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Säule Der Welten: Roman

Säule Der Welten: Roman

Titel: Säule Der Welten: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Schroeder
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und in diesem Ozean kreisten feindliche Nationen und schwebten, von Virgas unberechenbaren Luftströmungen getrieben, auf und ab. Da draußen lauerten die eisigen Abgründe des Winters mit fliegenden Haien und Piraten
auf sie. Bevor sie so lange im Licht der Ersten Sonne gebraten hatte, dass sie das Bewusstsein verlor, war sie entschlossen und voller Zuversicht gewesen, diese ungeheuren Entfernungen alleine überwinden zu können. Sie war aus dem Frachtnetz an Hayden Griffins Bike gesprungen und eine Weile wie ein einsamer Adler über Virgas Himmel gesegelt. Aber die Sonne hatte sie eingeholt, und jetzt saß sie hier, in kaum nennenswerter Entfernung von ihrem Ausgangspunkt, unter Schmerzen fest.
    Übelkeit befiel sie, sie stieg von ihrem Stuhl. Lieber wollte sie sich an die Verfolger da oben ausliefern, als hier unten alleine zu sterben, dachte sie - und wäre beinahe die Stufen hinaufgerannt, um genau das zu tun. Ein stechender Schmerz in ihrem Unterkiefer ließ sie innehalten. Sie fuhr mit den Fingerspitzen über die Narbe an ihrem Kinn und trat von den Stufen zurück.
    Sie blieb mit der Ferse an der Kiste hängen, die sie umgeworfen hatte, taumelte rückwärts und prallte gegen die eiskalten Fenster. Fluchend richtete sie sich auf, doch dabei bemerkte sie einen Lichtschein hinter dem Glas. Sie legte die Wange dagegen - die Kälte betäubte den Schmerz ein wenig - und kniff die Augen zusammen.
    Die Fenster waren von einer Efeuart mit besonders langen Blättern überwuchert. Das Zeug vibrierte mit so unglaublich hoher Frequenz, dass die Blattränder verschwammen. Diamandis hatte erwähnt, dass Spyre sehr schnell rotierte; war das, was sie da sah, womöglich die Außenluft?
    Natürlich. Der ovale Raum ragte aus der Unterseite der Welt nach draußen. Er war eine aerodynamische
Blase an der Außenseite des rotierenden Zylinders, und vor dem Sitz könnten sich einmal die Bedienelemente eines auf der Oberfläche montierten schweren Maschinengewehrs oder Artilleriegeschützes befunden haben. Vielleicht war das sogar immer noch so. Stirnrunzelnd kletterte Venera über die Gerümpelberge zu dem Metallstuhl zurück und untersuchte ihn genauer.
    Tatsächlich fand sie unterhalb davon mehrere Griffe und Hebel und weitere zwischen den Fenstern. Sie rührte sie nicht an, aber sie spähte an dieser Stelle durch das Glas. Durch die dichten Blätter drang immer mehr Licht.
    Candesce erwachte. Die Erste Sonne erhellte hier im Zentrum von Virga einen Luftraum von mehreren Hundert Kilometern. Hinter den zitternden Blättern trudelte mit verwirrender Geschwindigkeit ein lila- und pfirsichfarbenes Wolkenkarussell vorbei; aber Venera sah noch mehr.
    Die ovale Blase war wie erwartet an einer vernieteten Metalldecke festgemacht. Diese Decke war Spyres Rumpf, und darüber befanden sich das Erdreich, die Bäume und die Fundamente der Gebäude, die sie gestern gesehen hatte. Der seltsame Efeu bedeckte die Oberfläche in langen Streifen und Dreiecken. Seine langen Blätter waren messerscharf und richteten sich alle nach dem Wind aus. Venera hatte einmal den Namen Renn-Efeu gehört; möglicherweise war damit diese Pflanze gemeint.
    Der Efeu schien vorzugsweise an Stellen zu wachsen, die in den Luftstrom hineinragten. Hier und dort fehlten einzelne Metallplatten - genauer gesagt klafften überall regelrechte Löcher -, und der Efeu wucherte an
den vorderen wie an den hinteren Kanten und brach dort den Fahrtwind. Vielleicht war er genau dazu da.
    Aus dieser Sicht bot Spyre nicht gerade einen beruhigenden Anblick. Das Habitat zeigte deutliche Alterserscheinungen - lose Titanbleche schepperten im Wind, und mächtige Stahlträger ragten in die dämmrige Morgenluft; Flächen so groß wie Äcker hingen von der Unterseite der Welt und warteten nur darauf, sich abzulösen. Erstaunlich, dass das Habitat überhaupt noch zusammenhielt.
    Neben der Blase war auf der Außenseite ein rostiges Maschinengewehr angebracht. Der Wind konnte es nicht erschüttern, und es bewegte sich auch nicht, als Venera die Schalter und Hebel vor dem Stuhl betätigte.
    So weit, so gut. Aber das alles war für sie nur von mäßigem Interesse. Sie kehrte zur Treppe zurück, aber jetzt drang immer mehr Licht durch das Laubwerk, und sie konnte das Innere der Blase besser erkennen. So entdeckte sie auch den kleinen Gang, der sich hinter der Treppe auftat.
    Venera nagte an ihrer Unterlippe und verdrehte die Augen, um zu der geschlossenen Klappe über sich hinaufzusehen. Eine Hand hatte

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