Sämtliche Werke
plötzlich erklingt bei Lautenklang
Ein sanft geheimnisvoller Gesang.
Der Schach fährt auf, als wie behext –
»Von wem ist dieses Liedes Text?«
Ansari, an welchen die Frage gerichtet,
Gab Antwort: »Das hat Firdusi gedichtet.«
»Firdusi?« – rief der Fürst betreten –
»Wo ist er? Wie geht es dem großen Poeten?«
Ansari gab Antwort: »In Dürftigkeit
Und Elend lebt er seit langer Zeit
Zu Thus, des Dichters Vaterstadt,
Wo er ein kleines Gärtchen hat.«
Schach Mahomet schwieg, eine gute Weile,
Dann sprach er: »Ansari, mein Auftrag hat Eile –
Geh nach meinen Ställen und erwähle
Dort hundert Maultiere und funfzig Kamele.
Die sollst du belasten mit allen Schätzen,
Die eines Menschen Herz ergötzen,
Mit Herrlichkeiten und Raritäten,
Kostbaren Kleidern und Hausgeräten
Von Sandelholz, von Elfenbein,
Mit güldnen und silbernen Schnurrpfeiferein,
Kannen und Kelchen, zierlich gehenkelt,
Lepardenfellen, groß gesprenkelt,
Mit Teppichen, Schals und reichen Brokaten,
Die fabriziert in meinen Staaten –
Vergiß nicht, auch hinzuzupacken
Glänzende Waffen und Schabracken,
Nicht minder Getränke jeder Art
Und Speisen, die man in Töpfen bewahrt,
Auch Konfitüren und Mandeltorten,
Und Pfefferkuchen von allen Sorten.
Füge hinzu ein Dutzend Gäule,
Arabischer Zucht, geschwind wie Pfeile,
Und schwarze Sklaven gleichfalls ein Dutzend,
Leiber von Erz, strapazentrutzend.
Ansari, mit diesen schönen Sachen
Sollst du dich gleich auf die Reise machen.
Du sollst sie bringen nebst meinem Gruß
Dem großen Dichter Firdusi zu Thus.«
Ansari erfüllte des Herrschers Befehle,
Belud die Mäuler und Kamele
Mit Ehrengeschenken, die wohl den Zins
Gekostet von einer ganzen Provinz.
Nach dreien Tagen verließ er schon
Die Residenz, und in eigner Person,
Mit einer roten Führerfahne,
Ritt er voran der Karawane.
Am achten Tage erreichten sie Thus;
Die Stadt liegt an des Berges Fuß.
Wohl durch das Westtor zog herein
Die Karawane mit Lärmen und Schrein.
Die Trommel scholl, das Kuhhorn klang,
Und lautaufjubelt Triumphgesang.
»La Illa Il Allah!« aus voller Kehle
Jauchzten die Treiber der Kamele.
Doch durch das Osttor, am andern End’
Von Thus, zog in demselben Moment
Zur Stadt hinaus der Leichenzug,
Der den toten Firdusi zu Grabe trug.
Nächtliche Fahrt
Es wogte das Meer, aus dem dunklen Gewölk
Der Halbmond lugte scheu;
Und als wir stiegen in den Kahn,
Wir waren unsrer drei.
Es plätschert’ im Wasser des Ruderschlags
Verdrossenes Einerlei;
Weißschäumende Wellen rauschten heran,
Bespritzten uns alle drei.
Sie stand im Kahn so blaß, so schlank,
Und unbeweglich dabei,
Als wär sie ein welsches Marmorbild,
Dianens Konterfei.
Der Mond verbirgt sich ganz. Es pfeift
Der Nachtwind kalt vorbei;
Hoch über unsern Häuptern ertönt
Plötzlich ein gellender Schrei.
Die weiße, gespenstische Möwe war’s,
Und ob dem bösen Schrei,
Der schauerlich klang wie Warnungsruf,
Erschraken wir alle drei.
Bin ich im Fieber? Ist das ein Spuk
Der nächtlichen Phantasei?
Äfft mich ein Traum? Es träumet mir
Grausame Narretei.
Grausame Narretei! Mir träumt,
Daß ich ein Heiland sei,
Und daß ich trüge das große Kreuz
Geduldig und getreu.
Die arme Schönheit ist schwer bedrängt,
Ich aber mache sie frei
Von Schmach und Sünde, von Qual und Not,
Von der Welt Unfläterei.
Du arme Schönheit, schaudre nicht
Wohl ob der bittern Arznei;
Ich selber kredenze dir den Tod,
Bricht auch mein Herz entzwei.
O Narretei, grausamer Traum,
Wahnsinn und Raserei!
Es gähnt die Nacht, es kreischt das Meer,
O Gott! o steh mir bei!
O steh mir bei, barmherziger Gott!
Barmherziger Gott Schaddey!
Da schollert’s hinab ins Meer – O Weh –
Schaddey! Schaddey! Adonay! –
Die Sonne ging auf, wir fuhren ans Land,
Da blühte und glühte der Mai!
Und als wir stiegen aus dem Kahn,
Da waren wir unsrer
zwei
.
Vitzliputzli
Präludium
Dieses ist Amerika!
Dieses ist die Neue Welt!
Nicht die heutige, die schon
Europäisieret abwelkt. –
Dieses ist die Neue Welt,
Wie sie Christoval Kolumbus
Aus dem Ozean hervorzog.
Glänzet noch in Flutenfrische,
Träufelt noch von Wasserperlen,
Die zerstieben, farbensprühend,
Wenn sie küßt das Licht der Sonne.
Wie gesund ist diese Welt!
Ist kein Kirchhof der Romantik,
Ist kein alter Scherbenberg
Von verschimmelten Symbolen
Und versteinerten Perucken.
Aus gesundem Boden sprossen
Auch gesunde Bäume – keiner
Ist blasiert
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