Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
Vom Netzwerk:
Geburtstag solle das Schränkchen erbrochen und das Testament gelesen werden, das er sterbend dem Schulmeister diktiert. Sieben halbe Souverains gibt er der weinenden Engeltrut, damit sie bis zur Eröffnung des Schränkchens zu leben habe. Dem Sohn aber befiehlt er, ein Skribent zu werden. Er meint einen Schreiber, Helf und die Mutter aber übersetzen es in ihren kühnen Träumen in einen Schriftsteller und Gelehrten. Dann dingt der Sterbende dem Tischler noch ein Drittel des Preises für den Sarg ab und läßt sich in den viel zu engen und kurzen Sarg betten, um darin zu sterben. Der Pfarrer darf erst kommen, nachdem man den Alten noch eine halbe Stunde allein gelassen. In dieser halben Stunde fängt der Vogelsteller an zu fluchen und zu schreien. Er stellt sich zum Abschied seines Lebens vor, daß er als Korporal vor seinen Leuten auf einem Schlachtfeld stehe und sie zum Sterben anfeuere. Dann erst nimmt er das Abendmahl. Zum Sterben läßt er sich seinen Lieblingsvogel, ein Kanarienmännchen, auf die Brust setzen. Der Frau befiehlt er, ein christliches Lied zu singen, und der Sohn muß die alte Soldatentrommel rühren, damit die Vögel alle anfangen zu singen. Da »legten die Sangvögel ihren ganzen Tonmarkt aus, die Sprachvögel warfen ins harmonische Wettrennen alle Schimpfworte der Menschen, und der Kanarienvogel sprang auf der untergehenden Brust umher«. Die Mutter singt tapfer fort. Mit der Hand drückt sie die sterbenden Hände des Mannes dem Sohn zum Segnen ins Gesicht, da dieser seine Hände zum Trommeln braucht. Immer lauter rauschen die Wogen, »womit der Raubfisch ankommt, welcher den Menschen verschlingt«. Der Alte träumt sich in die Schlachten seiner Jugend zurück. »Drauf und dran!« ruft er und drückt den Kanarienvogel auf der Brust entzwei. »Sie pfeift«, sagt er endlich, und man weiß nicht, ob er den sterbenden Vogel oder die Kugel meint, die ihn in seinem Traum durchbohrt. Dann stirbt er. In der Stube aber trompeten alle Vögel fort, während Engeltrut das Abendessen besorgt.
    Eine stille Zeit beginnt für Mutter und Sohn. Langsam werden die sieben Goldstücke eingewechselt. Immer kleiner wird das Häuschen. Helf wird zum kleinen Hausvater, weil doch jedes Haus einen solchen haben muß. Um die Goldstücke zu wechseln, geht er jedesmal in die Stadt und kehrt mit Neuigkeiten beladen zurück. Tagüber arbeitet er als kleiner Student, der er seit seiner Inskription durch den reisenden Rektor ist. Abends aber geht er oft »zur Wildmeisterin«, zu seiner Freundin Drotta, die in ihm ihren Ehgemahl heranwachsen sieht. Auch über dieser wachsenden Liebe liegt der ganze Zauber des Waldes. Drotta sitzt tagüber allein in der Wildmeisterei, oft bis in die langen Winterabende nur vom finsteren Sturm und vom krachenden Walde umgeben, bis der Vater frostrot und trinkrot hineinschnaubt und alle Hunde springen. Ein ganzes Jahr ist noch hin bis zum sechzehnten Geburtstag, der über das Leben entscheiden wird. In einer Nacht endlich überkommt den Knaben seine Sendung. Im Traum geht ihm der ungeheure Gedanke auf, ein Abc mit Versen zu versehen und mit bunten Bildern zu begleiten. Eine maßlose Geschäftigkeit befällt ihn. Tag und Nacht lebt er in seinem Werk. Die ersten Verse stellen sich ein. Das unglückliche alte Abc, das er beim Schulmeister einsieht, gibt ihm die Idee zu tausend neuen Verbesserungen. Mit einem unvergleichlichen Behagen läßt Jean Paul die Fibel unseres Helf vor uns erstehen, zeigt das allmähliche Werden der Verse. »Der Adam gar possierlich ist, – Zumal wenn er vom Apfel frißt«, heißt es in der ersten Fassung. In schwerem Ringen läßt er diesen Vers durch die verschiedensten Verwandlungen endlich seine vollendete Form finden, indem der »Adam« schließlich durch den »Affen« ersetzt wird und nun jedes Wort wie für die Ewigkeit dasteht, und so durch das ganze Alphabet hindurch.
    Endlich ist das Werk fertig. Stolz trägt der junge Autor es in die Stadt zum Drucker. Aber wie erstaunt er, daß er für einen Druck nichts erhalten, sondern noch schweres Geld hinzuzahlen solle. Geld hat er nun freilich keines, aber er hofft auf den sechzehnten Geburtstag, der es ihm in Fülle bescheren soll. Hämisch rät der Drucker ihm, das Werk in Selbstdruck und Selbstverlag zu nehmen und bietet ihm eine kleine Handdruckerei an, mit der er die schwierigsten Werke selbst drucken könne. Kniefällig bittet der Autor den Drucker, ihm die Handdruckerei doch nur ja bis zu seinem Geburtstag

Weitere Kostenlose Bücher