Saemtliche Werke von Heinrich von Kleist (Illustrierte) (German Edition)
Scheitern des Phöbus-Projektes und dem Bruch mit Adam Müller in Dresden brach Kleist mit dem acht Jahre jüngeren Friedrich Christoph Dahlmann nach Prag auf. Dort wollten sie den Krieg mit patriotischer Propaganda unterstützen und ein literarisches Wochenblatt veröffentlichen, die Germania. Ziel war es, die Deutschen in den Volkskrieg zu treiben, ähnlich wie Andreas Hofer und die Spanier dies bereits vorgemacht hatten. Als der Krieg schon im Sommer endete und die Hoffnungen der deutschen Patrioten auf ein Eingreifen Preußens und Russlands sich zerschlagen hatten, gaben Kleist und Dahlmann ihr Vorhaben auf. Die Früchte dieser Zeit, die Hermannsschlacht und das Gedicht Germania an ihre Kinder sind neben dem Katechismus der Deutschen die prominentesten politisch-nationalistischen Dichtungen Kleists.
Intention des Textes
Der Text sollte ursprünglich in der von Kleist und Friedrich Christoph Dahlmann geplanten Zeitschrift Germania veröffentlicht werden; er ist ein politisch-satirischer Text, der einen deutschen Nationalismus entstehen lassen will. Kleist bezweckte mit diesem Text wie auch mit dem 1808 verfassten Tendenzdrama Stück Die Hermannsschlacht eine Erhebung der Deutschen gegen die französischen Besatzer, eben auch im Bezug auf den spanischen Guerilla-Krieg gegen Napoleon.
Katechismus der deutschen abgefaßt nach dem Spanischen, zum Gebrauch für Kinder und Alte
In sechzehn Kapiteln
Erstes Kapitel
Von Deutschland überhaupt
Frage. Sprich, Kind, wer bist du?
Antwort. Ich bin ein Deutscher.
Frage. Ein Deutscher? Du scherzest. Du bist in Meißen geboren, und das Land, dem Meißen angehört, heißt Sachsen!
Antwort. Ich bin in Meißen geboren, und das Land, dem Meißen angehört, heißt Sachsen; aber mein Vaterland, das Land dem Sachsen angehört, ist Deutschland, und dein Sohn, mein Vater, ist ein Deutscher.
Frage. Du träumst! Ich kenne kein Land, dem Sachsen angehört, es müßte denn das rheinische Bundesland sein. Wo find ich es, dies Deutschland, von dem du sprichst, und wo liegt es?
Antwort. Hier, mein Vater. – Verwirre mich nicht.
Frage. Wo?
Antwort. Auf der Karte.
Frage. Ja, auf der Karte! – Diese Karte ist vom Jahr 1805.– Weißt du nicht, was geschehn ist, im Jahr 1805, da der Friede von Preßburg abgeschlossen war?
Antwort. Napoleon, der korsische Kaiser, hat es, nach dem Frieden, durch eine Gewalttat zertrümmert.
Frage. Nun? Und gleichwohl wäre es noch vorhanden?
Antwort. Gewiß! – Was fragst du mich doch.
Frage. Seit wann?
Antwort. Seit Franz der Zweite, der alte Kaiser der Deutschen, wieder aufgestanden ist, um es herzustellen, und der tapfreFeldherr, den er bestellte, das Volk aufgerufen hat, sich an die Heere, die er anführt, zur Befreiung des Landes, anzuschließen.
Zweites Kapitel
Von der Liebe zum Vaterlande
Frage. Du liebst dein Vaterland, nicht wahr, mein Sohn?
Antwort. Ja, mein Vater; das tu ich.
Frage. Warum liebst du es?
Antwort. Weil es mein Vaterland ist.
Frage. Du meinst, weil Gott es gesegnet hat mit vielen Früchten, weil viele schöne Werke der Kunst es schmücken, weil Helden, Staatsmänner und Weise, deren Namen anzuführen kein Ende ist, es verherrlicht haben?
Antwort. Nein, mein Vater; du verführst mich.
Frage. Ich verführte dich?
Antwort. – Denn Rom und das ägyptische Delta sind, wie du mich gelehrt hast, mit Früchten und schönen Werken der Kunst, und allem, was groß und herrlich sein mag, weit mehr gesegnet, als Deutschland. Gleichwohl, wenn deines Sohnes Schicksal wollte, daß er darin leben sollte, würde er sich traurig fühlen, und es nimmermehr so lieb haben, wie jetzt Deutschland.
Frage. Warum also liebst du Deutschland?
Antwort. Mein Vater, ich habe es dir schon gesagt!
Frage. Du hättest es mir schon gesagt?
Antwort. Weil es mein Vaterland ist.
Drittes Kapitel
Von der Zertrümmerung des Vaterlandes
Frage. Was ist deinem Vaterlande jüngsthin widerfahren? Antwort. Napoleon, Kaiser der Franzosen, hat es, mitten im Frieden, zertrümmert, und mehrere Völker, die es bewohnen, unterjocht.
Frage. Warum hat er dies getan?
Antwort. Das weiß ich nicht.
Frage. Das weißt du nicht?
Antwort. – Weil er ein böser Geist ist.
Frage. Ich will dir sagen, mein Sohn: Napoleon behauptet, er sei von den Deutschen beleidigt worden.
Antwort. Nein, mein Vater, das ist er nicht.
Frage. Warum nicht?
Antwort. Die Deutschen haben ihn niemals beleidigt.
Frage. Kennst du die ganze Streitfrage,
Weitere Kostenlose Bücher