Safa: Die Rettung der kleinen Wüstenblume
für Arbeitsvisa zuständige Stelle weitergeleitet worden sei und nun erst fertig bearbeitet werden müsse. »Selbstverständlich werden wir versuchen, die Sache zu beschleunigen, damit sie spätestens in vierundzwanzig Stunden einreisen können«, gab sich der Uniformierte großzügig.
Ich hörte wohl nicht recht. Wutentbrannt stand ich auf und schnappte meine Tasche. »Wie bitte? Es ist mir egal, wie Sie es anstellen, aber Sie werden uns jetzt sofort unsere Visa geben. Wir sitzen hier seit drei Stunden völlig sinnlos herum, dabei hätten wir längst mein Patenkind von der Schule abholen sollen. Und genau das werden wir jetzt auch tun. Gehen Sie und machen Sie Ihre Arbeit!«, schrie ich den Beamten an, der auf seinem Sessel immer kleiner wurde.
Daraufhin stand er wortlos auf und verließ den Raum.
Müde, verzweifelt und wütend zugleich saß ich da und schüttelte den Kopf. Das durfte einfach nicht wahr sein. Ich hockte mit Winterstiefeln und Daunenjacke in einem stickigen, heißen Flughafengebäude, durfte nicht einreisen und konnte mich nicht einmal umziehen, da mein Gepäck auf der anderen Seite der Zollkontrolle auf mich wartete. Joanna sah mich mit ratlosen Augen an, unter denen sich inzwischen dunkle Schatten gebildet hatten. Liebevoll legte ich den Arm um sie. Es tat mir leid, dass sie all das mit mir mitmachen musste, dass nie etwas reibungslos ablaufen konnte. Aber so war sie, die Arbeit in Afrika – stets eine Herausforderung, stets ein harter Kampf.
Endlich, nach einer weiteren Stunde scheinbar endlosen Wartens, kehrte der Zollbeamte zurück.
Er reichte mir sein Handy. »Hier, das ist mein Vorgesetzter, er möchte mit Ihnen persönlich sprechen.«
»Hallo? Hier ist Waris Dirie. Ich möchte als Privatperson einreisen, warum bereiten mir Ihre Beamten solche Schwierigkeiten?«, schnaubte ich, ohne die Begrüßung des Mannes am anderen Ende der Leitung abzuwarten.
Noch einmal musste ich eine Befragung zum Thema Film über mich ergehen lassen. »Sie sind nicht zu Dreharbeiten hier? Und es ist auch keine Pressekonferenz in Dschibuti geplant? Sie sind wirklich rein privat unterwegs?«
Genervt beantwortete ich alle seine Fragen, bis er schließlich sagte: »Frau Dirie, Sie dürfen jetzt den Zoll passieren. Ihre Visa lassen wir Ihnen ins Hotel bringen. Ihr Reisepass bleibt allerdings so lange bei uns, bis alles geklärt ist.«
Grußlos reichte ich das Mobiltelefon dem Beamten vor mir, gab Joanna einen Wink und verschwand mit ihr durch die Tür.
Wir durften keine Zeit mehr verlieren. Es war bereits Mittag, der Unterricht in der Schule würde in Kürze zu Ende sein. Zusammen mit Fardouza wollten Joanna und ich Safa abholen, um in Ruhe mit ihr zu sprechen und so herauszufinden, ob sie noch unversehrt war.
Es war wie ein Wunder: Kaum hatten wir den Zoll passiert und die Ankunftshalle des Flughafens von Dschibuti betreten, sahen wir schon Fardouza, die aufgeregt zu der Schiebetür herüberspähte. Ihrer unfassbaren Geduld und ihrem Wissen, wie langwierig die Einreise in dieses Land sein konnte, hatten wir es zu verdanken, dass sie stundenlang in der Hitze verharrt und auf uns gewartet hatte.
Zu unserer Überraschung war unsere langjährige Unterstützerin nicht allein. An ihrer Seite stand Linda Weil-Curiel, die Vizepräsidentin der Desert Flower Foundation und eine bekannte Menschenrechtsanwältin aus Frankreich, die aus ihrer Heimatstadt Paris angereist war. Ihr hatten die Behörden offensichtlich keine Schwierigkeiten bei der Einreise bereitet. Vermutlich weil ihr Gesicht in Afrika längst nicht so bekannt war wie meines, das hier für meinen aufmüpfigen Kampf für Frauenrechte und damit aus der Sicht vieler schlichtweg für nichts Gutes stand.
Ich umarmte Linda herzlich. Ihr unermüdlicher Einsatz für schärfere Gesetze gegen weibliche Genitalverstümmelung beeindruckte mich seit Jahren. Mit ihrem starken Willen hatte sie durchgesetzt, dass Mädchen aus afrikanischen Immigrantenfamilien in Frankreich regelmäßig auf ihre Unversehrtheit untersucht wurden. In ihrem Land waren die Gesetze gegen FGM strenger als überall sonst auf der Welt. Linda hatte nicht nur etliche Beschneiderinnen in Frankreich höchstpersönlich überführt und sie für lange Zeit hinter Gitter gebracht, sondern auch dafür gesorgt, dass die Opfer Schmerzensgeldzahlungen erhielten. Jetzt war die smarte Französin hier, um uns beim Aufbau der Desert Flower Foundation in Dschibuti zu helfen.
»Schnell«, unterbrach Fardouza
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