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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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auch an die Vorrede zur »Unsichtbaren Loge« denken müssen. Wir erinnern an den musikalischen Aufbau des Jean Paulschen Werks, der zugleich im tiefsten Sinne episch ist. Der Dramatiker gestaltet und überwindet eine Welt, und sie ist damit für ihn erledigt. Der Epiker hält sich an die Begebenheiten des Daseins. Was sich aber begeben hat, ist nie erledigt, es wirkt im kosmischen Zusammenhange ewig weiter und kann immer wieder auf einer andern Ebene neu erscheinen. So kehren die Motive und Gestalten des Jean Paulschen Werks immer wieder und ordnen sich in neue Zusammenhänge ein. War es in der Vorrede zur »Unsichtbaren Loge« das erste Heraustreten des Dichters, das in der Fahrt auf den Fichtelberg seinen symbolischen Ausdruck fand, so besagt das gleiche Motiv nun des Dichters Sehnsucht in eine wärmere Atmosphäre. Es nimmt die Gestalten und Motive seines bisherigen Schaffens auf, aber es erledigt sie nicht, sondern hebt sie nur auf die höhere Ebene des inzwischen Erreichten.
    Die Landschaft ist die uns bereits bekannte des Fichtelgebirges, aber Jean Paul verlegt den Schauplatz wie im »Hesperus« in den deutschen Südwesten, auch hier in gebirgige Gegenden. Er wollte die Handlung auch hier näher an die von der Revolution ergriffenen Länder legen. So läßt er seine Frühlingsfahrt über ein Schlachtfeld zwischen Franzosen und Aristokraten führen, um an dem Gegensatz der vor unsern Augen erstehenden Schlacht und des über das öde Feld kommenden Hochzeitszuges die in Gegensätzen zerrissene Zeit auferstehen zu lassen. Was ihn in Waldkappel vor allem anzieht, ist die Riesenstatue der »Jungfer Europa«, die von dem Fürsten des Landes in Rivalität gegen den Hessen-Kasselschen Herkules errichtet wurde. (Der neue Freund Schäfer war Hessen-Kasselischer Hofrat und hat Jean Paul wahrscheinlich das Herkulesstandbild in Kassel in Erinnerung gerufen.) Eine »Jungfern-Schröpf- und Europas-Steuer«, deren Schilderung zu den besten satirischen Darstellungen Jean Pauls gehört, brachte die Mittel zu diesem Kolossalbauwerk zusammen. Von den Höhen des Gebirges grüßte schon der Frühling, indes der Wagen unten noch durch den tiefen Morast gezogen wird. Ein inneres und äußeres Durchringen zur nächtlichen Frühjahrseligkeit, ein gewaltiger Jean Paulischer Ausbruch, beschließt die erste »Belustigung«. Die zweite bringt die Beschreibung der Statue, in deren Monumentalkopf Jean Paul nunmehr die mit der dritten Belustigung anhebende eigentliche Erzählung schreibt. In diesem erhöhten Standpunkt hoch über dem Menschengewühl schwebte ihm offenbar bereits etwas Ähnliches vor, wie er es später bei einem der ersten Entwürfe des »Titan« auszuführen versuchte: Als Luftschiffer Gianozzo wollte er dort die Begebenheiten von der Höhe herab schildern. Später gab er freilich diesen Gedanken auf und begnügte sich damit, des »Luftschiffers Gianozzo Seebuch« in den Anhang aufzunehmen. Gewiß sind die »Biographischen Belustigungen« nur ein Nebenwerk Jean Pauls, aber man kann doch bei diesem Dichter nicht zwischen seinen Werken einen derartigen Unterschied machen wie etwa bei E. T. A. Hoffmann. Auch die entlegensten Arbeiten Jean Pauls enthalten immer seine ganze poetische Kraft. Nur die Übersichtlichkeit und Kürze der Darstellung vermag uns zu zwingen, uns auf die Hauptlinien seines Schaffens zu beschränken. Die Abendstimmung über den Hängen am Fuß der Riesin Europa zum Beispiel ist von einer Gewalt der Landschafts- und Stimmungsschilderung, über die nur ein Jean Paul verfügt. Nachdem ein Jahrhundert an diesen Schätzen blind vorübergegangen, scheint jetzt eine Zeit zu kommen, da sich Hunderte und Tausende an solchen Schilderungen, wie sie auch immer wieder in den »Biographischen Belustigungen« vorkommen, Labung trinken werden.
    Die eigentliche Geschichte knüpft an die Revolution an, die schon im »Hesperus« eine große Rolle spielte. Und vielleicht sind sogar die Personen zum Teil die gleichen. Wie wir in der Giulia des »Hesperus« die bereits verstorbene Beate der »Unsichtbaren Loge« wiederzuerkennen glaubten, so haben wir in dem Grafen Lismore, dem Helden der »Biographischen Belustigungen«, offenbar den Lord Horion in seinen Jugendtagen vor uns und in seiner Geschichte die Geschichte seiner Liebe zu Mary, die auf der Insel der Verheißung begraben liegt. Graf Lismore hat sich von dem sphinxartigen Ungeheuer der französischen Revolution anlocken lassen. Das blutige Jahr 1793, das »Stufenjahr der

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