Sämtliche Werke
Daß dieses aber stattfinden muß, sobald in Frankreich die Republik proklamiert würde, unterliegt keinem Zweifel.
Während die Friedenszeit, die wir jetzt genießen, sehr günstig ist für die Verbreitung der republikanischen Lehren, löst sie unter den Republikanern selbst alle Bande der Einigkeit; der argwöhnische Geist dieser Leute muß durch die Tat beschäftigt werden, sonst gerät er in spitzfindige Diskussionen und Zwistreden, die in bittere Feindschaften ausarten. Sie haben wenig Liebe für ihre Freunde und sehr viel Haß für diejenigen, die durch Gewalt des fortschreitenden Nachdenkens sich einer entgegengesetzten Ansicht zuneigen. Mit einer Beschuldigung des Ehrgeizes, wo nicht gar der Bestechlichkeit sind sie alsdann sehr freigebig. In ihrer Beschränktheit pflegen sie nie zu begreifen, daß ihre früheren Bundesgenossen manchmal durch Meinungsverschiedenheit gezwungen werden sich von ihnen zu entfernen. Unfähig, die rationellen Gründe solcher Entfernung zu ahnen, schreien sie gleich über pekuniäre Motive. Dieses Geschrei ist charakteristisch. Die Republikaner haben sich nun einmal mit dem Gelde aufs feindlichste überworfen, alles, was ihnen Schlimmes begegnet, wird dem Einfluß des Geldes zugeschrieben; und in der Tat, das Geld dient ihren Gegnern als Barrikade, als Schutz und Wehr, ja das Geld ist vielleicht ihr eigentlicher Gegner, der heutige Pitt, der heutige Koburg, und sie schimpfen darauf in altsansculottischer Weise. Im Grunde leitet sie ein richtiger Instinkt. Von jener neuen Doktrin, die alle sozialen Fragen von einem höheren Gesichtspunkt betrachtet und von dem banalen Republikanismus sich ebenso glänzend unterscheidet wie ein kaiserliches Purpurgewand von einem grauen Gleichheitskittel, davon haben unsere Republikaner wenig zu fürchten; denn wie sie selber, ist auch die große Menge noch entfernt von jener Doktrin. Die große Menge, der hohe und niedere Plebs, del edle Bürgerstand, der bürgerliche Adel, sämtliche Honoratioren der lieben Mittelmäßigkeit, begreifen ganz gut den Republikanismus – eine Lehre, wozu nicht viel Vorkenntnisse gehören, die zugleich allen ihren Kleingefühlen und Verflachungsgedanken zusagt und die sie auch öffentlich bekennen würden, gerieten sie nicht dadurch in einen Konflikt – mit dem Gelde. Jeder Taler ist ein tapferer Bekämpfer des Republikanismus und jeder Dukaten ein Achilles. Ein Republikaner haßt daher das Geld mit großem Recht, und wird er dieses Feindes habhaft, ach! so ist der Sieg noch schlimmer als eine Niederlage: der Republikaner, der sich des Geldes bemächtigte, hat aufgehört, ein Republikaner zu sein!
Wie die Sympathie, die der Republikanismus erregt, dennoch durch die Geldinteressen beständig niedergehalten wird, bemerkte ich dieser Tage im Gespräche mit einem sehr aufgeklärten Bankier, der im größten Eifer zu mir sagte: »Wer bestreitet denn die Vorzüge der republikanischen Verfassung? Ich selber bin manchmal ganz Republikaner. Sehen Sie, stecke ich die Hand in die rechte Hosentasche, worin mein Geld ist, so macht die Berührung mit dem kalten Metall mich zittern, ich fürchte für mein Eigentum, und ich fühle mich monarchisch gesinnt; stecke ich hingegen die Hand in die linke Hosentasche, welche leer ist, dann schwindet gleich alle Furcht, und ich pfeife lustig die Marseillaise, und ich stimme für die Republik!« –
Wie die Republikaner sind auch die Legitimisten beschäftigt, die jetzige Friedenszeit zur Aussaat zu benutzen, und besonders in den stillen Boden der Provinz streuen sie den Samen, woraus ihr Heil erblühen soll. Das meiste erwarten sie von der Propaganda, die, durch Erziehungsanstalten und Bearbeitung des Landvolks, die Autorität der Kirche wiederherzustellen trachtet. Mit dem Glauben der Väter sollen auch die Rechte der Väter wieder zu Ansehen kommen. Man sieht daher Frauen von der adeligsten Geburt, die, gleichsam als Ladies patronesses der Religion, ihre devoten Gesinnungen zur Schau tragen, überall Seelen für den Himmel anwerben und durch ihr elegantes Beispiel die ganze vornehme Welt in die Kirchen locken. Auch waren die Kirchen nie voller als letzte Ostern. Besonders nach Saint-Roch und Notre-Dame de Lorette drängte sich die geputzte Andacht; hier glänzten die schwärmerisch schönsten Toiletten, hier reichte der fromme Dandy das Weihwasser mit weißen Glacéhandschuhen, hier beteten die Grazien. Wird dies lange währen? Wird diese Religiosität, wenn sie die Vogue der Mode
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