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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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Leipzig ihm die besten Aussichten zum Fortkommen eröffne. In dieser großen aufblühenden Handelsstadt würde es ein Leichtes sein, sich durch Freitische und Stundengeben – »Informationen« nannte man es damals – durchzuschlagen, und Jean Paul brauche von Hause kaum mehr als ein Armutszeugnis mitzubringen. Nach Wunsiedel wurde an den Stadtsyndikus Ruß geschrieben, damit er sich beim Superintendenten Esper für Empfehlungen zu Freitischen und Stipendien verwende. So war nur etwas noch zu tun: die Prüfung vor dem Konsistorium in Baireuth abzulegen, die für alle vorgeschrieben war, die eine auswärtige Universität – Landesuniversität war Erlangen – beziehen wollten. Ein Verwandter lieh ihm zu dieser bedeutsamen Reise ein Pferd, das einzige, das Jean Paul in seinem Leben bestiegen hat. Aber nach altem Brauch mußte diese Reise zu Pferde zurückgelegt werden. So trabte der Jüngling denn stolz durch den blühenden Frühling der Stadt entgegen, die für ihn später so bedeutsam werden sollte. In den »Flegeljahren« hat er später diesen Ritt und den Gaul geschildert, welcher »vielleicht aus den Zeiten der Apokalypse stammte und längst statt des eigenen immer nur fremdes Fleisch trug«.
    Wenige Wochen später, am 19. Mai 1781, traf er in Begleitung des Höfer Rektors Kirsch und des Freundes Oerthel in Leipzig ein und wurde am gleichen Tag als Student der Theologie immatrikuliert.
     
    Jean Paul hatte gedacht, in eine glänzende Welt einzutreten und sich endlich bedeutenden und berühmten Männern nähern zu können. Statt dessen saß er nach der Abreise des Rektors Kirsch einsam und verlassen in der großen Stadt mit seinem Freunde Oerthel in der Dachkammer des Hauses Petersstraße 2, im Gasthof zu den drei Rosen. Der Gastwirt Körner vermietete ihm das Zimmer für sechzehn Reichstaler, aber unter der Bedingung, daß er es jedesmal zur Messe freimache, weil dann die Zimmer naturgemäß günstiger zu vermieten waren. Oerthel, der das Nebenzimmer bewohnte, war durch den Geiz seines Vaters in keiner besseren Lage. Zwar konnte man in Leipzig wohlfeil leben, für achtzehn Pfennige gab es bereits ein Mittagessen, aber mit den erwarteten Freitischen und der Möglichkeit, sich durch Informationen Geld zu verdienen, war es nichts. Die Professoren, an die die Freunde sich wandten, zuckten bedauernd die Achseln: » Lipsius vult exspectari «. Immerhin war Jean Pauls Lage den Sommer über noch nicht geradezu beängstigend. Großmutter Kuhn war damals noch imstande, die Familie ihrer Lieblingstochter vor augenblicklicher Not zu schützen. Erst im Herbst spitzten sich die Verhältnisse zu.
    Dennoch war Jean Paul vom ersten Tage an enttäuscht. Er sah sofort, daß von allen seinen Träumen sich nichts würde verwirklichen lassen. Die Welt, der er mit offenen Armen entgegengeeilt war, zeigte sich nicht geneigt, ihn an ihr Herz zu ziehen. Der ungewandte, wenig elegant gekleidete Kleinstädter fühlte überall Geringschätzung und Abwehr. Vor seinen Augen spielte sich das große Leben ab. Durch Fenster, vor Theatern und den modischen Gasthäusern tat er kleine Einblicke in die ihm verschlossene Welt der Leipziger Gesellschaft. Die Professoren fand er von eitlen Gecken umlagert und für den ärmlich Gekleideten unnahbar. Der erste Brief an Rektor Werner spiegelt seine Enttäuschung: »Die Stadt ist schön; wenn man eine Stadt schön nennet, die große Häuser und lange Gassen hat – für mich ist sie noch einförmig. Und die herrliche Gegend – die Sie mir versprachen – die find’ ich um Leipzig herum nicht. Überall ein ewiges Einerlei – keine Täler und Hügel – völlig entblößt von dem Reize, der mir die Gegend, wo Sie noch wohnen, sonst so angenehm machte.« Schon hier bricht die Sehnsucht nach der Landschaft seiner Heimat durch, die er bis dahin mit keinem Worte je erwähnt hatte. In der Steinwüste der Großstadt lernte er sie zum ersten Male sehen.
    »Die Mode ist der Tyrann, der diese Stadt beherrscht. Alles gleiset und schimmert von außen – so die Studenten –, aber von innen, wie ich einen schon kennengelernt habe, fehlt es an Kopf und Herz.« Diese Briefstelle erinnert an die entsprechenden Partien in seinem Jugendroman. Richtig hatte er das Gros damaliger studentischer Jugend voraus geschildert. Aber wie er diesem Gros die wenigen entgegensetzte, die »mit allgewaltiger Geniekraft über die Wissenschaften herfallen«, so rettete er sich selber mit kurzem Entschluß aus den niederziehenden

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