Sämtliche Werke
›Vermaledeit
Und verdammt sei eure Seele!‹
Grabenstiegner Spuk der Nacht,
Müssen büßend wir nunmehre
Irregehn in diesen Mauern –
Miserere! Miserere!
Ach, im Grabe ist es gut,
Ob es gleich viel besser wäre
In dem warmen Himmelreiche –
Miserere! Miserere!
Süßer Jesus, o vergib
Endlich uns die Schuld, die schwere,
Schließ uns auf den warmen Himmel –
Miserere! Miserere!«
Also singt die Nonnenschar,
Und ein längst verstorbner Küster
Spielt die Orgel. Schattenhände
Stürmen toll durch die Register.
Pfalzgräfin Jutta
Pfalzgräfin Jutta fuhr über den Rhein,
Im leichten Kahn, bei Mondenschein.
Die Zofe rudert, die Gräfin spricht:
»Siehst du die sieben Leichen nicht,
Die hinter uns kommen
Einhergeschwommen –
So traurig schwimmen die Toten!
Das waren Ritter voll Jugendlust –
Sie sanken zärtlich an meine Brust
Und schwuren mir Treue – Zur Sicherheit,
Daß sie nicht brächen ihren Eid,
Ließ ich sie ergreifen
Sogleich und ersäufen –
So traurig schwimmen die Toten!«
Die Zofe rudert, die Gräfin lacht.
Das hallt so höhnisch durch die Nacht!
Bis an die Hüfte tauchen hervor
Die Leichen und strecken die Finger empor,
Wie schwörend – Sie nicken
Mit gläsernen Blicken –
So traurig schwimmen die Toten!
Der Mohrenkönig
Ins Exil der Alpuxarren
Zog der junge Mohrenkönig;
Schweigsam und das Herz voll Kummer
Ritt er an des Zuges Spitze.
Hinter ihm auf hohen Zeltern
Oder auch in güldnen Sänften
Saßen seines Hauses Frauen;
Schwarze Mägde trägt das Maultier.
Hundert treue Diener folgen
Auf arabisch edlen Rappen;
Stolze Gäule, doch die Reiter
Hängen schlottrig in den Sätteln.
Keine Zimbel, keine Pauke,
Kein Gesangeslaut ertönte;
Nur des Maultiers Silberglöckchen
Wimmern schmerzlich in der Stille.
Auf der Höhe, wo der Blick
Ins Duero-Tal hinabschweift,
Und die Zinnen von Granada
Sichtbar sind zum letzten Male:
Dorten stieg vom Pferd der König
Und betrachtete die Stadt,
Die im Abendlichte glänzte,
Wie geschmückt mit Gold und Purpur.
Aber, Allah! Welch ein Anblick!
Statt des vielgeliebten Halbmonds,
Prangen Spaniens Kreuz und Fahnen
Auf den Türmen der Alhambra.
Ach, bei diesem Anblick brachen
Aus des Königs Brust die Seufzer,
Tränen überströmten plötzlich
Wie ein Sturzbach seine Wangen.
Düster von dem hohen Zelter
Schaut’ herab des Königs Mutter,
Schaut’ auf ihres Sohnes Jammer,
Und sie schalt ihn stolz und bitter.
»Boabdil el Chico«, sprach sie,
»Wie ein Weib beweinst du jetzo
Jene Stadt, die du nicht wußtest
Zu verteid’gen wie ein Mann.«
Als des Königs liebste Kebsin
Solche harte Rede hörte,
Stürzte sie aus ihrer Sänfte
Und umhalste den Gebieter.
»Boabdil el Chico«, sprach sie,
»Tröste dich, mein Heißgeliebter,
Aus dem Abgrund deines Elends
Blüht hervor ein schöner Lorbeer.
Nicht allein der Triumphator,
Nicht allein der sieggekrönte
Günstling jener blinden Göttin,
Auch der blut’ge Sohn des Unglücks,
Auch der heldenmüt’ge Kämpfer,
Der dem ungeheuren Schicksal
Unterlag, wird ewig leben
In der Menschen Angedenken.«
»Berg des letzten Mohrenseufzers«
Heißt bis auf den heut’gen Tag
Jene Höhe, wo der König
Sah zum letzten Mal Granada.
Lieblich hat die Zeit erfüllet,
Seiner Liebsten Prophezeiung,
Und des Mohrenkönigs Name
Ward verherrlicht und gefeiert.
Nimmer wird sein Ruhm verhallen,
Ehe nicht die letzte Saite
Schnarrend losspringt von der letzten
Andalusischen Gitarre.
Geoffroy Rudèl und Melisande von Tripoli
In dem Schlosse Blay erblickt man
Die Tapete an den Wänden,
So die Gräfin Tripolis
Einst gestickt mit klugen Händen.
Ihre ganze Seele stickte
Sie hinein, und Liebesträne
Hat gefeit das seidne Bildwerk,
Welches darstellt jene Szene:
Wie die Gräfin den Rudèl,
Sterbend sah am Strande liegen,
Und das Urbild ihrer Sehnsucht
Gleich erkannt in seinen Zügen.
Auch Rudèl hat hier zum ersten
Und zum letzten Mal erblicket
In der Wirklichkeit die Dame,
Die ihn oft im Traum entzücket.
Über ihn beugt sich die Gräfin,
Hält ihn liebevoll umschlungen,
Küßt den todesbleichen Mund,
Der so schön ihr Lob gesungen!
Ach! der Kuß des Willkomms wurde
Auch zugleich der Kuß des Scheidens,
Und so leerten sie den Kelch
Höchster Lust und tiefsten Leidens.
In dem Schlosse Blay allnächtlich
Gibt’s ein Rauschen, Knistern, Beben,
Die Figuren der Tapete
Fangen plötzlich an zu leben.
Troubadour und Dame schütteln
Die
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