ist.
    MARIA
    Er kann nicht ohne mich fortgefahren sein, ich verstehe Sie nicht. Hat er Sie endgültig verlassen, oder hat er gesagt, er kommt zurück?
    MARTHA
    Er hat uns endgültig verlassen.
    MARIA
    Hören Sie. Seit gestern muss ich in diesem fremden Land warten, meine Geduld ist erschöpft, restlos. Ich komme voller Sorge, und ich werde nicht wieder gehen, ohne meinen Mann zu sehen oder ohne zu wissen, wo ich ihn finden kann.
    MARTHA
    Das ist nicht meine Sache.
    MARIA
    Da irren Sie sich. Es ist sehr wohl Ihre Sache. Ich weiß nicht, ob mein Mann billigen wird, was ich Ihnen jetzt sage, aber ich bin die Verwicklungen leid. Der Mann, der gestern hergekommen ist, gestern Morgen, ist Ihr Bruder, von dem Sie seit Jahren nichts gehört haben.
    MARTHA
    Sie sagen mir nichts Neues.
    MARIA (heftig)
    Aber was ist geschehen? Warum ist Ihr Bruder nicht mehr hier? Haben Sie ihn nicht wiedererkannt, Ihre Mutter und Sie, waren Sie nicht glücklich über seine Heimkehr?
    MARTHA
    Ihr Mann ist nicht mehr hier, weil er tot ist.
    ( MARIA zuckt zusammen und starrt MARTHA einen Augenblick lang schweigend an. Dann lächelt sie und will zu ihr treten.)
    MARIA
    Sie scherzen, nicht wahr? Jan hat mir oft erzählt, dass Sie schon als kleines Mädchen gern die Leute erschreckt haben. Wir sind so gut wie Schwestern, und …
    MARTHA
    Fassen Sie mich nicht an. Bleiben Sie, wo Sie sind. Wir haben nichts miteinander gemein. (Kurze Pause.) Ihr Mann ist heute Nacht gestorben, ich versichere Ihnen, das ist kein Scherz. Sie haben hier nichts mehr verloren.
    MARIA
    Sie sind ja verrückt, vollkommen verrückt! Das kommt zu plötzlich, ich kann es nicht glauben. Wo ist er? Zeigen Sie ihn mir tot, dann glaube ich es, aber sonst kann ich es mir nicht einmal vorstellen.
    MARTHA
    Das ist unmöglich. Wo er ist, kann niemand ihn sehen. ( MARIA macht eine Bewegung zu ihr hin.) Fassen Sie mich nicht an, bleiben Sie, wo Sie sind … Er liegt auf dem Grund des Flusses, meine Mutter und ich haben ihn heute Nacht dorthin gebracht, nachdem wir ihm ein Schlafmittel gegeben haben. Er hat nicht gelitten, aber er ist tot, und wir, seine Mutter und ich, haben ihn getötet.
    MARIA (weicht zurück)
    Nein, nein … ich bin verrückt und höre Worte, die nie auf Erden erklungen sind. Ich wusste, dass mich hier nichts Gutes erwartet, aber zu diesem Wahn bin ich nicht bereit. Ich verstehe nicht, ich verstehe Sie nicht …
    MARTHA
    Es ist nicht meine Aufgabe, Sie zu überzeugen, nur, Sie zu informieren. Sie werden sich den Tatsachen beugen müssen.
    MARIA (als wäre sie zerstreut)
    Warum, warum haben Sie das getan?
    MARTHA
    Mit welchem Recht fragen Sie mich das?
    MARIA (in einem Aufschrei)
    Mit dem Recht meiner Liebe!
    MARTHA
    Was bedeutet dieses Wort?
    MARIA
    Es bedeutet alles, was mich jetzt zerreißt und zerfleischt, es bedeutet eine Raserei, die meine Hände zum Mord öffnet. Wäre da nicht dieser hartnäckige Unglaube, ich würde Sie lehren, Sie Verrückte, was dieses Wort bedeutet, mit meinen Nägeln in Ihrem Gesicht!
    MARTHA
    Wirklich, Sie sprechen eine Sprache, die ich nicht verstehen kann. Worte wie Liebe, Freude oder Schmerz sagen mir nichts.
    MARIA (mit großer Anstrengung)
    Hören Sie, lassen wir dieses Spiel, wenn es denn eines ist. Halten wir uns nicht mit leeren Reden auf. Sagen Sie mir klar und deutlich, was ich klar und deutlich wissen will, und dann lassen Sie mich allein.
    MARTHA
    Man kann wohl kaum noch klarer sein. Wir haben Ihren Mann heute Nacht getötet, um ihm sein Geld zu rauben, wie wir es schon mit mehreren anderen Gästen getan haben.
    MARIA
    Seine Mutter und seine Schwester sind also Mörderinnen?
    MARTHA
    Ja.
    MARIA (mit immer noch derselben Anstrengung)
    Wussten Sie da bereits, dass er Ihr Bruder war?
    MARTHA
    Wenn Sie es unbedingt wissen wollen, es gab ein Missverständnis. Und wenn Sie die Welt ein bisschen kennen, wird Sie das nicht wundern.
    MARIA (geht wieder zum Tisch, die Fäuste vor der Brust geballt, mit dumpfer

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