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Säule Der Welten: Roman

Säule Der Welten: Roman

Titel: Säule Der Welten: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Schroeder
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vielleicht damit zu erklären, dass sie am ganzen Körper gepanzert war.
    Sie schraubte ihren Helm ab und schaute in zwei Dutzend Gewehrläufe. Keiner war wie der andere, als hätte man sie in einem Museum abgenommen, um sie ihr zu überreichen; sie war so benommen, dass sie fast nach einem der Gewehre gegriffen hätte. Aber die wurden von Händen festgehalten, und hinter den Händen standen Männer mit grimmigen Mienen.
    Als sie und Sarto auf dem Dach von Liris angekommen waren, hatten sie ein bühnenreifes Durcheinander von Leichen, zerrissenen Zeltplanen und brennenden Kohlebecken vorgefunden, an denen Männer in fremdländischen Rüstungen kauerten. In der Mitte stieg das
dicke Metallkabel himmelwärts und verschwand in den wogenden Nebeln des frühen Morgens; dieses Kabel leuchtete bereits golden, denn in der Ferne erwachte Candesce.
    Venera hatte Moss entdeckt und steuerte auf ihn zu, hielt aber den Kopf unten, um etwaigen Heckenschützen kein Ziel zu bieten. Als er aufblickte, sah sie die Falten der Erschöpfung um seine Augen; er schaute an ihr vorbei und entdeckte Sarto. »Was hat er hier zu suchen?«
    »Wir müssen die Belagerung aufbrechen. Ich gehe über die Mauer, und Sarto kommt mit.«
    Moss blinzelte, aber sein immergleicher Gesichtsausdruck verriet nicht, was er dachte. »Wozu?«
    »Ich weiß nicht, ob die Befehlshaber der Streitkräfte, die den Außenring bilden, bereits darüber informiert wurden, dass ich eine Hochstaplerin und Verräterin bin. Ich muss Jacoby Sarto mitnehmen, falls ich eine … man könnte vielleicht sagen, eine Eintrittskarte brauche.«
    Er nickte zögernd. »Und wie w-willst du unsere S-Streitkräfte erreichen? S-Sacrus steht zwischen uns und ihnen.«
    Jetzt grinste sie. »Nun, für uns alle wäre es wohl nicht möglich, aber ich würde vorschlagen, mit einem Sprung .«
    Natürlich hatten sie Unterstützung durch ein antikes Katapult gehabt, mit dem Liris früher einmal Briefe und Pakete über eine feindliche Nation hinweg zu einem fünf Kilometer entfernten Verbündeten geschossen hatte. Venera war es an ihrem zweiten Tag hier aufgefallen; es hatte sich ohne große Mühe so umbauen
lassen, dass es zwei Menschen fasste. Aber niemand hatte gewusst, ob es noch funktionierte, am wenigsten sie selbst. Spyres niedrige Schwerkraft war ihre einzige Hoffnung gewesen.
    Im Angesicht der Soldaten gab es zwei mögliche Strategien: die eine, wenn sie zur Ratsallianz gehörten, eine andere, wenn Sacrus ihr Dienstherr war. Aber was traf zu? Sie war durch den Sturz so desorientiert, dass sie nicht wusste, wo sie gelandet waren. So nahm sie nur die Hände hoch, lächelte und sagte: »Hallo.«
    Neben ihr rollte sich Jacoby Sarto ächzend ab. Sofort richtete sich ein weiteres Dutzend Gewehrläufe auf ihn. »Ich glaube nicht, dass wir wirklich so gefährlich sind«, bemerkte Venera nachsichtig. Der kleine Scherz trug ihr einen Tritt in den Rücken ein (den sie unter dem Metallpanzer kaum spürte).
    Durch ihren Kiefer ging eine Schmerzwelle - und dann geschah etwas Merkwürdiges. Sie wurde von diesen Krämpfen seit Jahren geplagt, seit sie, den Kopf eingewickelt wie eine zerbrechliche Vase, die mit der Post verschickt werden sollte, im Militärlazarett von Rush aufgewacht war. Sie kommentierte jeden Stich mit einem kurzen Gedanken. Der Inhalt wechselte, in etwa lief es aber immer auf Ich bin ganz allein oder Ich bringe sie alle um hinaus. Angst und Wut, beides durchzuckte sie jeden Tag mehrmals. Die heftigen Kopfschmerzen, die sich oft im Lauf von Stunden aufbauten, steigerten ihren Groll nur noch mehr.
    Doch nun hatte Venera die Kugel, die sich in ihr Kinn gebohrt hatte, aus der Jackentasche genommen und mit demselben Gewehr verschossen, aus dem sie damals abgefeuert worden war. Als sich ihr Kiefer diesmal verkrampfte,
blieb der übliche Weltschmerz aus, stattdessen kam eine blitzartige Erinnerung: das Morgengewehr entlud sich mit einer gewaltigen Explosion ihren Händen und schleuderte sie mit einem heftigen Rückschlag nach hinten in die Lirisianer hinein. Sie hatte keine Ahnung mehr, was sie dabei empfunden hatte, aber das Bild gefiel ihr.
    Also grinste sie schief, stand auf und klopfte sich ab. Dann sagte sie sehr würdevoll: »Ich bin Amandera Thrace-Guiles, und das ist Jacoby Sarto vom Rat von Spyre. Wir müssen mit Ihren Kommandanten sprechen.«
     
    »Sind berüchtigt für Ihre Extravaganzen«, sagte der Kommandant, und sein grauer Schnurrbart zitterte. »Aber das war nun wirklich

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