Saemtliche Werke von Jean Paul
keine Subsidien zu rechnen hat als auf seine eigne. – Ich habe entscheidende Erfahrungen, und bin bloß über die Art verlegen, wie ich öffentlich die Mädgen hierüber warnen soll.« Eine ungeheuer bezeichnende Briefstelle für Jean Paul, der sich auch bei seiner neuen Erkenntnis sogleich als Prophet und Retter der weiblichen Reinheit und zu ihrem Schutz verpflichtet fühlte.
Die Bernard, geborene Gad, war nicht die einzige, die seiner eigenen Männlichkeit nachstellte. In dieser Zeit lernte er eine der reizendsten Frauengestalten jener an berückenden Frauen nicht gerade armen Zeit kennen. Es war die junge Helmine von Klencke, damals mit einem Baron von Hastfer verheiratet und in Scheidung liegend, später mit dem bekannten Orientalisten von Chézy verheiratet. Als Helmina von Chézy ist sie später auch literarisch, hauptsächlich als Verfasserin des von Carl Maria von Weber komponierten Operntextes »Euryanthe«, bekannt geworden. Überdies war Helmine eine Enkelin der bekannten Anna Karschin, der »märkischen Sappho«, wie sie scherzweise genannt wurde. Helmine war eine der ältesten Verehrerinnen Jean Pauls, obwohl sie an Jahren die jüngste war. Sie stand erst im siebzehnten Lebensjahre, als sie mit dem Dichter persönlich bekannt wurde. Schon mit vierzehn Jahren, also wenige Jahre nach Erscheinen, hatte sie die »Unsichtbare Loge« gelesen und den entscheidenden Eindruck ihres Lebens von dem Buche empfangen. Nach der Lektüre des »Hesperus« hatte sie an Jean Paul einen Brief geschrieben, in dem sie ihn den ethisch-religiösen Erlöser des Romans nannte. Es muß auffallen, wie dieses junge Mädchen Jean Paul bereits mit den wertenden Augen Herders betrachtete. Die Zeit, heißt es in ihrem Briefe, hätte vor lauter Anbetung der Form und lauter Sinnlichkeit die Empfänglichkeit für das geistig Schöne verloren, er aber weise in seinen Werken als Magnetnadel und Polarstern zu Gott. Dieser Brief war durch Ahlefeldt vermittelt worden. Jean Paul hatte zwar nicht geantwortet, wünschte nun aber die Schreiberin kennenzulernen. »Wir waren alle beseligt«, schreibt Helmine. »Jean Pauls Erscheinung hatte nichts Auffallendes; seine einfache Kleidung paßte zu seinem Gesicht und seinem Wesen. Auf seiner Stirn thronte Licht, auf seinen Lippen Anmut und Milde. Seine hellblauen Lippen [Augen?] leuchteten in sanfter Glut. Vielleicht würde seine Erscheinung einem Unkundigen nichts von seinem Genius verraten haben. Ernst, Anstand, viel natürliche Anmut blickten daraus hervor, durch ihre Anspruchslosigkeit selbst war sie gewinnend.« In diesem zauberhaften Wesen, mit dem er befreundet blieb, sah Jean Paul lange Zeit seine Liane.
Auch die berühmte Rahel lernte er gleich bei seinem ersten Berliner Aufenthalt kennen, und obwohl sie ihn nach seinen Schriften ursprünglich nicht leiden konnte, erlag auch sie dem Zauber seiner Persönlichkeit. »Seine Stirn ist von Gedanken wie von Kugeln durchschossen«, schreibt sie. Aber die Frauen umspielten ihn in ganzen Scharen. Auf der Insel Pichelswerder gab es ein großes Fest. »Ich wurde angebetet von den Mädgen, die ich früher angebetet hätte. Himmel! welche Einfachheit, Offenheit, Bildung und Schönheit! Auf der herrlichen Insel Pichelswerder (2½ Meilen von Berlin) fand ich so viele schöne Freundinnen auf einmal, daß es einen ärgerte, weil jeder Anteil den andern aufhob.« In diesem Durcheinander von Gestalten nahte sich ihm die letzte jener Titaniden, mit der ihn ein Verhältnis voll geistiger Erotik verknüpfen sollte. Die Gräfin Henriette von Schlabrendorf, eine Freundin der Rahel, war es, die seine letzte Junggesellenzeit verschönte. Auch bei ihr ließ es Jean Paul nicht zum physischen Genuß der Liebe kommen. Er mochte wohl fühlen, daß er, sobald er einmal nachgab, einem schrankenlosen Libertinismus in der Liebe verfallen würde. Aber mit der Gräfin kam es doch zu schwülen Situationen, wie sie Jean Paul noch nicht erlebt hatte. Sie begleitete ihn mehrmals nach Gotha. »Wir sind jetzt bei dem Hände-Anfassen mit eingemischtem leichten Drücken«, berichtet er an Otto. Aber einige Tage darauf wird es hitziger. Sie sitzen auf dem Sofa nebeneinander und legen »in Sekunden Wochen« zurück. Er spielt mit ihrem Brillantkollier, sie öffnet die ihren Busen verhüllenden Spitzen. »Ihr Globulus hatte die Farbe und die Weichheit der Wolken-Flocken.« Sie drückt den Wunsch aus, an ihm zu schlafen. »Ich hatte in meinem schlafenden Kopfe fast das ganze schlagende
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