SÄURE

dann noch gar nicht berührt, - ihre Interessen müssen wahrgenommen werden. Dann müssen Vollmachten erstellt werden, damit es mit der Verwaltung des Besitzes klappt. Und natürlich hält das Finanzamt überall kräftig die Hand auf und versucht, die Erben möglichst bis aufs Hemd auszunehmen. Allerdings wurden durch die Trusts gewisse Vorkehrungen getroffen, und bei sorgfältiger Beachtung der Spielregeln ist hier nichts zu befürchten.«
    »Vormundschaft?« fragte ich. »Melissa hat ihre Volljährigkeit erreicht, wieso braucht sie da einen Vormund?«
    Anger sah Douse an. Douse erwiderte den Blick. - Ein Tennismatch der Augen, der Ball landete schließlich im Spielfeld des Bankers.
    »Die Volljährigkeit«, sagte er, »ist der eine Aspekt, die Kompetenz ist der andere.«
    »Sie wollen sagen, Melissa sei nicht fähig, über ihre eigenen Angelegenheiten zu entscheiden?«
    »Der Ausdruck ›Angelegenheit‹«, sagte Douse, »trifft ja nicht im entferntesten auf das zu, worum es hier geht.« Er schwenkte den Arm mit einer Geste, die das Haus und alles, was darin war, umfassen sollte. »Wie viele Achtzehnjährige wären wohl in der Lage, etwas von dieser Größenordnung zu verwalten? Ich weiß, daß zum Beispiel meine dazu nicht fähig wäre.«
    »Meine auch nicht«, bemerkte Anger, »und dazu kommt ja auch noch der emotionale Streß, die Familiengeschichte.« Er wandte sich mir zu. »Da kennen Sie sich doch aus!«
    Es klang wie eine Einladung. Ich ging nicht darauf ein.
    Douse berührte seinen kahlen Kopf. »Von meinem Standpunkt aus betrachtet«, sagte er, »sowohl als ihr Anwalt wie auch als Familienvater, komme ich zu der nun allerdings sehr begründeten Erkenntnis, daß es für sie am besten wäre, wenn sie sich ganz auf das Erwachsenwerden konzentriert. Weiß Gott, wie schwer ihr das in Anbetracht der vorliegenden Umstände fallen wird.«
    »Das ist richtig«, bekräftigte Anger. »Ich habe selbst vier zu Haus, Doktor, alle so zwischen dreizehn und neunundzwanzig. Wir machen etwas durch, - Alarmstufe eins, die Hormone, Sie verstehen! Geben Sie Jugendlichen eine Menge Geld in die Hand, dann ist das genauso, als wenn Sie ihnen einen geladenen Revolver in die Hand drücken.«
    »Haben Sie selbst Kinder, Doktor?« fragte Douse. »Nein«, antwortete ich.
    Beide bedachten sie mich mit einem wissenden Lächeln.
    »Nun«, sagte Douse und spielte mit einem Jacketknopf, »wie ich schon sagte, das ist alles, was ich Ihnen mitteilen darf, falls Sie keine weitergehende Berechtigung in diesem Falle vorweisen können.«
    »Was für eine Berechtigung?«
    »Sollten Sie eine weitergehende psychologische Tätigkeit ins Auge fassen, indem Sie die Koordinierung der emotionalen Angelegenheiten Melissas im engen Zusammenwirken mit Glenns und meiner Regelung der finanziellen Fragen vorzunehmen bereit sind, so würde ich dafür sorgen, daß Ihre Gesichtspunkte in allen kritischen Momenten Berücksichtigung finden und gut honoriert würden.«
    »Lassen Sie mich folgendes klarstellen:«, antwortete ich. »Sie möchten also, daß ich Ihnen helfe, Melissa für geistig unreif zu erklären, über ihre eigenen Angelegenheiten zu entscheiden, so daß ein Vormund bestellt werden kann, der ihr Geld verwaltet.«
    Anger verzog das Gesicht.
    »Falsch«, sagte Douse, »wir wollen gar nichts, unser Wohlergehen steht hier nicht zur Debatte. Wir denken nur an ihres, als alte Freunde der Familie, als Eltern und als erfahrene Verwalter. Und wir versuchen in keiner Weise Ihr Urteil oder Ihre Meinung zu beeinflussen. Dieses Gespräch, zu dem es, wenn ich Sie erinnern darf, ganz spontan gekommen ist, stellt nur eine Diskussion von Fragen dar, die aufgrund unvorhergesehener Ereignisse eine gewisse Dringlichkeit erlangt haben. Kurzum, Doktor: Wir müssen uns verdammt schnell eine vernünftige Regelung einfallen lassen.«
    »Eines sollte Ihnen doch klar sein, Doktor«, warf Anger nun ein, »das Geld gehört noch nicht Melissa. Im Sinne des Gesetzes gehört es ihr nicht. Sie würde wahnsinnige Schwierigkeiten haben dranzukommen, bevor nicht der gesetzliche Prozeß abgeschlossen ist. Und wie Jim ja schon sagte, die Mühlen der Justiz mahlen verdammt langsam. Der Prozeß wird lange, wird Monate in Anspruch nehmen, oder sogar Jahre. In der Zwischenzeit muß doch für alles gesorgt werden, für den Haushalt hier, die Gehälter und Reparaturen müssen bezahlt werden, von der Entscheidung über die Investitionen gar nicht zu reden, wobei es ein Wirrwarr von Bestimmungen