Sämtliche Werke
verschlafnen Schattenglieder,
Treten aus der Wand und wandeln
Durch die Säle auf und nieder.
Trautes Flüstern, sanftes Tändeln,
Wehmutsüße Heimlichkeiten,
Und postume Galantrie
Aus des Minnesanges Zeiten:
»Geoffroy! Mein totes Herz
Wird erwärmt von deiner Stimme,
In den längst erloschnen Kohlen
Fühl ich wieder ein Geglimme!«
»Melisande! Glück und Blume!
Wenn ich dir ins Auge sehe,
Leb ich auf – gestorben ist
Nur mein Erdenleid und – wehe.«
»Geoffroy! Wir liebten uns
Einst im Traume, und jetzunder
Lieben wir uns gar im Tode –
Gott Amour tat dieses Wunder!«
»Melisande! Was ist Traum?
Was ist Tod? Nur eitel Töne.
In der Liebe nur ist Wahrheit,
Und dich lieb ich, ewig Schöne.«
»Geoffroy! Wie traulich ist es
Hier im stillen Mondscheinsaale,
Möchte nicht mehr draußen wandeln
In des Tages Sonnenstrahle.«
»Melisande! teure Närrin,
Du bist selber Licht und Sonne,
Wo du wandelst, blüht der Frühling,
Sprossen Lieb’ und Maienwonne!«
Also kosen, also wandeln
Jene zärtlichen Gespenster
Auf und ab, derweil das Mondlicht
Lauschet durch die Bogenfenster.
Doch den holden Spuk vertreibend,
Kommt am End’ die Morgenröte –
Jene huschen scheu zurück
In die Wand, in die Tapete.
Der Dichter Firdusi
1.
Goldne Menschen, Silbermenschen!
Spricht ein Lump von einem Toman,
Ist die Rede nur von Silber,
Ist gemeint ein Silbertoman.
Doch im Munde eines Fürsten,
Eines Schaches, ist ein Toman
Gülden stets; ein Schach empfängt
Und er gibt nur goldne Toman.
Also denken brave Leute,
Also dachte auch Firdusi,
Der Verfasser des berühmten
Und vergötterten »Schach Nameh«.
Dieses große Heldenlied
Schrieb er auf Geheiß des Schaches,
Der für jeden seiner Verse
Einen Toman ihm versprochen.
Siebzehnmal die Rose blühte,
Siebzehnmal ist sie verwelket,
Und die Nachtigall besang sie
Und verstummte siebzehnmal –
Unterdessen saß der Dichter
An dem Webstuhl des Gedankens,
Tag und Nacht, und webte emsig
Seines Liedes Riesenteppich –
Riesenteppich, wo der Dichter
Wunderbar hineingewebt
Seiner Heimat Fabelchronik,
Farsistans uralte Kön’ge,
Lieblingshelden seines Volkes,
Rittertaten, Aventüren,
Zauberwesen und Dämonen,
Keck umrankt von Märchenblumen –
Alles blühend und lebendig,
Farbenglänzend, glühend, brennend,
Und wie himmlisch angestrahlt
Von dem heil’gen Lichte Irans,
Von dem göttlich reinen Urlicht,
Dessen letzter Feuertempel,
Trotz dem Koran und dem Mufti,
In des Dichters Herzen flammte.
Als vollendet war das Lied,
Überschickte seinem Gönner
Der Poet das Manuskript,
Zweimalhunderttausend Verse.
In der Badestube war es,
In der Badestub’ zu Gasna,
Wo des Schaches schwarze Boten
Den Firdusi angetroffen –
Jeder schleppte einen Geldsack,
Den er zu des Dichters Füßen
Kniend legte, als den hohen
Ehrensold für seine Dichtung.
Der Poet riß auf die Säcke
Hastig, um am lang entbehrten
Goldesanblick sich zu laben –
Da gewahrt’ er mit Bestürzung,
Daß der Inhalt dieser Säcke
Bleiches Silber, Silbertomans,
Zweimalhunderttausend etwa –
Und der Dichter lachte bitter.
Bitter lachend hat er jene
Summe abgeteilt in drei
Gleiche Teile, und jedwedem
Von den beiden schwarzen Boten
Schenkte er als Botenlohn
Solch ein Drittel, und das dritte
Gab er einem Badeknechte,
Der sein Bad besorgt, als Trinkgeld.
Seinen Wanderstab ergriff er
Jetzo und verließ die Hauptstadt;
Vor dem Tor hat er den Staub
Abgefegt von seinen Schuhen.
2.
»Hätt er menschlich ordinär
Nicht gehalten, was versprochen,
Hätt er nur sein Wort gebrochen,
Zürnen wollt ich nimmermehr.
Aber unverzeihlich ist,
Daß er mich getäuscht so schnöde
Durch den Doppelsinn der Rede
Und des Schweigens größre List.
Stattlich war er, würdevoll
Von Gestalt und von Gebärden,
Wen’ge glichen ihm auf Erden,
War ein König jeder Zoll.
Wie die Sonn’ am Himmelsbogen,
Feuerblicks, sah er mich an,
Er, der Wahrheit stolzer Mann –
Und er hat mich doch belogen.«
3.
Schach Mahomet hat gut gespeist,
Und gut gelaunet ist sein Geist.
Im dämmernden Garten, auf purpurnem Pfühl,
Am Springbrunn sitzt er. Das plätschert so kühl!
Die Diener stehen mit Ehrfurchtsmienen;
Sein Liebling Ansari ist unter ihnen.
Aus Marmorvasen quillt hervor
Ein üppig brennender Blumenflor.
Gleich Odalisken anmutiglich
Die schlanken Palmen fächern sich.
Es stehen regungslos die Zypressen,
Wie himmelträumend, wie weltvergessen.
Doch
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