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Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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plötzlich erklingt bei Lautenklang
    Ein sanft geheimnisvoller Gesang.
    Der Schach fährt auf, als wie behext –
    »Von wem ist dieses Liedes Text?«
    Ansari, an welchen die Frage gerichtet,
    Gab Antwort: »Das hat Firdusi gedichtet.«
    »Firdusi?« – rief der Fürst betreten –
    »Wo ist er? Wie geht es dem großen Poeten?«
    Ansari gab Antwort: »In Dürftigkeit
    Und Elend lebt er seit langer Zeit
    Zu Thus, des Dichters Vaterstadt,
    Wo er ein kleines Gärtchen hat.«
    Schach Mahomet schwieg, eine gute Weile,
    Dann sprach er: »Ansari, mein Auftrag hat Eile –
    Geh nach meinen Ställen und erwähle
    Dort hundert Maultiere und funfzig Kamele.
    Die sollst du belasten mit allen Schätzen,
    Die eines Menschen Herz ergötzen,
    Mit Herrlichkeiten und Raritäten,
    Kostbaren Kleidern und Hausgeräten
    Von Sandelholz, von Elfenbein,
    Mit güldnen und silbernen Schnurrpfeiferein,
    Kannen und Kelchen, zierlich gehenkelt,
    Lepardenfellen, groß gesprenkelt,
    Mit Teppichen, Schals und reichen Brokaten,
    Die fabriziert in meinen Staaten –
    Vergiß nicht, auch hinzuzupacken
    Glänzende Waffen und Schabracken,
    Nicht minder Getränke jeder Art
    Und Speisen, die man in Töpfen bewahrt,
    Auch Konfitüren und Mandeltorten,
    Und Pfefferkuchen von allen Sorten.
    Füge hinzu ein Dutzend Gäule,
    Arabischer Zucht, geschwind wie Pfeile,
    Und schwarze Sklaven gleichfalls ein Dutzend,
    Leiber von Erz, strapazentrutzend.
    Ansari, mit diesen schönen Sachen
    Sollst du dich gleich auf die Reise machen.
    Du sollst sie bringen nebst meinem Gruß
    Dem großen Dichter Firdusi zu Thus.«
    Ansari erfüllte des Herrschers Befehle,
    Belud die Mäuler und Kamele
    Mit Ehrengeschenken, die wohl den Zins
    Gekostet von einer ganzen Provinz.
    Nach dreien Tagen verließ er schon
    Die Residenz, und in eigner Person,
    Mit einer roten Führerfahne,
    Ritt er voran der Karawane.
    Am achten Tage erreichten sie Thus;
    Die Stadt liegt an des Berges Fuß.
    Wohl durch das Westtor zog herein
    Die Karawane mit Lärmen und Schrein.
    Die Trommel scholl, das Kuhhorn klang,
    Und lautaufjubelt Triumphgesang.
    »La Illa Il Allah!« aus voller Kehle
    Jauchzten die Treiber der Kamele.
    Doch durch das Osttor, am andern End’
    Von Thus, zog in demselben Moment
    Zur Stadt hinaus der Leichenzug,
    Der den toten Firdusi zu Grabe trug.
    Nächtliche Fahrt
    Es wogte das Meer, aus dem dunklen Gewölk
    Der Halbmond lugte scheu;
    Und als wir stiegen in den Kahn,
    Wir waren unsrer drei.
    Es plätschert’ im Wasser des Ruderschlags
    Verdrossenes Einerlei;
    Weißschäumende Wellen rauschten heran,
    Bespritzten uns alle drei.
    Sie stand im Kahn so blaß, so schlank,
    Und unbeweglich dabei,
    Als wär sie ein welsches Marmorbild,
    Dianens Konterfei.
    Der Mond verbirgt sich ganz. Es pfeift
    Der Nachtwind kalt vorbei;
    Hoch über unsern Häuptern ertönt
    Plötzlich ein gellender Schrei.
    Die weiße, gespenstische Möwe war’s,
    Und ob dem bösen Schrei,
    Der schauerlich klang wie Warnungsruf,
    Erschraken wir alle drei.
    Bin ich im Fieber? Ist das ein Spuk
    Der nächtlichen Phantasei?
    Äfft mich ein Traum? Es träumet mir
    Grausame Narretei.
    Grausame Narretei! Mir träumt,
    Daß ich ein Heiland sei,
    Und daß ich trüge das große Kreuz
    Geduldig und getreu.
    Die arme Schönheit ist schwer bedrängt,
    Ich aber mache sie frei
    Von Schmach und Sünde, von Qual und Not,
    Von der Welt Unfläterei.
    Du arme Schönheit, schaudre nicht
    Wohl ob der bittern Arznei;
    Ich selber kredenze dir den Tod,
    Bricht auch mein Herz entzwei.
    O Narretei, grausamer Traum,
    Wahnsinn und Raserei!
    Es gähnt die Nacht, es kreischt das Meer,
    O Gott! o steh mir bei!
    O steh mir bei, barmherziger Gott!
    Barmherziger Gott Schaddey!
    Da schollert’s hinab ins Meer – O Weh –
    Schaddey! Schaddey! Adonay! –
    Die Sonne ging auf, wir fuhren ans Land,
    Da blühte und glühte der Mai!
    Und als wir stiegen aus dem Kahn,
    Da waren wir unsrer
zwei
.
    Vitzliputzli
Präludium
    Dieses ist Amerika!
    Dieses ist die Neue Welt!
    Nicht die heutige, die schon
    Europäisieret abwelkt. –
    Dieses ist die Neue Welt,
    Wie sie Christoval Kolumbus
    Aus dem Ozean hervorzog.
    Glänzet noch in Flutenfrische,
    Träufelt noch von Wasserperlen,
    Die zerstieben, farbensprühend,
    Wenn sie küßt das Licht der Sonne.
    Wie gesund ist diese Welt!
    Ist kein Kirchhof der Romantik,
    Ist kein alter Scherbenberg
    Von verschimmelten Symbolen
    Und versteinerten Perucken.
    Aus gesundem Boden sprossen
    Auch gesunde Bäume – keiner
    Ist blasiert

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