Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
Vom Netzwerk:
verschlafnen Schattenglieder,
    Treten aus der Wand und wandeln
    Durch die Säle auf und nieder.
    Trautes Flüstern, sanftes Tändeln,
    Wehmutsüße Heimlichkeiten,
    Und postume Galantrie
    Aus des Minnesanges Zeiten:
    »Geoffroy! Mein totes Herz
    Wird erwärmt von deiner Stimme,
    In den längst erloschnen Kohlen
    Fühl ich wieder ein Geglimme!«
    »Melisande! Glück und Blume!
    Wenn ich dir ins Auge sehe,
    Leb ich auf – gestorben ist
    Nur mein Erdenleid und – wehe.«
    »Geoffroy! Wir liebten uns
    Einst im Traume, und jetzunder
    Lieben wir uns gar im Tode –
    Gott Amour tat dieses Wunder!«
    »Melisande! Was ist Traum?
    Was ist Tod? Nur eitel Töne.
    In der Liebe nur ist Wahrheit,
    Und dich lieb ich, ewig Schöne.«
    »Geoffroy! Wie traulich ist es
    Hier im stillen Mondscheinsaale,
    Möchte nicht mehr draußen wandeln
    In des Tages Sonnenstrahle.«
    »Melisande! teure Närrin,
    Du bist selber Licht und Sonne,
    Wo du wandelst, blüht der Frühling,
    Sprossen Lieb’ und Maienwonne!«
    Also kosen, also wandeln
    Jene zärtlichen Gespenster
    Auf und ab, derweil das Mondlicht
    Lauschet durch die Bogenfenster.
    Doch den holden Spuk vertreibend,
    Kommt am End’ die Morgenröte –
    Jene huschen scheu zurück
    In die Wand, in die Tapete.
    Der Dichter Firdusi
1.
    Goldne Menschen, Silbermenschen!
    Spricht ein Lump von einem Toman,
    Ist die Rede nur von Silber,
    Ist gemeint ein Silbertoman.
    Doch im Munde eines Fürsten,
    Eines Schaches, ist ein Toman
    Gülden stets; ein Schach empfängt
    Und er gibt nur goldne Toman.
    Also denken brave Leute,
    Also dachte auch Firdusi,
    Der Verfasser des berühmten
    Und vergötterten »Schach Nameh«.
    Dieses große Heldenlied
    Schrieb er auf Geheiß des Schaches,
    Der für jeden seiner Verse
    Einen Toman ihm versprochen.
    Siebzehnmal die Rose blühte,
    Siebzehnmal ist sie verwelket,
    Und die Nachtigall besang sie
    Und verstummte siebzehnmal –
    Unterdessen saß der Dichter
    An dem Webstuhl des Gedankens,
    Tag und Nacht, und webte emsig
    Seines Liedes Riesenteppich –
    Riesenteppich, wo der Dichter
    Wunderbar hineingewebt
    Seiner Heimat Fabelchronik,
    Farsistans uralte Kön’ge,
    Lieblingshelden seines Volkes,
    Rittertaten, Aventüren,
    Zauberwesen und Dämonen,
    Keck umrankt von Märchenblumen –
    Alles blühend und lebendig,
    Farbenglänzend, glühend, brennend,
    Und wie himmlisch angestrahlt
    Von dem heil’gen Lichte Irans,
    Von dem göttlich reinen Urlicht,
    Dessen letzter Feuertempel,
    Trotz dem Koran und dem Mufti,
    In des Dichters Herzen flammte.
    Als vollendet war das Lied,
    Überschickte seinem Gönner
    Der Poet das Manuskript,
    Zweimalhunderttausend Verse.
    In der Badestube war es,
    In der Badestub’ zu Gasna,
    Wo des Schaches schwarze Boten
    Den Firdusi angetroffen –
    Jeder schleppte einen Geldsack,
    Den er zu des Dichters Füßen
    Kniend legte, als den hohen
    Ehrensold für seine Dichtung.
    Der Poet riß auf die Säcke
    Hastig, um am lang entbehrten
    Goldesanblick sich zu laben –
    Da gewahrt’ er mit Bestürzung,
    Daß der Inhalt dieser Säcke
    Bleiches Silber, Silbertomans,
    Zweimalhunderttausend etwa –
    Und der Dichter lachte bitter.
    Bitter lachend hat er jene
    Summe abgeteilt in drei
    Gleiche Teile, und jedwedem
    Von den beiden schwarzen Boten
    Schenkte er als Botenlohn
    Solch ein Drittel, und das dritte
    Gab er einem Badeknechte,
    Der sein Bad besorgt, als Trinkgeld.
    Seinen Wanderstab ergriff er
    Jetzo und verließ die Hauptstadt;
    Vor dem Tor hat er den Staub
    Abgefegt von seinen Schuhen.
    2.
    »Hätt er menschlich ordinär
    Nicht gehalten, was versprochen,
    Hätt er nur sein Wort gebrochen,
    Zürnen wollt ich nimmermehr.
    Aber unverzeihlich ist,
    Daß er mich getäuscht so schnöde
    Durch den Doppelsinn der Rede
    Und des Schweigens größre List.
    Stattlich war er, würdevoll
    Von Gestalt und von Gebärden,
    Wen’ge glichen ihm auf Erden,
    War ein König jeder Zoll.
    Wie die Sonn’ am Himmelsbogen,
    Feuerblicks, sah er mich an,
    Er, der Wahrheit stolzer Mann –
    Und er hat mich doch belogen.«
    3.
    Schach Mahomet hat gut gespeist,
    Und gut gelaunet ist sein Geist.
    Im dämmernden Garten, auf purpurnem Pfühl,
    Am Springbrunn sitzt er. Das plätschert so kühl!
    Die Diener stehen mit Ehrfurchtsmienen;
    Sein Liebling Ansari ist unter ihnen.
    Aus Marmorvasen quillt hervor
    Ein üppig brennender Blumenflor.
    Gleich Odalisken anmutiglich
    Die schlanken Palmen fächern sich.
    Es stehen regungslos die Zypressen,
    Wie himmelträumend, wie weltvergessen.
    Doch

Weitere Kostenlose Bücher