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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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zugleich einen fruchtbaren Ausgangspunkt für die Handlung bildet, die sich aus dieser Situation loszurollen hat.
    Der Roman beginnt mit der Eröffnung des van der Kabelschen Testaments. Sieben Erben des reichen Herrn van der Kabel, des Krösus der Residenz Haslau, haben sich mit ihrem Depositionsschein auf dem Rathause von Haslau eingefunden. Als Oberexekutor des Testaments fungiert der regierende Bürgermeister selbst. Herr van der Kabel hat aber folgendermaßen testiert: Die sieben anwesenden Erben, da sie oft versichert haben, daß ihnen an der Person des Erblassers mehr gelegen als an seinem Vermögen, erhalten vorderhand – nichts. Ausgenommen das Haus in der Hundegasse, welches jenem Verwandten zufallen soll, der früher als die übrigen sechs Nebenbuhler eine oder ein paar Tränen über den Dahingeschiedenen vergießen kann vor einem löblichen Magistrate, der es protokolliert. Bei dieser Bestimmung hält der Testamentsvollstrecker im Vorlesen inne, um mit dem ganzen Gericht aufzumerken, wer zuerst die begehrten Tränen vergösse. Alle Sieben versuchen durch ernstes Sinnen ihr Pumpwerk in Bewegung zu setzen. Nur Flitte, der Elsässer, springt vor Vergnügen hoch und schwört, nicht imstande zu sein, bei einem solchen Spaß zu weinen. Der Kaufmann Neupeter sieht aus wie eine kranke Lerche, die man mit einem eingeölten Stecknadelkopf – das Haus war der Knopf – klistiert. Der Buchhändler Pasvogel denkt an alles Rührende, was er teils im Verlag, teils in Kommission hat. Der Polizeiinspektor Harprecht macht Flitten auf das Unzulängliche seines Tuns aufmerksam: falls er Lachtränen ins Auge bekomme, würden sie ihm nicht das Haus zutreiben. Der lustige Flitte aber antwortet, daß er nur zum Spaß, nicht aus ernsten Absichten lache. Der Frühprediger Flachs sieht aus wie ein reitender Betteljude, mit welchem der Hengst durchgeht. Der Kirchenrat Glanz, gewöhnt, sich früher als seine Zuhörer zu rühren, fängt eine erbauliche Rede zu Ehren des Toten an. Aber noch ehe er sich vor seinen Zuhörern gerührt hat, ruft der Frühprediger Flachs, betrübt aufstehend: »Ich glaube, meine verehrtesten Herren, – ich weine.« Ihm schwimmt demnach auf einer Zähre das Haus in den Beutel. Der Vollstrecker fährt im Lesen des Testaments fort.
    Zum Haupterben setzt Herr van der Kabel einen Jüngling aus dem Dorf Elterlein ein, von dem er zweimal im Dunkeln eine Tat sah und einmal am Tage ein paar Worte hörte. Auf diesen Jüngling baue er nun ewig. Er habe dreißigmal mehr im Kopfe, als er selbst von sich denke. »Nur hat er das Böse, daß er erstlich ein etwas klastischer Poet ist, und daß er zweitens… auch am Stundenzeiger schiebt, um den Minutenzeiger zu drehen. Es ist nicht glaublich, daß er je eine Studenten-Mausefalle aufstellen lernt; und wie gewiß ihm ein Reisekoffer, den man ihm abgeschnitten, auf ewig aus den Händen wäre, erhellet daraus, daß er durchaus nicht zu spezifieren wüßte, was darin gewesen und wie er ausgesehen.« Dieser Jüngling heißt Gottwalt Peter Harnisch und ist der Schulzensohn von Elterlein. Hiermit ist uns der Hauptheld der »Flegeljahre« vorgestellt. Kabel, sein Gönner nach dem Tode, aber will ihn zum Charakter und zur Weltgewandtheit erziehen. Deshalb hat er in das Testament Bestimmungen aufgenommen, durch die sich Walt das Erbe erst verdienen muß. Er soll einen Tag Klavierstimmer sein, ein Vierteljahr Notarius, einen Monat lang das Gärtchen des Erblassers als Obergärtner bestellen, einen Hasen schießen, als Korrektor zwölf Bogen durchsehen, eine Meßwoche mit Herrn Buchhändler Pasvogel beziehen; er soll bei jedem der Akzessiterben eine Woche lang wohnen und alle Wünsche des zeitigen Mietherren, soweit sie sich mit seiner Ehre vertragen, gut erfüllen; er soll eine Woche auf dem Lande Schule halten und endlich ein Pfarrer werden. Dann erhält er mit seiner Vokation zum Pfarrer die Erbschaft ausgehändigt. Für jedes Versehen in diesen verschiedenen Stationen wird ihm ein Teil des Erbes entzogen und jenem Akzessiterben zugeschrieben, in dessen Dienst der Fehler begangen worden ist.
    Man sieht voraus: das Testament ist so angelegt, daß dem weltunkundigen Jüngling am Ende aller dieser Stationen nichts bleiben wird. Aber an Welt- und Menschenkenntnis wird er so viel gewonnen haben, daß er als reifer Mensch und vielleicht als ein Dichter aus diesem Erbgang hervorgeht. Damit ist der Gang des Romans bestimmt. Aber auch der Roman selbst wird testamentarisch gefordert. Es

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