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Saemtliche Werke von Heinrich von Kleist (Illustrierte) (German Edition)

Saemtliche Werke von Heinrich von Kleist (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Saemtliche Werke von Heinrich von Kleist (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich von Kleist
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stillen für dich wiederholt?
    Antwort. Gestern abend, als ich zu Bette ging, und heute morgen, als ich aufstand.
    Frage. Und wann wirst du es wieder wiederholen?
    Antwort. Heute abend, wenn ich zu Bette gehe, und morgen früh, wenn ich aufstehe.
    Frage. Gleichwohl, sagt man, soll er viel Tugenden besitzen. Das Geschäft der Unterjochung der Erde soll er mit List, Gewandtheit und Kühnheit vollziehn, und besonders, an dem Tage der Schlacht, ein großer Feldherr sein.
    Antwort. Ja, mein Vater; so sagt man.
    Frage. Man sagt es nicht bloß; er ist es.
    Antwort. Auch gut; er ist es.
    Frage. Meinst du nicht, daß er, um dieser Eigenschaften willen, Bewunderung und Verehrung verdiene?
    Antwort. Du scherzest, mein Vater.
    Frage. Warum nicht?
    Antwort. Das wäre ebenso feig, als ob ich die Geschicklichkeit, die einem Menschen im Ringen beiwohnt, in dem Augenblick bewundern wollte, da er mich in den Kot wirft und mein Antlitz mit Füßen tritt.
    Frage. Wer also, unter den Deutschen, mag ihn bewundern?
    Antwort. Die obersten Feldherrn etwa, und die Kenner der Kunst.
    Frage. Und auch diese, wann mögen sie es erst tun?
    Antwort. Wenn er vernichtet ist.
     
    Achtes Kapitel
     
    Von der Erziehung der Deutschen
    Frage. Was mag die Vorsehung wohl damit, mein Sohn, daß sie die Deutschen so grimmig durch Napoleon, den Korsen, aus ihrer Ruhe aufgeschreckt hat, bezweckt haben?
    Antwort. Das weiß ich nicht.
    Frage. Das weißt du nicht?
    Antwort. Nein, mein Vater.
    Frage. Ich auch nicht. Ich schieße nur, mit meinem Urteil, ins Blaue hinein. Treffe ich, so ist es gut; wo nicht, so ist an dem Schuß nichts verloren. – Tadelst du dies Unternehmen?
    Antwort. Keineswegs, mein Vater.
    Frage. Vielleicht meinst du, die Deutschen befanden sich schon,wie die Sachen stehn, auf dem Gipfel aller Tugend, alles Heils und alles Ruhms?
    Antwort. Keineswegs, mein Vater.
    Frage. Oder waren wenigstens auf gutem Wege, ihn zu erreichen?
    Antwort. Nein, mein Vater; das auch nicht.
    Frage. Von welcher Unart habe ich dir zuweilen gesprochen?
    Antwort. Von einer Unart?
    Frage. Ja; die dem lebenden Geschlecht anklebt.
    Antwort. Der Verstand der Deutschen, hast du mir gesagt, habe, durch einige scharfsinnige Lehrer, einen Überreiz bekommen; sie reflektierten, wo sie empfinden oder handeln sollten, meinten, alles durch ihren Witz bewerkstelligen zu können, und gäben nichts mehr auf die alte, geheimnisvolle Kraft der Herzen.
    Frage. Findest du nicht, daß die Unart, die du mir beschreibst, zum Teil auch auf deinem Vater ruht, indem er dich katechisiert?
    Antwort. Ja, mein lieber Vater.
    Frage. Woran hingen sie, mit unmäßiger und unedler Liebe?
    Antwort. An Geld und Gut, trieben Handel und Wandel damit, daß ihnen der Schweiß, ordentlich des Mitleidens würdig, von der Stirn triefte, und meinten, ein ruhiges, gemächliches und sorgenfreies Leben sei alles, was sich in der Welt erringen ließe.
    Frage. Warum also mag das Elend wohl, das in der Zeit ist, über sie gekommen, ihre Hütten zerstört und ihre Felder verheert worden sein?
    Antwort. Um ihnen diese Güter völlig verächtlich zu machen, und sie anzuregen, nach den höheren und höchsten, die Gott den Menschen beschert hat, hinanzustreben.
    Frage. Und welches sind die höchsten Güter der Menschen?
    Antwort. Gott, Vaterland, Kaiser, Freiheit, Liebe und Treue, Schönheit, Wissenschaft und Kunst.
     
    Neuntes Kapitel
     
    Eine Nebenfrage
    Frage. Sage mir, mein Sohn, wohin kommt der, welcher liebt? In den Himmel oder in die Hölle?
    Antwort. In den Himmel.Frage. Und der, welcher haßt?
    Antwort. In die Hölle.
    Frage. Aber derjenige, welcher weder liebt noch haßt: wohin kommt der?
    Antwort. Welcher weder liebt noch haßt?
    Frage. Ja! – Hast du die schöne Fabel vergessen?
    Antwort. Nein, mein Vater.
    Frage. Nun? Wohin kommt er?
    Antwort. Der kommt in die siebente, tiefste und unterste Hölle.
     
    Zehntes Kapitel
     
    Von der Verfassung der Deutschen
    Frage. Wer ist der Herr der Deutschen?
    Antwort. Die Deutschen, hast du mich gelehrt, haben keinen Herrn.
    Frage. Die Deutschen hätten keinen Herrn? Da hast du mich falsch verstanden. Dein eigner Herr, zum Beispiel, ist der König von Sachsen.
    Antwort. Der König von Sachsen?
    Frage. Ja; der König von Sachsen!
    Antwort. Das war dieser edle Herr, mein Vater, als er noch dem Vaterlande diente. Er wird es auch wieder werden, so gewiß als er zu seiner Pflicht, die ihm befiehlt, sich dem Vaterlande zu weihen, zurückkehrt. Doch jetzt, da er sich, durch

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