Sämtliche Dramen
über alle Beine, und Hand, und Fuß, und die ganze Positur: – es läßt sich eben nicht viel davon sagen, aber man kann sie mit nichts vergleichen. Er ist kein Ausbund von feinen Manieren, doch wett’ ich drauf, wie ein Lamm so sanft. – Treib’s nur so fort, Kind, und fürchte Gott! – Habt ihr diesen Mittag zu Hause gegessen?
Julia
.
Nein, nein! Doch all’ dies wußt’ ich schon zuvor.
Was sagt er von der Trauung? Hurtig: was?
Wärterin
.
O je, wie schmerzt der Kopf mir! Welch ein Kopf!
Er schlägt, als wollt’ er gleich in Stücke springen.
Da hier mein Rücken, o mein armer Rücken!
Gott sei Euch gnädig, daß Ihr hin und her
So viel mich schickt, mich bald zu Tode hetzt!
Julia
.
Im Ernst, daß du nicht wohl bist, tut mir leid.
Doch, beste, beste Amme, sage mir:
Was macht mein Liebster?
Wärterin
. Eu’r Liebster sagt, so wie ein wackrer Herr, – und ein artiger, und ein freundlicher, und ein hübscher Herr, und, auf mein Wort, ein tugendsamer Herr. – Wo ist denn Eure Mutter?
Julia
.
Wo meine Mutter ist? Nun, sie ist drinnen;
Wo wär’ sie sonst? Wie seltsam du erwiderst:
»Eu’r Liebster sagt, so wie ein wackrer Herr –
Wo ist denn Eure Mutter?«
Wärterin
.
Jemine!
Seid Ihr so hitzig? Seht doch! kommt mir nur!
Ist das die Bähung für mein Gliederweh?
Geht künftig selbst, wenn Ihr ’ne Botschaft habt!
Julia
.
Das ist ’ne Not! Was sagt er? Bitte, sprich!
Wärterin
.
Habt Ihr Erlaubnis, heut zu beichten?
Julia
.
Ja.
Wärterin
.
So macht Euch auf zu Eures Paters Zelle,
Da harrt ein Mann, um Euch zur Frau zu machen.
Nun steigt das lose Blut Euch in die Wangen;
Gleich sind sie Scharlach, wenn’s was Neues gibt.
Eilt Ihr ins Kloster: ich muß sonst wohin,
Die Leiter holen, die der Liebste bald
Zum Nest hinan, wenn’s Nacht wird, klimmen soll.
Ich bin das Lasttier, muß für Euch mich plagen,
Doch Ihr sollt Eure Last zu Nacht schon tragen.
Ich will zur Mahlzeit erst; eilt Ihr zur Zelle hin!
Julia
.
Zu hohem Glücke, treue Pflegerin!
Beide ab.
¶
Sechste Szene
Bruder Lorenzos Zelle.
Lorenzo und Romeo.
Lorenzo
.
Der Himmel lächle so dem heil’gen Bund,
Daß künft’ge Tag’ uns nicht durch Kummer schelten!
Romeo
.
Amen! So sei’s! Doch laß den Kummer kommen,
So sehr er mag: wiegt er die Freuden auf,
Die mir in ihrem Anblick eine flücht’ge
Minute gibt? Füg’ unsre Hände nur
Durch deinen Segensspruch in eins, dann tue
Sein Äußerstes der Liebeswürger Tod:
Genug, daß ich nur mein sie nennen darf.
Lorenzo
.
So wilde Freude nimmt ein wildes Ende,
Und stirbt im höchsten Sieg, wie Feu’r und Pulver
Im Kusse sich verzehrt. Die Süßigkeit
Des Honigs widert durch ihr Übermaß,
Und im Geschmack erstickt sie unsre Lust.
Drum liebe mäßig; solche Lieb’ ist stät:
Zu hastig und zu träge kommt gleich spät.
Julia tritt auf.
Hier kommt das Fräulein, sieh!
Mit leichtem Tritt, der keine Blume biegt;
Sieh, wie die Macht der Lieb’ und Wonne siegt!
Julia
.
Ehrwürd’ger Herr! ich sag’ Euch guten Abend.
Lorenzo
.
Für mich und sich dankt Romeo, mein Kind.
Julia
.
Es gilt ihm mit, sonst wär’ sein Dank zu viel.
Romeo
.
Ach, Julia! Ist deiner Freude Maß
Gehäuft wie meins, und weißt du mehr die Kunst,
Ihr Schmuck zu leihn, so würze rings die Luft
Durch deinen Hauch; laß des Gesanges Mund
Die Seligkeit verkünden, die wir beide
Bei dieser teuren Näh’ im andern finden.
Julia
.
Gefühl, an Inhalt reicher als an Worten,
Ist stolz auf seinen Wert und nicht auf Schmuck.
Nur Bettler wissen ihres Guts Betrag.
Doch meine treue Liebe stieg so hoch,
Daß keine Schätzung ihre Schätz’ erreicht.
Lorenzo
.
Kommt, kommt mit mir! wir schreiten gleich zur Sache.
Ich leide nicht, daß ihr allein mir bleibt,
Bis euch die Kirch’ einander einverleibt.
Alle ab.
¶
DRITTER AUFZUG
Erste Szene
Ein öffentlicher Platz.
Mercutio, Benvolio, Page und Bediente.
Benvolio
.
Ich bitt’ dich, Freund, laß uns nach Hause gehn!
Der Tag ist heiß, die Capulets sind draußen,
Und treffen wir, so gibt es sicher Zank:
Denn bei der Hitze tobt das tolle Blut.
Mercutio
. Du bist mir so ein Zeisig, der, sobald er die Schwelle eines Wirtshauses betritt, mit dem Degen auf den Tisch schlägt und ausruft: »Gebe Gott, daß ich dich nicht nötig habe!«, und wenn ihm das zweite Glas im Kopfe spukt, so zieht er gegen den Kellner, wo er es freilich nicht nötig hätte.
Benvolio
. Bin ich so ein Zeisig?
Mercutio
. Ja, ja!
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