Saemtliche Werke von Jean Paul
von drei Schwestern Haaren) und viele gab mein eigener Scheitel her, so daß ich eben so wohl von dem leben wollte – wenn ich’s verhandelte – was auf meiner Hirnschale wächset als was unter ihr.« Die drei Schwestern, die ihm diese sinnige Kette schenkten, waren eben die Töchter Mayers.
Als sich Jean Paul neben Karoline setzte, ahnte er nicht, welchen glühenden Wunsch er dem jungen Mädchen erfüllte, die ihn bereits heimlich liebte. Auch sie hatte bereits schwere Erlebnisse hinter sich. Die Ehe ihrer Eltern war unglücklich gewesen. Bei der Scheidung war die seltsame Vereinbarung getroffen worden, daß die vier Töchter abwechselnd eine Woche bei der Mutter, einer geborenen von Germershausen, und eine bei dem Vater verbringen sollten. Die eigentliche Erziehungsgewalt lag in den Händen des Vaters, der den Mädchen eine fast männliche gelehrte Erziehung geben ließ. Durch das eigentümliche Verhältnis der Eltern waren die Kinder über ihre Jahre hinaus gereift. Minna, die älteste, war mit dem in Dessau lebenden Hofrat Karl Spazier, dem Begründer und Herausgeber der vielgenannten Zeitschrift »Die elegante Welt«, verheiratet. Ernestine, die zweite Schwester, verlobte sich während Jean Pauls Berliner Aufenthalt mit dem in Leipzig wohnenden Dichter August Mahlmann. Karolines erste Liebe hatte einer dem Hause gegenüberwohnenden Schauspielerin gegolten, der sie den ganzen Enthusiasmus ihrer vierzehn Jahre geschenkt hatte. Das strenge Gebot des Vaters hatte diesem Verkehr aus irgendeinem Grunde ein Ende gesetzt. »Zum ersten Mal«, schrieb Karoline in ihrem ersten Brief an Jean Paul, »hatte ich hier Glück und Schmerz gekostet… alles war lau, war kalt; unbefriedigt und ermüdet verschloß ich mich in mich selbst.« Dann hatte sie einem jungen Menschen ihre Liebe geschenkt, der sich mit einer andern verheiratete. Sie rettete sich in die Liebe zu der Erkorenen des Geliebten. In stumpfer Resignation hatte sie sich dann mit einem Vetter verlobt. »Ein guter, einfacher Mensch glaubt sein Glück in der Vereinigung mit mir zu finden«, schrieb sie in dem erwähnten ersten Brief an Jean Paul. In dieser Zeit machten die Bücher Jean Pauls auf sie einen umstürzenden Eindruck. Mit demütiger Liebe, die ihr das ganze Leben hindurch geblieben ist, neigte sie sich vor seinem Geist, der alles Edle und Große in ihr weckte. Als Jean Paul sie nach dem Festmahl in der Yorksloge bei ihrem Vater besuchte, küßte sie ihm die Hand und gleich darauf schrieb sie ihm: »Ich möchte Sie anbeten, vor Ihnen knieen, wie man vor Gott sich beugt.«
Diese Liebe teilte Karoline aber mit vielen Mädchen und Frauen, die in den Bannkreis Jean Pauls gerieten, und auch eine so hingebende und sich selbst aufopfernde Liebe, wie sie Karoline Mayer ihm entgegenbrachte, war für ihn nichts Ungewöhnliches. Sie war ihm zunächst nur eine Verehrerin unter vielen, sehr vielen andern, und nichts spricht dafür, daß er sie besonders beachtet hat. Im Gegenteil, andere Erlebnisse nahmen ihn völlig gefangen. In Frau Bernard, geb. Gad, fand er eine alte Bekannte aus Franzensbad wieder, wo er mit Emilie von Berlepsch während des Todes seiner Mutter geweilt hatte. Ein kurzer Briefwechsel hatte sich damals mit der klugen und geistvollen Jüdin angesponnen. Auch jetzt ließ ihn ihr Zauber nicht ganz unberührt. »Im Tiergarten bei Bernard blieb ich eine Nacht und rauchte meine Pfeife und ging rein von dannen, und Gott sei Dank, aber nicht mir.« Hier scheint er zum erstenmal mit der körperlichen Liebe gespielt zu haben, die ihm bis dahin immer noch fremd geblieben war. Kurz vorher hatte er an Otto über das weibliche Geschlecht einige Sätze geschrieben, die zu seinen bisherigen Anschauungen im Widerspruch stehen. »In der höchsten Liebe sind die besten Mädchen wie die guten. Anders: jetzt weiß ich’s gewiß: aus Liebe sind sie alle, alle sinnlich, und es kommt nur auf die Schlechtigkeit, gehaltene Stufenfolge und das besonnene Feuer des Mannes an, jede, die ihn heftig liebt, zum letzten Punkt zu führen, weil diesen die Natur mit ebenso vielem Recht begehrt wie den Kuß, und weil der Punkt nicht an und für sich, sondern nur unter Bedingungen (wie Essen und Trinken und Küssen) unmoralisch ist, indes die Lüge usw. es unter jeder ist… Liebe aus Sinnlichkeit hat die Bessere nicht, aber wohl Sinnlichkeit aus Liebe… Diese Kenntnis muß ich Dir sagen, macht einen eigentlich nicht sonderlich moralisch bei diesem Geschlecht, weil man dabei auf
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