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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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dazu nur auf den Neujahrsglückwunsch für Renate Wirth zurückzugreifen und die darin angeschlagenen Töne weiterschwingen zu lassen.
    »Auf den Lilienfluren des Mondes wohnet die Mutter der Menschen mit allen ihren zahllosen Töchtern in stiller ewiger Liebe.« Wenn der Schattenzeiger der Ewigkeit auf ein neues Jahrhundert zeigt, dann schlägt der Blitz eines heißen Schmerzes durch die Brust der Mutter der Menschen, denn die geliebten Töchter, die noch nicht auf der Erde waren, müssen ihre Körper anziehen und unter die Menschen gehen, und nur die unbefleckten kehren wieder auf den Mond zu der großen Mutter zurück. Der Zeiger der Ewigkeit nahet dem achtzehnten Jahrhundert, die Welt erdröhnt unter dem Donnerschlage. Der böse Genius des Jahrhunderts ruft laut nach seinen Opfern. Maria, die geliebteste Tochter, löst sich weinend vom mütterlichen Busen. »O Allliebender, nimm dich ihrer an!« Der böse Genius und der Genius der Religion ringen miteinander. Als leuchtender Jüngling zieht der gute Genius mit den Schwestern zur Erde nieder. »Wenn euch nach einer schönen Tat… ein süßes Sehnen euer Herz ausdehnt, wenn in der Sternennacht und vor dem Abendrot euer Auge an einer unaussprechlichen Wonne zergeht…: dann bin ich in euern Herzen und geb’ euch das Zeichen, daß ich euch umarme und daß ihr meine Schwestern seid.« Die Riesenschlange des Bösen fällt über die Erde zurück und zerbricht wie eine hereingebogene Wasserhose über einem Schiffe, flicht sich in tausend Schlingen und Knoten gerunzelt, erwürgend und fangend, durch alle Völker der Erde. »Und das Richtschwert zuckte wieder, aber das Nachtönen des durchflogenen Äthers währte länger.«
    Hier werden die Kulissen der Wirklichkeit beiseitegeräumt und das menschliche Dasein in die ungeheure Ewigkeit gerückt. In immer neuen Bildern stellt Jean Paul die Frage nach dem Woher? und beantwortet sie immer von neuem mit der kosmischen Verantwortung der Sittlichkeit. Vielleicht verstehen wir heute dieses Entflammtsein für Tugend und Reinheit nicht mehr recht. Dann aber wehe uns! wenn wir es nicht mehr verstehen. Die Jünglinge und Mädchen jener Zeit entbrannten für diese Ideale und schwärmten miteinander für sie, ohne wie die Schwärmenden unserer Tage mit einem Auge nach der Sünde zu schielen.
    Aus ähnlicher Einstellung, und wie die »Mondfinsternis« offenbar angeregt durch Herders Paramythien, erwuchsen die beiden andern Beigaben zum »Quintus Fixlein«. Die erste Erzählung»Der Tod eines Engels« ist die weitere Ausarbeitung der seinerzeit an Herder übersandten Erzählung »Was der Tod ist«, die in Boies »Museum« erschienen war. Auch die zweite Beigabe »Der Mond« hatte eine Vorstufe in dem September 1790 an Herder übersandten Aufsatz »Das Leben nach dem Tode«. Wie die »Mondfinsternis« mit Renate Wirth zusammenhing, so war »Der Mond« für Helene Köhler gedacht, die im Sommer 1792 eine andere Fassung von Jean Paul zum Geschenk erhielt. In der Buchausgabe des »Quintus Fixlein« ist die Erzählung der »Pflegeschwester Philippine« gewidmet. Wir gehen also nicht fehl, wenn wir in Helene Köhler das Urbild der liebenswürdigen Philippine aus der »Unsichtbaren Loge«, der Schwester des »Einbeins«, vermuten.
    Wiederum lebt in dieser Monderzählung jene kosmische kopernikanische Weltanschauung, die in Jean Paul ihre ersten dichterischen Blüten trieb. Zu der Silberscheibe des Mondes herüber spannt die – wie der Untertitel sagt – »phantasierende Geschichte«. »Denn im Monde wohnen ja«, sagt Rosamunde zu ihrem Geliebten Eugenius, »die kleinen Kinder dieser Erde, und ihre Eltern bleiben so lange unter ihnen, bis sie selber so mild und ruhig sind wie die Kinder, und dann ziehen sie weiter.« Eugenius und Rosamunde haben sich, zerquält und bedrückt, von der Welt zurückgezogen und sind auf die Höhe der Berge gestiegen, um dort über allem Erdenleben zu wohnen. Ihr blasses Kind hat sie begleitet. Einen Tag lang wandern die Schwachen. Jetzt sind sie müde. Das Kind spielt, in einem Ringe von Blumen eingefaßt, an eine Sonnenuhr gelehnt. Eugenius läßt die ersten Harmonikatöne wie Schwäne in den reinen Alpenhimmel fließen. Als Rosamunde aus ihrer Entzückung über das Spielen des Kindes und das Fließen der Töne den Blick erhebt, ist das Kind eingeschlafen und tot. Eugenius stirbt ihm nach, und da er mild und ruhig ist, kommt er mit seinem Kinde auf den Mond und sieht über sich die weiße große Scheibe der

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