Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
SÄURE

SÄURE

Titel: SÄURE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
Vom Netzwerk:
Hexenhüte.
    Ich kehrte zum Wagen zurück und fuhr etwa hundert Meter weiter, bis ich einen Platz fand, wo der Randstreifen im Schatten einer Baumgruppe lag. Es waren eigentlich eher Büsche, kümmerliche, verkrüppelte, vom Wind zerzauste Dinger, die aus dem Berghang herauszuwachsen schienen und über den Asphalt herabhingen. Kein richtiges Versteck, aber vielleicht gerade genug Tarnung, um den Wagen vor zufälliger Entdeckung zu schützen. Ich parkte, schloß ab, ging zu Fuß zum Tor zurück, fand den Vorsprung wieder, auf den ich mich mit den Zehen abgestützt hatte und war im Nu drüben.
    Der unbefestigte Fahrweg war holprig und voller Kieselsteine. Ich verlor mehrmals den Halt unter den Füßen und landete auf den Händen. Als ich den großen, hohen Bäumen näherkam, roch ich Kiefernholz. Mein Gesicht fing an zu prickeln und zu brennen, unsichtbare Insekten saugten mich aus.
    Die Bäume standen nahe beieinander, aber es waren nur wenige. Gleich darauf befand ich mich auf einer offenen Fläche, ein Plateau, grau im Licht des schwachen Viertelmonds. Ich blieb stehen und horchte, hörte mein Blut in den Ohren rauschen. Allmählich unterschied ich Einzelheiten: eine Fläche von der Größe eines Stadions, in einem nicht erkennbaren Muster mit einem halben Dutzend Bäumen bepflanzt, Schwachstromlampen am Fuß von einigen von ihnen.
    Meine Nase fing wieder an zu arbeiten: Zitrusduft so stark, daß mein Mund Sommerferienlimonade schmeckte. Davon unbeeindruckt hielten sich die Insekten an mein rohes Fleisch.
    Ich machte zunächst einen vorsichtigen Schritt vorwärts, dann noch zehn, dann zwanzig. Verschwommene weiße Rechtecke tauchten zwischen den Blättern der Bäume auf. Ich ging um die Zitruszweige herum, aus den Rechtecken wurden Fenster. Ich wußte, daß eine Wand zwischen ihnen sein mußte, und mein Gehirn zog eine, noch bevor ich sie sah.
    Ein Haus, nicht groß, einstöckig, tief herabgezogenes schräges Dach. Drei Fenster erleuchtet, aber nichts zu sehen, Gardinen davor. Eine typische Ranch, wie es viele davon in Kalifornien gab, still und idyllisch. So friedlich, daß ich an meiner Ahnung zu zweifeln anfing. Aber zu vieles paßte zusammen…
    Ich suchte noch mehr Einzelheiten. Sah das Fahrzeug, das ich suchte. Links vom Haus war ein Weidezaun, ein Korral. Dahinter lagen Nebengebäude. Ich ging auf sie zu, hörte das Wiehern und Schnauben von Pferden, füllte die Nase mit dem mehligen Aroma von altem Heu und Dung. Die Pferdegeräusche wurden lauter. Ich sah, woher sie kamen: Ställe, direkt hinter dem Korral. Dahinter in zwanzig Meter Abstand ein hohes Gebäude, das fensterlos zu sein schien, eine Scheune, noch weiter rechts dahinter ein kleines Gebäude. Dort auch Licht. Ein Rechteck, nur ein einziges Fenster.
    Ich ging darauf zu. Die Pferde scharrten und wieherten leise, wurden lauter. Es waren nur ein paar, den Lauten nach zu urteilen, aber was ihnen an Zahl fehlte, das machten sie an Ängstlichkeit wett. Ich hielt den Atem an, setzte meinen Weg fort. Hufe schlugen gegen weiches Holz; ich meinte die Erde vibrieren zu fühlen, aber es waren vielleicht meine Beine, die zitterten.
    Die Pferde wurden immer lauter, schäumten vor Aufregung. Ich hörte ein Knarren und Klicken von dem kleinen Gebäude her. Ich preßte mich gegen den Korral und sah, wie eine Lichtsäule sich über den Erdboden ausbreitete, als die Tür des Gebäudes aufsprang. Eine Fliegengittertür quietschte, und jemand trat heraus. Die Pferde wieherten weiter. Eines von ihnen gab ein gurgelndes, gasiges Geräusch von sich.
    Eine tiefe Stimme brüllte: »Halt die Schnauze!«
    Plötzliche Stille. Derjenige, der gebrüllt hatte, stand einen Augenblick lang da, ging dann wieder hinein. Die Lichtsäule verdünnte sich zu einem Faden, verschwand aber nicht. Ich blieb stehen, wo ich war, horchte auf das Keuchen der Pferde, fühlte Dinger mit vielen Beinen über meine Hände und mein Gesicht krabbeln.
    Endlich schloß sich die Tür ganz. Ich schlug mir auf die Wangen und wartete noch mehrere Minuten, bis ich mich vorwärtsbewegte. Die Pferde hinter den Stallwänden wimmerten verzweifelt. Ich lief an ihnen vorbei, kickte beim Laufen Kies hoch und verfluchte meine Lederschuhe.
    Ich blieb am Scheunentor stehen. Laute, nicht von Pferden, kamen aus dem kleinen Gebäude. Das einzige Fenster warf einen filmigen Schein auf den Staub. Ich hielt mich dicht an die Seitenwand der Scheune und bewegte mich zentimeterweise auf das Licht zu. Schritt für Schritt. Die

Weitere Kostenlose Bücher