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SÄURE

SÄURE

Titel: SÄURE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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hat mir mal erzählt, als Kind hätte sie in der Schule immer lauter glatte Einsen bekommen. Nicht weil sie so besonders gern gelernt hätte, sondern weil sie Angst vor den Lehrern hatte, daß sie wütend auf sie würden. Sie hatte Angst, keine guten Noten zu bekommen. Sie war so verdammt gradlinig und pflichtbewußt; selbst damals, als wir im Studio waren und die Sitten ziemlich locker waren, ist sie nie einen Millimeter von ihren Prinzipien abgewichen.«
    Ich fragte mich, wie sie bei dieser strikten Moralauffassung auf jemanden wie Todd Nyquist reagiert haben mochte. Ich sagte: »Chickering spricht von Selbstmord.«
    »Chickering ist ein verdammter Esel! Das einzige, was er kann, ist das Maul halten. Wofür er ja auch schließlich bezahlt wird.«
    »Das Maul halten? Wieso?«
    Er schloß die Augen, schüttelte den Kopf, blickte wieder in den Spiegel. »Was glauben Sie wohl? Die Leute benehmen sich doch wie die Idioten. Sie kommen her, lassen sich vollaufen, wollen dann in dem Zustand nach Haus fahren. Fangen an zu toben und mich zu beleidigen, wenn ich Noel sage, daß er ihnen die Schlüssel nicht herausgeben soll. Ich rufe Chickering an, und der kommt sofort, obwohl wir uns hier ja eigentlich in Pasadena befinden, und fährt sie nach Hause, - er oder einer aus seiner Truppe, aber in ihrem eigenen Wagen, so daß niemandem etwas auffällt. Es wird nichts aufgeschrieben, und der Wagen des Idioten wird ihm bis an seine Einfahrt geliefert, frei Haus, wenn es jemand von hier ist. Genau dasselbe geschieht, wenn eine der netten alten Damen beim Ladendiebstahl oder die Kids beim Doperauchen erwischt werden.«
    »Und wenn es Leute von außerhalb sind?«
    »Die landen im Polizeigefängnis.« Grimmiges Lächeln. »Wir haben eine wunderbar saubere Kriminalstatistik.« Er strich sich mit dem Finger über die Lippen. »Deshalb gibt es hier am Ort auch keine eigene Zeitung, - Gott sei Dank, sage ich jetzt. Früher habe ich es verdammt schade gefunden, weil ich nicht für den Laden werben konnte, aber jetzt sage ich Gott sei Dank!« Er legte wieder beide Hände aufs Gesicht.
    Bethel kam mit einem Teller aus der Küche, auf dem ein Steak mit Eiern lag. Sie stellte ihn vor Ramp hin und kehrte dann sofort in die Küche zurück.
    Nach einer langen Pause blickte er auf. »Also, wie hat es Ihnen am Strand gefallen?« Als ich nichts darauf erwiderte, sagte er: »Ich habe ja gesagt, daß sie dort nicht sein würde. Weshalb zum Teufel haben Sie sich die Mühe gemacht?«
    »Detektiv Sturgis hatte mich gebeten nachzusehen.«
    »Der gute alte Detektiv Sturgis. Wir haben wirklich unsere Zeit miteinander verschwendet, oder? Tun Sie immer das, was er Ihnen sagt?«
    »Normalerweise sagt er mir nicht, was ich tun soll.«
    »Obwohl es ja eigentlich keine Dreckarbeit war, oder? Sie sind nur zum Strand gefahren, haben ein bißchen Sonne abbekommen und Ihren Auftraggeber überprüft.«
    »Es ist ein herrlicher Fleck«, sagte ich. »Sind Sie oft da unten?«
    Sein Unterkiefer spannte sich, er berührte sein Whiskeyglas. Schließlich sagte er: »Früher ja, ein paarmal im Monat. Gina habe ich nie soweit bringen können, daß sie mitkam.« Er drehte sich um und sah mich wieder an, starrte mich an.
    Ich hielt seinem Blick stand.
    »Herrliche Sonne am Strand«, sagte er, »muß die Bräune behalten - perfekter Gastwirt und so weiter -, muß einen gewissen verdammten Standard aufrechterhalten, stimmt’s?« Er hob das Glas, nippte.
    Ich sagte: »In den letzten Tagen sind Sie nicht dazu gekommen.«
    »Ja«, hohles Lachen, »erst dachte ich, es wäre nichts, Gina hätte sich verfahren, würde jeden Augenblick wieder da sein. Als sie dann am Donnerstagabend immer noch nicht wieder zurück war, kam mir der Gedanke, daß sie vielleicht tatsächlich losgefahren war, frei sein wollte, wie Sturgis gesagt hat. Als ich mir das erstmal in den Kopf gesetzt hatte, glaubte ich fest daran. Hab’ immerzu überlegt, was ich falsch gemacht haben könnte, bin fast wahnsinnig geworden bei dem Gedanken. Und was stellt sich dann heraus? Es ist ein verdammter, blöder Unfall. Himmel, ich hätte wissen müssen, daß es nicht an uns lag. Wir kamen wunderbar miteinander zurecht, obwohl - es war - es war so…« Er gab ein gequältes Geräusch von sich, hob das Glas auf und warf es gegen den Spiegel, Glasscherben zersprangen klirrend im Spülbecken der Bar.
    Niemand kam aus der Küche.
    Er sagte: »Skol! Auf die verdammte Gesundheit! Hoch die Tassen!« Wandte sich zu mir. »Was wollen

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