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Saemtliche Dramen

Saemtliche Dramen

Titel: Saemtliche Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Camus
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Die Organisation beschließt, dass der Mord an diesen beiden Kindern sinnlos wäre. Wir müssen die Beobachtungen wiederaufnehmen, damit wir in zwei Tagen für einen zweiten Versuch bereit sind.
    STEPAN
    Und wenn die Kinder dann wieder dabei sind?
    ANNENKOW
    Dann werden wir eine weitere Gelegenheit abwarten.
    STEPAN
    Und wenn die Großfürstin den Großfürsten begleitet?
    KALJAJEW
    Ich werde sie nicht verschonen.
    ANNENKOW
    Hört!
    (Das Geräusch einer Kutsche. KALJAJEW zieht es unwiderstehlich zum Fenster. Die anderen warten. Die Kutsche kommt näher, fährt vorbei und entfernt sich.)
    WOINOW (sieht DORA an, die zu ihm tritt)
    Alles wieder von vorn anfangen, Dora …
    STEPAN (verächtlich)
    Ja, Alexej, von vorn anfangen … Was man nicht alles tut für die Ehre!
    Vorhang

3 . Akt
    (Gleicher Ort, gleiche Tageszeit, zwei Tage später. STEPAN , ANNENKOW , KALJAJEW , DORA .)
    STEPAN
    Wo bleibt Woinow? Er müsste längst hier sein.
    ANNENKOW
    Er braucht Schlaf. Und wir haben noch eine halbe Stunde Zeit.
    STEPAN
    Ich kann rausgehen, mich umhören.
    ANNENKOW
    Nein. Wir müssen das Risiko klein halten.
    (Pause.)
    Janek, warum sagst du nichts?
    KALJAJEW
    Ich habe nichts zu sagen. Aber keine Sorge.
    (Es klingelt.)
    Da kommt er.
    ( WOINOW kommt herein.)
    ANNENKOW
    Hast du schlafen können?
    WOINOW
    Ja, ein bisschen.
    ANNENKOW
    Die ganze Nacht?
    WOINOW
    Nein.
    ANNENKOW
    Das hättest du aber tun sollen. Schließlich gibt es Mittel.
    WOINOW
    Ich habe es versucht. Ich war zu müde.
    ANNENKOW
    Deine Hände zittern.
    WOINOW
    Nein.
    (Alle sehen ihn an.)
    Was seht ihr mich so an? Ist es verboten, müde zu sein?
    ANNENKOW
    Nein, das ist es nicht. Wir machen uns Gedanken um dich.
    WOINOW (unvermittelt heftig)
    Vorgestern hättet ihr denken sollen. Wenn wir die Bombe geworfen hätten, wären wir nicht mehr müde.
    KALJAJEW
    Verzeih mir, Alexej. Ich habe alles noch schwieriger gemacht.
    WOINOW (leiser)
    Wer behauptet das? Warum schwieriger? Ich bin müde, mehr nicht.
    DORA
    Jetzt geht alles schnell. In einer Stunde ist es vorbei.
    WOINOW
    Ja, dann ist es vorbei. In einer Stunde …
    (Er schaut in die Runde. DORA geht zu ihm und nimmt seine Hand. Er überlässt sie ihr, reißt sie dann jäh zurück.)
    WOINOW
    Borja, ich muss mit dir reden.
    ANNENKOW
    Unter vier Augen?
    WOINOW
    Unter vier Augen.
    (Sie schauen sich an. KALJAJEW , DORA und STEPAN gehen hinaus.)
    ANNENKOW
    Was gibt es?
    ( WOINOW schweigt.)
    Bitte, sag es mir.
    WOINOW
    Ich schäme mich, Borja.
    (Pause.)
    Ich schäme mich. Ich muss dir die Wahrheit sagen.
    ANNENKOW
    Du willst die Bombe nicht werfen?
    WOINOW
    Ich kann nicht.
    ANNENKOW
    Hast du Angst? Ist es nur das? Das ist kein Grund, sich zu schämen.
    WOINOW
    Ich habe Angst und schäme mich deswegen.
    ANNENKOW
    Aber vorgestern warst du stark und zuversichtlich. Als du gingst, hattest du leuchtende Augen.
    WOINOW
    Ich hatte die ganze Zeit Angst. Vorgestern habe ich meinen ganzen Mut zusammengenommen, das ist alles. Als ich die Kutsche heranrollen hörte, sagte ich mir: «Durchhalten! Nur noch eine Minute!», und biss die Zähne zusammen. All meine Muskeln waren gespannt. Ich würde die Bombe mit so viel Wucht werfen, als sollte sie den Großfürsten durch den bloßen Aufprall töten. Ich wartete nur noch die erste Explosion ab, um diese ganze in mir aufgestaute Kraft loszulassen. Und dann nichts. Die Kutsche kam einfach auf mich zu. Da begriff ich, dass Janek seine Bombe nicht geworfen hatte. In diesem Augenblick überfiel mich eine furchtbare Kälte. Und auf einmal fühlte ich mich schwach wie ein Kind.
    ANNENKOW
    Das macht nichts, Alexej. Die Lebenswärme kehrt danach bald zurück.
    WOINOW
    Sie ist seit zwei Tagen nicht zurückgekehrt. Vorhin habe ich gelogen, ich habe die ganze Nacht nicht geschlafen. Ich hatte zu großes Herzklopfen. Oh Borja, ich bin verzweifelt.
    ANNENKOW
    Das brauchst du nicht zu sein. Wir haben das alle auch schon erlebt. Dann wirst du die Bombe eben nicht werfen. Ein Monat Erholung in Finnland, anschließend kommst du wieder zu uns zurück.
    WOINOW
    Nein. Darum geht es nicht. Wenn ich die Bombe heute nicht werfe, dann nie.
    ANNENKOW
    Worum geht es dann?
    WOINOW
    Ich tauge nicht als Terrorist. Das weiß ich jetzt. Es ist besser, wenn ich euch verlasse. Ich werde in den Komitees mitkämpfen, bei der Propaganda.
    ANNENKOW
    Das Risiko ist dort dasselbe.
    WOINOW
    Ja, aber man kann handeln und dabei die Augen verschließen. Man erfährt nichts.
    ANNENKOW
    Wie meinst du das?
    WOINOW (fieberhaft)
    Man

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