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SÄURE

SÄURE

Titel: SÄURE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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auf dieser Stufe sind die tödliche Dosis, irreversibler Gehirnschaden erfordert viel weniger.« Er tippte leicht auf einen Knopf und brachte den ausgestreckten Körper zum Zucken.
    Ich sagte: »Ich bewege mich nicht.«
    Während er mich im Auge behielt, hockte er sich neben dem Sessel, in dem seine Frau lag, hin, hob den Knebel auf, richtete sich auf, preßte ihn zu einem Bausch zusammen und steckte ihn ihr wieder in den Mund. Sie hustete und gab Würgelaute von sich, aber wehrte sich nicht. Auf dem Saum ihres Nachthemdes stand Eigentum Massachusetts General Hospital.
    »Entspanne dich, Liebling«, sagte er, drückte auf den schwarzen Fernsehschalter und löschte das Fernsehbild aus. Dann stand er vor dem Fernsehgerät, während er sie mit einem Blick betrachtete, den ich nicht einordnen konnte -Herrschsucht und Verachtung, Gier und ein ganz kleines bißchen Liebe, das mir am meisten Übelkeit bereitete. Ich sah zu Gina hin, die sich noch immer nicht gerührt hatte.
    »Wegen der machen Sie sich mal keine Sorgen«, sagte Gabney. »Sie wird eine Weile weg sein - Chloralhydrat, beim guten alten Mickey Finn! Sie spricht gut darauf an. Wegen ihrer Vorgeschichte und schwächlichen Konstitution habe ich sie mit Samthandschuhen angefaßt.«
    »Ein toller Kerl!«
    »Unterbrechen Sie mich nicht«, befahl er lauter, drückte auf einen Knopf, der den Raum zum Schreien brachte und Ginas Körper wie eine Stoffpuppe flattern ließ. In ihrem Gesicht war keine bewußte Schmerzwahrnehmung zu erkennen, aber ihre Lippen zogen sich zurück und legten die Zähne frei in einem Rictus, der die Haut auf ihrer vernarbten Seite spannte und kräuselte. Als der Lärm abebbte, sagte Gabney trocken: »Ein bißchen mehr davon und die ganze hübsche Plastikchirurgie wird umsonst gewesen sein.«
    »Aufhören«, rief ich.
    »Hören Sie auf zu flennen. Das ist das letztemal, daß ich Sie warne, verstanden?« Ich nickte.
    Der Geruch nach verbranntem Toast erfüllte meinen Kopf. Gabney starrte mich an und schien zu überlegen. »Das ist mein Problem«, sagte er und tippte auf die graue Fernbedienung.
    »Was ist?«
    »Warum zum Teufel haben Sie sich eingemischt? Wie haben Sie es herausbekommen?«
    »Eins hat irgendwie zum anderen geführt.«
    »›Hat irgendwie‹«, wiederholte er, »›Hat irgendwie‹, wundervolle Ausdrucksweise, - wer hat Ihnen denn Ihre Doktorarbeit geschrieben?« Er schüttelte den Kopf, »›Hat irgendwie geführt‹ - nur eine Kette von Zufällen, wie? Sie haben einfach so, sinnlos herumgegammelt, was? Zufallstreffer, eh?«
    Ich sah die Apparaturen an.
    Sein Gesicht verfinsterte sich. »Wagen Sie es nicht, mich zu beurteilen! Ich bin mitten in einer Behandlung! Sie verletzen das Arztgeheimnnis!«
    Ich sagte nichts.
    »Haben Sie denn überhaupt eine Ahnung, wovon ich spreche?«
    »Von sexueller Rekonditionierung«, erklärte ich, »Sie versuchen die sexuelle Orientierung Ihrer Frau zu korrigieren.«
    »Ausgezeichnet«, lobte er, »hervorragend. Sie sind fähig, das, was Sie sehen, zu beschreiben. Psychologie, drittes Semester.« Er starrte mich an, tappte mit der Stiefelsohle auf den Boden.
    Ich fragte: »Ist die Beschreibung nicht zutreffend?«
    »Nicht zutreffend?« Trockenes Gelächter, »als ob das alles wäre. Es fehlt die raison d’etre, der verdammte klinische Zweck!«
    »Der Zweck ist, daß Sie ihr helfen, normal zu werden.«
    »Und Sie meinen nicht, daß dieser Zweck die Mühe wert ist?« Bevor ich antworten konnte, schüttelte er den Kopf und fluchte, dann spannte sich sein Arm, der den Schalter für das Elektroschockgerät hielt. Meine Augen sprangen zu dem grauen Plastikteil hinüber. Ich merkte, daß mir der Schweiß ausgebrochen war. Ich wartete auf den Hochfrequenzschrei und den Schmerz, der darauf folgen mußte.
    Gabney senkte die Hand herab und lächelte. »Empathetische Konditionierung. Und so rasch, Mann, Sie haben ein weichliches Herz, Ihre Patienten tun mir leid.« Das Lächeln löste sich in einem See der Verachtung auf. »Was Sie denken, spielt überhaupt keine Rolle.« Er bewegte sich langsam, zentimeterweise auf Gina zu, während er mich im Auge behielt. Hob ihr Nachthemd mit dem schwarzen Fernschalter hoch, legte ihre Schenkel frei und sagte: »Makellos!«
    »Bis auf die blauen Flecke.«
    »Nichts, was nicht heilt. Manchmal ist Kreativität erforderlich.«
    »Kreativität?« fragte ich. »Interessanter Ausdruck für Folter.«
    Er trat direkt vor mich hin, nur etwas mehr als eine Armeslänge von mir

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