Saemtliche Werke von Jean Paul
Angelegenheit wie über eine belanglose Bagatelle hinweg, obwohl Gaspard fest entschlossen ist, im Ernstfall mit fester Hand dazwischenzufahren. Die Liebenden verleben qualvolle Wochen. Mit allen Mitteln gesellschaftlicher Konvenienz wird Liane dem Grafen Albano verborgen. Dieser rast und tobt. Die Entscheidung aber kommt von einer ganz andern Seite. Der ehrwürdige Spener hat von der unglücklichen Liebe der beiden erfahren. In der Kirche von Lilar weiht er Liane in das Geheimnis von Albanos hoher Geburt ein. Nun muß sie ihm entsagen, ohne ihm den Grund nennen zu dürfen. In einer von den Eltern gestatteten Unterredung nimmt sie ihr Wort zurück. Fürchterlich braust der unglückliche Jüngling auf und verläßt sie mit schmähendem Wort. Von neuem senkt sich über Lianens Augen der dunkle Schleier. Blind wird sie nach Hause geführt.
Inzwischen hat sich Fürst Luigi mit einer Haarhaarer Prinzessin verheiratet. Die Einzugsfeierlichkeiten der neuen Fürstin nehmen das Interesse gefangen. Ein sonderbarer Umstand macht Liane der neuen Fürstin besonders wert: sie ähnelt täuschend ihrer Lieblingsschwester, der Prinzessin Idoine, die sich in die Einsamkeit zurückgezogen hat, eine ihr angetragene Standesheirat stolz verschmähend. Fruchtbare Beschäftigung liebend hat Idoine ein Landgut Arkadien nach ihren eigenen Idealen eingerichtet und verwaltet es mit fast männlicher Klugheit. Albano kommt einmal auf der Reise, die er in der Verzweiflung über seine zerrissene Liebe mit Schoppe unternimmt, in die Nähe dieses Gutes. Aber voller Angst, dem Ebenbilde Lianens zu begegnen, kehrt er um. Er selbst ist der Fürstin liebgeworden. Denn sie ist jene Prinzessin, die der Haarhaarer Hof seinem Vater, dem Grafen Cesara, einst verweigerte. Albano weiß um diese Vergangenheit und bemitleidet das arme Opfer höfischer Konvenienz, das nun den kranken und unmännlichen Hohenfließer Fürsten heiraten mußte. Erst später erfährt er, daß die Fürstin nicht so sehr zu bedauern ist, da sie sich hemmungslos ihren koketten Neigungen überläßt. Von dieser Fürstin erhofft Albano Hilfe für seine ermordete Liebe, und sie läßt ihn in dem Glauben, daß sie ihm helfen werde, während sie ihm schon selbst mit ihren Koketterien nachstellt. Liane aber siecht dahin. Zwar ist ihr Augenlicht wiedergekehrt, aber von ihrem Krankenlager soll sie nicht mehr erstehen. In der Sterbestunde wird Albano an ihr Lager geholt. Das Geheimnis, das sie von ihm trennte, nimmt sie in das Grab mit.
Durch den Tod der Geliebten ist Albano völlig niedergeschmettert. Er verfällt in hitziges Fieber und wird durch eine Gewaltkur gerettet, die der treue Schoppe herbeiführt. Prinzessin Idoine, Lianens täuschendes Ebenbild, tritt vor das Lager des Fiebernden und gibt ihm Frieden. Er glaubt wirklich, in einer Vision die gestorbene Geliebte gesehen zu haben, und genest. Der nächste Tag schon findet ihn auf der Reise nach Italien. Roquairol hat inzwischen Rabette um ihre Unschuld gebracht und dieses in einem von dämonischer Zerstörungswut erfüllten Brief Albano selbst mitgeteilt. Ihre Freundschaft ist damit zu Ende. Voll Ekel wendet sich Albano von dem haltlosen Phantasten ab. Ein Duell vermeidet er mit Rücksicht auf Roquairols Schwester, die damals noch unter den Lebenden weilte. So läßt Albano, als er nach Italien geht, lauter ausgebrannte Krater der Liebe und Freundschaft hinter sich zurück.
Die Reisegesellschaft besteht aus dem Ritter de Cesara, der Fürstin, dem Deutschen Herren von Bouverot und dem Jüngling. In Rom stößt Dian zu ihnen. Diese italienische Reise ist der innere Drehpunkt der Handlung. Wie wird Albano auf die Berührung mit der Antike reagieren? Unvermeidlich drängt sich die Parallele zu Goethes italienischer Reise auf. Goethe machte auf italienischem Boden die entscheidende Wendung von der Gotik zur formklaren Latinität. Dem lebendigen Strömen drangvoller Zeit entzog er sich und flüchtete in die Unberührtheit der reinen ästhetischen Form. Ähnlich verhalten sich Albanos Reisebegleiter. Sie werden von einem Kunstenthusiasmus ergriffen. Anders der Jüngling. Er ist der einzige, den der Geist der Alten wirklich in voller Größe packt. Aber dieser Geist setzt sich bei ihm nicht in lebenabgewandte Bewunderung vergangener Formen um, auf ihn wirkt die lebenverwandelnde Kraft der Antike als Kultur der Kraft und ruft ihn zur Tat. Tat war der Geist, der diese Ruinen baute, weltumspannend die Kraft, die noch im ausgehenden Mittelalter
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