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Säule Der Welten: Roman

Säule Der Welten: Roman

Titel: Säule Der Welten: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Schroeder
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und obwohl eine Flut brennender Schmerzen sie überspülte, war sie eingeschlafen, bevor sie ihn fortgehen hörte.

2
    Gegen Morgen wurde das Gebiet von Groß-Spyre nur von den funkelnden Lichtern der Stadt erhellt, die weit darüber schwebte. In ihrem schwachen Schein wirkten die uralten Türme und die Wälder so unwirklich wie Wolken. Garth blieb im schwarzen Nichts unter einer Weide stehen. Er war die letzten hundert Meter gerannt und hatte nun Mühe, sich auf den Beinen zu halten.
    Vor der grauen Silhouette eines Turms bewegten sich Schatten. Wer sie auch sein mochten, sie verfolgten ihn immer noch. Das war ihm noch nie passiert: er war durch die Hecken und über die Felder von sechs Erbbaronien geschlichen, von denen keine mehr als etwa zwei Quadratkilometer Grund besaß, die aber ihre Grenzen nicht weniger fanatisch schützten als jedes Imperium. Garth wusste, wie man an Wachen und Hunden vorbeischlüpfte, er tat ja die ganze Zeit nichts anderes. Aber diese Männer wussten es offenbar auch.
    Es musste jemand vom Wohlfahrtsspital gewesen sein, der gewartet hatte, bis er gegangen war, und dann jemanden verständigt hatte. Wenn dem so war, könnte sich Garth nicht mehr auf die Neutralität des ganze sechs Morgen umfassenden Königreichs Hallimel verlassen.

    Vorsichtig tastete er sich weiter, schlich auf Zehenspitzen über einen kurz geschorenen Rasen mit vereinzelten Statuen in alberner Heldenpose. Hier war es still wie in einem Grab, und niemand hatte im Freien etwas zu suchen, so viel stand fest. Er gestattete sich einen Funken rechtschaffener Empörung über seine unbekannten Verfolger. Sie waren unbefugt eingedrungen; man sollte sie erschießen.
    Nichts wäre befriedigender, als jetzt Alarm zu schlagen und abzuwarten, was passierte - vielleicht stürmte eine Meute von Hunden mit genetisch angezüchteter Tollwut aus dem Eingang des Herrenhauses dort drüben, oder Scheinwerfer flammten auf und ein Heckenschütze feuerte vom Dach herunter. Das Problem war, dass Garth selbst nur auf wenigen dieser Besitzungen ein bekanntes und geduldetes Gespenst war, und ganz sicherlich nicht auf der, die er gerade durchquerte. Also hielt er sich zurück.
    Am Rand des Skulpturengartens erhob sich eine hohe Steinmauer. Die bröckeligen Steine bildeten eine Art Leiter, auf der Garth in der niedrigen Schwerkraft bequem hinaufsteigen konnte. Als er sich oben auf die andere Seite rollte, hörte er hinter sich Stimmen - jemand rief etwas. Er hatte sich wohl vor dem Himmel abgezeichnet.
    Er landete in Dornengestrüpp. Von hier an war das Gelände verwildert. Er befand sich auf umstrittenem Gebiet. Die Eigentümerfamilien waren inzwischen ausgestorben, über die Besitzansprüche liefen seit Generationen Prozesse, die sich vermutlich bis zum Untergang der Welt hinziehen würden. Die meisten dieser Gebiete gingen auf die Zeit zurück, als sich die Konservationisten
Parzellen für die Eisenbahn gesichert hatten; sie hatten Freiflächen gebraucht, die um die ganze Welt reichten, und sie hatten sie auch bekommen - und mit Blut bezahlt. Dieses Stück Land war aus anderen Gründen aufgegeben worden, aber Garth wusste nicht, warum. Es kümmerte ihn auch nicht, solange der quadratische Turm, den er sein Zuhause nannte, unbehelligt blieb.
    Er wollte diesen Turm erreichen, um Lady Fanning davon in Kenntnis zu setzen, dass sie nicht mehr allein waren - doch mitten auf der offenen Wiese hörte er dumpfe Schläge hinter sich. Ein halbes Dutzend Verfolger war diesseits der Mauer gelandet. Sie holten auf, und zwar schnell.
    Er warf sich zu Boden und rollte seitlich ab. Nur wenige Schritte von ihm entfernt rannten schwarze Gestalten durch das raschelnde Gras. Garth fluchte leise und wünschte, er könnte Venera Fanning irgendwie davor warnen, dass ihr gleich sechs schwer bewaffnete Männer einen Besuch abstatten würden.
     
    Venera hörte sie kommen. Es war nicht völlig dunkel - Diamandis hatte eine Kerze brennen lassen -, und so war sie nicht gänzlich desorientiert, als sie aufwachte und Stimmen hörte, die sagten: »Halbkreis zur anderen Seite« und »Das muss sein Schlupfloch sein.« Vor der Tür der Bruchbude kratzte und scharrte etwas, Adrenalin durchflutete ihren Körper und machte sie vollends wach.
    Ohne Rücksicht auf die Schmerzen wälzte sie sich aus dem Bett, rannte zum Tisch und griff nach einem Messer. »Hier unten!«, rief jemand.

    Wo waren ihre Kleider? Die Jacke hing über einem Stuhl, und das Armband und die Ohrringe, die Diamandis

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