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SÄURE

SÄURE

Titel: SÄURE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Laute wurden zu Tönen, nahmen Gestalt an, wurden artenspezifisch. Menschenlaute. Eine Stimme redete, die andere summte. Nein - stöhnte!
    Ich befand mich jetzt an der Vorderfront des kleinen Gebäudes, preßte mich gegen rauhes Holz, vermochte aber die Laute immer noch nicht in Worte zu übersetzen.
    Ein zorniger Tonfall der ersten Stimme, Befehle erteilend. Die zweite Stimme leistete Widerstand. Ein sonderbares Hochfrequenzgeräusch, wie wenn ein Fernsehgerät eingeschaltet wird. Erneutes Stöhnen - lauter. Jemand leistet Widerstand und leidet deswegen.
    Ich lief zum Fenster, hockte mich darunter, bis meine Knie weh taten, richtete mich langsam auf und versuchte durch die Jalousie hindurchzusehen. Undurchsichtig, - alles, was ich unterscheiden konnte, war der Schatten einer Bewegung, eine Form, die sich im Licht durch den Raum bewegte. Die Marterlaute im Innern dauerten an.
    Ich erreichte die Tür, riß die Fliegendrahttür auf und zuckte zusammen, als sie knarrte. Die Laute dauerten an. Ich tastete in der Dunkelheit nach dem Griff der inneren Tür. Ein verrosteter Knauf, locker in seiner Halterung. Metallisches Geklingel - ich dämpfte es, indem ich mit beiden Händen drauffaßte; drehte ihn langsam herum, drückte. Zwei Zentimeter Spalt genügten zum Reinspähen. Ich spähte, wobei mein Herz raste, und was ich sah, ließ es schneller rasen. Meine Hand zog die Tür auf - hinein.
    Der Raum war lang und schmal, mit fahlgrauem Wermutimitat getäfelt, schwarzem Linoleumboden, Licht aus zwei billig aussehenden Glühbirnengirlanden an den entgegengesetzten Enden des Raums; trockene, nach Rauch riechende Hitze von einem Heizkörper an der Wand schlug mir entgegen.
    Zwei Barbiersessel mit stellenweise abgeplatzter weißer Lackierung waren in der Mitte des Raums im Fußboden festgeschraubt. Sie standen einen Meter auseinander, die Lehnen waren halb zurückgekippt. Der erste Sessel war leer. Im zweiten befand sich eine Frau in einem Krankenhausnachthemd, die an den Fuß und Handgelenken, in der Taille und über der Brust mit breiten Ledergurten gefesselt war. Von ihrem Kopf war das Haar stellenweise abrasiert, so daß ein krudes Schachbrettmuster entstanden war. Elektroden waren an weißen Kopfhautflecken, den Armen und den Innenseiten der Schenkel befestigt. Die von dort aus zusammenlaufenden Drähte endeten in einem zentralen orangefarbenen Kabel, das sich über den Fußboden zu einem grauen Metallkasten schlängelte, der zweimal so breit und so hoch wie ein Kühlschrank war. Die Vorderseite des Kastens wies Skalen und verglaste Meßgeräte auf. Einige Zeiger des Meßgerätes zitterten. Hinter dem Kasten schaute die Ecke von etwas hervor, chromglänzende Beine und Rollen daran.
    Ein zweites Kabel verband den Kasten mit einem Gerät, das auf einem grauen Metalltisch stand, mit einer Papierwalze und mechanischem Arm. Der Arm hielt mehrere mechanische Zeichenstifte. Zackige Linien kurvten auf der Walze auf und nieder, die sich langsam drehte. Neben diesem Gerät lagen mehrere bernsteinfarbene pharmazeutische Fläschchen und ein weißer Plastikinhalator.
    Direkt der Frau gegenüber befand sich ein Fernsehgerät mit großem Bildschirm. Die Nahaufnahme einer weiblichen Brust, die Brustwarze so groß wie ein Apfel war darauf zu sehen, das Bild bewegte sich nicht. Aber dann ein Schnitt und die Großaufnahme eines Gesichts, dann ein Büschel Schamhaar, zurück zur Brustwarze.
    Ein Mann stand neben dem Fernsehgerät, hielt in der einen Hand einen schwarzen Fernbedienungsschalter, in der anderen einen größeren, grauen, Kaugummi kauend. Seine Augen waren triumphierend aufgerissen und rissen vor Überraschung noch weiter auf, als er mich sah.
    Die Frau in dem Sessel war Ursula Cunningham-Gabney. Ihre Augen waren rot und geschwollen und groß vor Entsetzen, ihr Mund war mit einem blauen Taschentuch zugestopft.
    Der Mann war so um die Sechzig mit buschigem weißem Haar und einem kleinen, runden Gesicht. Er trug ein schwarzes Sweatshirt über Bluejeans und Arbeitsstiefeln. Seine Stiefel waren mit eingetrocknetem Dreck verkrustet. Seine Augen waren geweitet und zwinkerten. Seine Frau versuchte trotz des Knebels in ihrem Mund zu schreien, - was herauskam, war nur ein dünnes Würgen. Er sah sie nicht an.
    Ich bewegte mich auf ihn zu.
    Er schüttelte den Kopf und drückte auf einen Knopf an der grauen Fernschaltung. Der Hochfrequenzton, den ich draußen gehört hatte, erfüllte den Raum, schrill wie wenn ein Vogel aufgespießt wird, als

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