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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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jetzt noch aus seinem Dasein herauszuholen hatte, das mußte unter der Don Quixote-Gestalt seines Apothekers Nikolaus Marggraf geschehen. Hier war das tiefste Geheimnis seines Daseins verborgen, wie er es jetzt in Stunden der Unmut oder der erbarmenslosen Kritik ansah. Und so wendete er sich denn sofort, nachdem er den Plan der Selbstbiographie aufgegeben hatte, zu dem Roman »Der Komet«, der sein letzter sein sollte.
    Wie ein ungeheures Gewoge hatte der Stoff vor ihm gelegen. Wir haben beim »Titan« durch zehn Jahre hindurch verfolgt, was Jean Paul alles in diesem Werk ausdrücken wollte, ehe es die Form des Romans annahm. Nicht viel weniger Zeit hatte der Stoff des »Komet« in Anspruch genommen, ehe er sich als die Geschichte des Apothekers formierte. Zum letztenmal wollte er seine Phantasie im Vollen ausschweifen lassen, die kühnsten Einfälle sollten sich jagen. Nicht eine Geschichte, sondern ein ganzer »Papierdrache« sollte das Werk werden, ein Konglomerat von allen möglichen burlesken und komischen Einfällen. Man sieht, die ersten Anfänge des Buches reichen in die Zeit zurück, als Jean Paul, müde seiner weltanschaulichen Sendung, ganz zur reinen humoristischen Dichtung sich hinneigte. Schon die Titel der ersten Entwürfe verraten das tolle Durcheinander, das hier angestrebt wurde. »Tausendundeine Narrheit« oder »Das Leben auf der Erde in allen Wechseln« oder »Reise durch alle neun Kreise Deutschlands« wollte er zuerst das Buch nennen. Die seltsamsten Einfälle sind in den Studienbüchern aufgezeichnet. Zum Beispiel: »Ein Engel suche Narren für einen andern Planeten und wähle unsre Weisen.« Oder: »Eine wirkliche Regierung habe den Abschaum der Tollheit auf eine Insel gesandt, und da komme die Reisegesellschaft an.« Oder: »Einer strebe nach Menschenkenntnis, um einen großen Roman zu schreiben, will alle Stände kennen, ist reich aber ruhmsüchtig, will den Fielding übertreffen im Deutschen, will Charaktere studieren und sie in seinen Garten zurückbringen und da mischen und alles beobachten und sie alle heilen, wenn er sie abgeschrieben hat; es begegne ihm aber ein andrer, der ähnlichen Charakterzweck hat, und beide kopieren einander.« Oder: »Eine gelehrte Reisegesellschaft; jeder sei ein besondrer Narr und doch ein besondrer Wissensjäger; – hinterher ziehen alle ihre Bräute, um zu wissen, was sie lernen, da sie dazu ausgeschickt.« Oder: »Goethe gewinnt im Alter das große Los, will die Hoflangeweile an sich und andern vertreiben und gibt das Geld dazu her.« Auch als die Geschichte des Apothekers allmählich sich als Hauptstamm des Buches formiert hatte, wollte der Dichter alle diese Einfälle wenigstens als satirische und humoristische Beigaben beifügen, wie dem »Titan« ein satirischer Anhang beigefügt war. Dieses ganze Konglomerat sollte eben der »Papierdrache« werden, von dem in der Vorrede zum »Komet« die Rede ist. Ein ungeheurer Plan, überhaupt nicht in den Rahmen eines einzigen Werkes sich fügend. Nur ein ganzes Lebenswerk konnte einen solchen Zug von Gestalten und Einfällen bergen. Noch in der Vorrede verspricht Jean Paul, in fünf Jahren das Werk zu liefern. Er tat es in dem höheren Sinne, daß nach fünf Jahren sein Leben endete und sein ganzes Werk von den ersten Satiren an bis zu diesem »Kometen« in der Tat ein solcher »Papierdrache« genannt werden kann.
    Ungeheures sollte einst der »Titan« enthalten, und als er schließlich fertig war, enthielt er in der Tat Ungeheures, aber in das überschaubare Schicksal von wenigen Menschen gepreßt. Genau so war es hier. Bändeweise war der Stoff, waren Ideen und Pläne aufgespeichert, und als der »Komet« erschien, waren zwar die meisten Einfälle liegengeblieben, aber dennoch war eine ganze komische Weltschau in dem Buch eingefangen. In gewissem Sinne war hier die Grundstimmung des »Katzenberger« aufgenommen worden. Auch der »Katzenberger« war eine Umkehrung alles dessen, was bisher in Jean Pauls Werk Geltung gehabt hatte, und genau so wurde jetzt im »Komet« die Welt Jean Pauls noch einmal herumgedreht. Bisher hatte er seine Helden vom Gustav in der »Unsichtbaren Loge« bis zu Albano im »Titan« zu den höchsten menschlichen Aufgaben hinanführen wollen. Die Kraft ihrer Phantasie drang gegen eine feindliche Außenwelt an und verwandelte sie. Umgekehrt im »Komet«. Hier glaubt der Held, eben der Apotheker Nikolaus Marggraf, bereits Fürst durch seine Abstammung zu sein. Es kommt nach seiner Meinung

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