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Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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›Vermaledeit
    Und verdammt sei eure Seele!‹
    Grabenstiegner Spuk der Nacht,
    Müssen büßend wir nunmehre
    Irregehn in diesen Mauern –
    Miserere! Miserere!
    Ach, im Grabe ist es gut,
    Ob es gleich viel besser wäre
    In dem warmen Himmelreiche –
    Miserere! Miserere!
    Süßer Jesus, o vergib
    Endlich uns die Schuld, die schwere,
    Schließ uns auf den warmen Himmel –
    Miserere! Miserere!«
    Also singt die Nonnenschar,
    Und ein längst verstorbner Küster
    Spielt die Orgel. Schattenhände
    Stürmen toll durch die Register.
    Pfalzgräfin Jutta
    Pfalzgräfin Jutta fuhr über den Rhein,
    Im leichten Kahn, bei Mondenschein.
    Die Zofe rudert, die Gräfin spricht:
    »Siehst du die sieben Leichen nicht,
    Die hinter uns kommen
    Einhergeschwommen –
    So traurig schwimmen die Toten!
    Das waren Ritter voll Jugendlust –
    Sie sanken zärtlich an meine Brust
    Und schwuren mir Treue – Zur Sicherheit,
    Daß sie nicht brächen ihren Eid,
    Ließ ich sie ergreifen
    Sogleich und ersäufen –
    So traurig schwimmen die Toten!«
    Die Zofe rudert, die Gräfin lacht.
    Das hallt so höhnisch durch die Nacht!
    Bis an die Hüfte tauchen hervor
    Die Leichen und strecken die Finger empor,
    Wie schwörend – Sie nicken
    Mit gläsernen Blicken –
    So traurig schwimmen die Toten!
    Der Mohrenkönig
    Ins Exil der Alpuxarren
    Zog der junge Mohrenkönig;
    Schweigsam und das Herz voll Kummer
    Ritt er an des Zuges Spitze.
    Hinter ihm auf hohen Zeltern
    Oder auch in güldnen Sänften
    Saßen seines Hauses Frauen;
    Schwarze Mägde trägt das Maultier.
    Hundert treue Diener folgen
    Auf arabisch edlen Rappen;
    Stolze Gäule, doch die Reiter
    Hängen schlottrig in den Sätteln.
    Keine Zimbel, keine Pauke,
    Kein Gesangeslaut ertönte;
    Nur des Maultiers Silberglöckchen
    Wimmern schmerzlich in der Stille.
    Auf der Höhe, wo der Blick
    Ins Duero-Tal hinabschweift,
    Und die Zinnen von Granada
    Sichtbar sind zum letzten Male:
    Dorten stieg vom Pferd der König
    Und betrachtete die Stadt,
    Die im Abendlichte glänzte,
    Wie geschmückt mit Gold und Purpur.
    Aber, Allah! Welch ein Anblick!
    Statt des vielgeliebten Halbmonds,
    Prangen Spaniens Kreuz und Fahnen
    Auf den Türmen der Alhambra.
    Ach, bei diesem Anblick brachen
    Aus des Königs Brust die Seufzer,
    Tränen überströmten plötzlich
    Wie ein Sturzbach seine Wangen.
    Düster von dem hohen Zelter
    Schaut’ herab des Königs Mutter,
    Schaut’ auf ihres Sohnes Jammer,
    Und sie schalt ihn stolz und bitter.
    »Boabdil el Chico«, sprach sie,
    »Wie ein Weib beweinst du jetzo
    Jene Stadt, die du nicht wußtest
    Zu verteid’gen wie ein Mann.«
    Als des Königs liebste Kebsin
    Solche harte Rede hörte,
    Stürzte sie aus ihrer Sänfte
    Und umhalste den Gebieter.
    »Boabdil el Chico«, sprach sie,
    »Tröste dich, mein Heißgeliebter,
    Aus dem Abgrund deines Elends
    Blüht hervor ein schöner Lorbeer.
    Nicht allein der Triumphator,
    Nicht allein der sieggekrönte
    Günstling jener blinden Göttin,
    Auch der blut’ge Sohn des Unglücks,
    Auch der heldenmüt’ge Kämpfer,
    Der dem ungeheuren Schicksal
    Unterlag, wird ewig leben
    In der Menschen Angedenken.«
    »Berg des letzten Mohrenseufzers«
    Heißt bis auf den heut’gen Tag
    Jene Höhe, wo der König
    Sah zum letzten Mal Granada.
    Lieblich hat die Zeit erfüllet,
    Seiner Liebsten Prophezeiung,
    Und des Mohrenkönigs Name
    Ward verherrlicht und gefeiert.
    Nimmer wird sein Ruhm verhallen,
    Ehe nicht die letzte Saite
    Schnarrend losspringt von der letzten
    Andalusischen Gitarre.
    Geoffroy Rudèl und Melisande von Tripoli
    In dem Schlosse Blay erblickt man
    Die Tapete an den Wänden,
    So die Gräfin Tripolis
    Einst gestickt mit klugen Händen.
    Ihre ganze Seele stickte
    Sie hinein, und Liebesträne
    Hat gefeit das seidne Bildwerk,
    Welches darstellt jene Szene:
    Wie die Gräfin den Rudèl,
    Sterbend sah am Strande liegen,
    Und das Urbild ihrer Sehnsucht
    Gleich erkannt in seinen Zügen.
    Auch Rudèl hat hier zum ersten
    Und zum letzten Mal erblicket
    In der Wirklichkeit die Dame,
    Die ihn oft im Traum entzücket.
    Über ihn beugt sich die Gräfin,
    Hält ihn liebevoll umschlungen,
    Küßt den todesbleichen Mund,
    Der so schön ihr Lob gesungen!
    Ach! der Kuß des Willkomms wurde
    Auch zugleich der Kuß des Scheidens,
    Und so leerten sie den Kelch
    Höchster Lust und tiefsten Leidens.
    In dem Schlosse Blay allnächtlich
    Gibt’s ein Rauschen, Knistern, Beben,
    Die Figuren der Tapete
    Fangen plötzlich an zu leben.
    Troubadour und Dame schütteln
    Die

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